31. 10. 2009 - pdf-Format 1,73 mB - Prof. Dr. phil Horst Tiwald

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Aus meiner Sicht ist das Wort "Verzeihen" ein Wort wie "Demut", für das
man kulturell gar nichts vorzubringen braucht, bzw. gegen das man nichts
vorbringen darf.
Es fungiert als etwas moralisch Wünschenswertes, das ungeprüft
hingenommen wird, und das wie ein "Kennwort" wirkt, das als
Lippenbekenntnisse vorgebracht wird, damit man passieren, bzw.
unbehelligt leben darf.
Dadurch entsteht offensichtlich die Annahme, als wäre "Verzeihen und Demut"
der archimedische Punkt, mit dem man die Welt aus den Angeln heben
könnte.
VIII.
Wenn ich manche Sätze in einem aktuellen Dialog-Zusammenhang vorgesetzt
bekomme, dann bocke ich oft und wehre meine (bisher akzeptierte)
Meinung ab.
Dies allerdings oft nicht aus dem Recht heraus, weil ich immer
schon dagegen war, sondern weil ich es mir nun nicht mehr leisten
kann, weiter dafür zu sein.
Dies geschah, als mir die Meinung entgegengebracht wurde, dass das Denken
auf einer Subjekt-Objekt-Unterscheidung beruhe. Unser Bild vom westlichen
Denken beruht doch auf der Grammatik jener Sprachen, die zum
Vorbild für das wurden, was wir traditionell als "Logik" bezeichnen.
Man betrachte die Tatsache, dass das Denken etwas ist, das uns unmittelbar
in unserer inneren Erfahrung gegeben ist.
Aus der inneren Erfahrung heraus wissen wir aber nur, dass wir
denken und was wir denken (d.h. wir kennen unsere Gedanken),
aber wir haben keine innere Erfahrung darüber, wie wir denken
(d.h. über das Sosein des Denkens als Akt, als Bewegen).
Wir sind daher auf die äußere Erfahrung angewiesen und schließen von dieser
auf das "Wie" des Denkens.