Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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<strong>der</strong> Gemeinschaft zu stehen. Gut findet Laloire, daß sich Industrie und Landwirtschaft<br />
gegenseitig verpflichtet sind. 1<br />
Laloire beschreibt bewun<strong>der</strong>nd die Freizeiteinrichtung KDF und die sozialen Hilfswerke<br />
unter dem Dach <strong>der</strong> Volkswohlfahrt. Er erkennt an, daß die Arbeiter und sozial<br />
Schwachen viel Unterstützung und Zuwendung erhalten. 2 Laloire ist begeistert<br />
über die Massen, die Hitler zur Teilnahme an den verschiedenen <strong>Die</strong>nsten und Organisationen<br />
zu bewegen vermag. Er schreibt, in Deutschland vollziehe sich eine Revolution,<br />
die das ganze Volk betrifft. 3<br />
Trotz <strong>der</strong> Durchdringung <strong>der</strong> Wirtschaft mit dem Nazismus glaubt Laloire nicht, daß<br />
die Deutschen das „Joch <strong>der</strong> Tyrannei“ verspüren. 4 Schon durch die Erziehung <strong>der</strong><br />
Jugend und eine geschickte Propaganda werde die Mentalität <strong>der</strong> Massen geformt,<br />
bis ein „neuer Mensch“ entstanden sei. Ziel all dieser Maßnahmen sei, daß aus den<br />
jungen Menschen treue Staatsdiener würden. 5 Er stellt dies positiv dar und als für<br />
Frankreich nachahmenswert.<br />
<strong>Die</strong> Bodenreform ist für Laloire auch sinnvoll. Das neue Erbrecht, so schreibt er, soll<br />
die exzessive Teilung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>eien eindämmen, damit die Wirtschaftseinheit eines<br />
Gutsbetriebes erhalten bleibt. 6 Er findet, daß die Sozial- und Wirtschaftsorganisation<br />
in Deutschland noch nicht perfekt ist, glaubt aber, daß die Revolution bald vollzogen<br />
sein wird. 7<br />
Zu den sozialpolitischen Tendenzen in Deutschland läßt Laloire keine Kritik verlauten.<br />
In einem wesentlichen Punkt täuscht er sich aber. Er befürchtet, daß die Wirtschaftsfragen<br />
Vorrang haben vor allem an<strong>der</strong>en. 8 Natürlich kommt z.B. <strong>der</strong> Katholizismus<br />
in Hitler-Deutschland zu kurz, aber Wirtschaft und Soziales haben in Hitlers<br />
Politik nicht die Bedeutung, die sie zwischen 1930-1933, als es um Stimmenfang<br />
ging, hatten. Das zeigt die Entwicklung und ist in verschiedenen historischen Quellen<br />
interpretiert. Hitler selbst spricht <strong>der</strong> Wirtschaft eine staatsbildende o<strong>der</strong> staatstragende<br />
Kraft ab. 9 Auch sonst sind in „Mein Kampf“ nur sehr wenige Seiten <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
gewidmet, was auf ihre relative Bedeutungslosigkeit hindeutet. Das hätte Laloire<br />
wissen können.<br />
Hiermit ist jetzt, Mitte 1934, die Berichterstattung über das schlechte Krisenmanagement<br />
in Deutschland bis Anfang 1933 und dann über die neuen, nationalsozialistischen<br />
Tendenzen und Maßnahmen in <strong>der</strong> Wirtschafts- und Sozialpolitik beendet.<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.7.1934, S. 225-228<br />
2 a.a.O., S. 229-231. Er verhehlt aber seinen Lesern die Kehrseite <strong>der</strong> Volksgemeinschaftsideologie.<br />
Gerade im Fürsorgebereich wird deutlich differenziert zwischen zu för<strong>der</strong>nden „würdigen“ und auszugrenzenden<br />
„unwürdigen“ Betroffenen. Hier dringt die ideologische Leitlinie des Regimes tief ein;<br />
vgl. Recker, Maire-Luise: Sozialpolitik, in: Benz, W., u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 131-132<br />
3 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 232<br />
4 a.a.O.<br />
5 a.a.O., S. 233<br />
6 a.a.O., S. 235<br />
7 a.a.O., S. 236<br />
8 a.a.O.<br />
9 Vgl. Hitler: „Mein Kampf“, Zentralverlag <strong>der</strong> NSDAP, München 1925/27, S. 167<br />
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