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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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zur Diktatur per Wahl geben sollen, erscheint ihm paradox. Daß sie sich zu solchen<br />

Verrücktheiten hinreißen lassen, könne nur in <strong>der</strong> materiellen Not und dem Gefühl,<br />

nichts mehr zu verlieren zu haben, begründet liegen. <strong>Die</strong> Deutschen wüßten, daß sie<br />

ihre Freiheit opfern, aber sie täten es in <strong>der</strong> Hoffnung, daß ihr Leben wie<strong>der</strong> besser<br />

wird. 1<br />

Lapierre zeichnet ein klares Bild von den Machtverhältnissen in Deutschland. Eine<br />

Opposition gebe es nicht mehr; das Zentrum habe seine traditionelle Vermittlerrolle<br />

ausgespielt, die Sozialdemokraten könnten nur noch ihre Haut retten und vom<br />

Reichstag stünden nur noch die äußeren Mauern: „... tout l’intérieur a brûlé“. 2<br />

Am Beispiel <strong>der</strong> paramilitärischen Organisation SA beschreibt Lapierre den Charakter<br />

<strong>der</strong> Deutschen:<br />

... le besoin de discipline des Allemands, leur désir de se trouver encadrés, de<br />

suivre l’entraînement d’une cadence et d’obéir au commandement se trouve<br />

satisfait jusqu’à l’enthousiasme par ces organisations ‘de police’ dénommées<br />

pacifiquement ‘troupes d’assaut’. 3<br />

So komme es, folgert Lapierre, daß Deutschland nun einen Kanzler-Diktator hat.<br />

Beunruhigt fragt er sich über die politische Zukunft. <strong>Die</strong> Deutschnationalen, die das<br />

Wirtschaftsministerium innehätten, hält er für unfähig, das Elend des Volkes zu lin<strong>der</strong>n.<br />

4<br />

In einem Blick über die Grenzen stellt Lapierre fest, daß Mussolini den Aufstieg<br />

Hitlers als weiteren Schritt auf dem Weg zu einem faschistischen Europa begrüßt.<br />

Damit wolle er natürlich nur von den erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

im eigenen Land ablenken. 5 Für Lapierre ist klar, daß Italien sich auch deshalb<br />

Deutschland annähert, damit es besser Frankreich bekämpfen kann:<br />

L’Italie est jalouse (de sa soeur latine) jusqu’à l’obsession. 6<br />

Was die deutschen Beziehungen mit Frankreich betrifft, so vermutet er, daß das<br />

Reich täglich gefährlicher wird, wenn man nicht aufpaßt. Zwar sei es für einen Angriff<br />

erst in vier o<strong>der</strong> fünf Jahren gerüstet, aber dann könnte es aus dem vorhandenen<br />

Kriegspotential <strong>der</strong> Deutschen schöpfen.<br />

Lapierre gibt eine realistische und zutreffende Einschätzung <strong>der</strong> innenpolitischen<br />

Ereignisse in Deutschland. Wie er die Auswirkungen <strong>der</strong> Machtergreifung Hitlers im<br />

Inneren wie in den äußeren Beziehungen sieht, ist weitblickend und beruht auf sehr<br />

guter Deutschlandkenntnis. <strong>Die</strong>ser hohe Grad <strong>der</strong> Informiertheit kennzeichnet zahlreiche<br />

Journalisten, die in <strong>Vie</strong> int. veröffentlichen.<br />

1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O.<br />

2 a.a.O., S. 419<br />

3 a.a.O., S. 418, 419<br />

4 a.a.O., S. 419. Sie ziehen es vor, sich noch auf ihren Vorkriegspfründen auszuruhen.<br />

5 <strong>Vie</strong> int., 25.3.1933, S. 420<br />

6 a.a.O., S. 421<br />

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