Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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dem Antikominternpakt beitritt. Sie steht auf dem Standpunkt, daß die Menschen<br />
dank <strong>der</strong> „materiellen und moralischen Kraft“, die Gott ihnen mitgab, einen großen<br />
Krieg vermeiden könnten. 1 Im Namen des Christentums verurteilt sie den Haß <strong>der</strong><br />
Völker und Rassen untereinan<strong>der</strong>. 2<br />
Mit <strong>der</strong> Verdammung des Krieges und <strong>der</strong> Bejahung des Friedens reproduziert und<br />
kommentiert <strong>Vie</strong> int. die Worte des Papstes. <strong>Die</strong> Meinung des Vatikans zu verbreiten,<br />
ist eine <strong>der</strong> Hauptaufgaben <strong>der</strong> Dominikanerzeitschrift. <strong>Die</strong>se Funktion wird beson<strong>der</strong>s<br />
deutlich in <strong>der</strong> Debatte um Krieg o<strong>der</strong> Frieden. Es zeigt sich, wie eng Katholizismus<br />
und Politik miteinan<strong>der</strong> verwoben sind. Obwohl die Trennung von Staat und<br />
Kirche in Italien seit 1929 und in Frankreich seit 1905 vollzogen ist, hält sich we<strong>der</strong><br />
die Kirche noch <strong>Vie</strong> int. in Fragen <strong>der</strong> Außenpolitik zurück. Und Deutschland beschäftigt<br />
die Zeitschrift sehr.<br />
So zeigt sich Henri Simondet am 25.2.38 überrascht vom Revirement in <strong>der</strong> militärischen<br />
Führungsspitze am 4. Februar 1938, 3 als Hitler von Blomberg und von Fritsch<br />
durch Keitel und von Brauchitsch ersetzt und von Ribbentrop zum Außenminister<br />
macht. Er gibt eine Vermutung aus deutschen militärischen Kreisen wie<strong>der</strong>, die besagt,<br />
daß hinter diesem „ungewöhnlichen“ Vorgang ein „monarchistisches Komplott“<br />
4 stecke. Auch wenn er nicht die wahren Gründe für den Wechsel in <strong>der</strong> obersten<br />
Heeresleitung nennen kann 5 , so erkennt er doch vollkommen richtig, daß die Nazis<br />
ihre Herrschaft nun auch in <strong>der</strong> bis dahin politisch nahezu unabhängigen Wehrmacht<br />
durchgesetzt haben. 6<br />
Es heißt, <strong>der</strong> Führer sei jetzt mächtiger denn je, er selbst habe das Oberkommando<br />
übernommen. 7 Es scheint Henri Simondet, <strong>der</strong> diese Beobachtungen nie<strong>der</strong>schreibt,<br />
als sei die Einstimmigkeit des deutschen Volkes eine vom Hitler-Regime erzwungene.<br />
8<br />
Tolédano bezeichnet den Wechsel in <strong>der</strong> militärischen Führung sogar als „kleinen<br />
Staatsstreich“. Er vervollständige die „Nazifizierung des Reiches“. 9<br />
1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 350<br />
2 a.a.O.<br />
3 <strong>Vie</strong> int., 25.2.1938, S. 98<br />
4 a.a.O., S. 99<br />
5 Sie waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Erst das Hoßbach-Protokoll, das nur durch Zufall<br />
später in die Hände <strong>der</strong> Alliierten gelangte (Nolte, a.a.O., S. 602, Anm. 177), offenbart, daß von<br />
Blomberg und von Fritsch Hitlers Konzept von <strong>der</strong> „Raumerweiterung in Europa“ wegen <strong>der</strong> großen<br />
Kriegsgefahr nicht mittragen wollten und deshalb entlassen wurden (a.a.O., S. 427). Sehr aufschlußreich<br />
dazu: Bussmann, Walter: Zur Entstehung und Überlieferung <strong>der</strong> „Hoßbach-Nie<strong>der</strong>schrift“, in:<br />
<strong>Vie</strong>rteljahreshefte Zeitgeschichte, 1968, 4, S. 373-384, mit weiteren Quellenangaben zu diesem<br />
Thema.<br />
6 <strong>Vie</strong> int., 25.2.1938, S. 99, 101<br />
7 a.a.O., S. 102<br />
8 a.a.O., S. 103<br />
9 a.a.O., S. 108<br />
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