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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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Bis Ende 1938 sieht sie von <strong>der</strong> nationalsozialistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />

keine Gefahr ausgehen. Nur die Autarkiebestrebungen könnten den Frieden gefährden.<br />

Deutschlands Wirtschaft wird zwar nicht als Vorbild für Frankreich hingestellt,<br />

aber wie Hitler die deutsche Wirtschaft von <strong>der</strong> Krise zum Erfolg geführt hat,<br />

findet <strong>Vie</strong> int. bemerkenswert.<br />

Zwischen Juli 1934 und Oktober 1938 gibt es keine nennenswerte Berichterstattung<br />

über Wirtschaft und Soziales in Deutschland. Das hat mehrere Gründe: <strong>Die</strong> revolutionären<br />

Umwälzungen durch die Nationalsozialisten sind Mitte 1934 wenn auch<br />

nicht abgeschlossen, so doch unumstößlich in Gang gesetzt, und das französische<br />

Interesse flaut ab. Möglicherweise hält es <strong>Vie</strong> int. auch mit <strong>der</strong> Ansicht Hitlers, daß<br />

die Wirtschaft <strong>der</strong> Politik untergeordnet ist. Das kann die lange Ruhephase im Informationsfluß<br />

erklären. Am 10. Oktober 1938 erscheint die erste Ausgabe <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int.<br />

nach dem Münchner Abkommen, und dies ist eine Son<strong>der</strong>nummer über Deutschland.<br />

Hier darf ein Blick und ein Rückblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Tendenzen<br />

im politisch mächtigen Nachbarland nicht fehlen.<br />

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird dann deutlich, daß <strong>Vie</strong> int. nicht gut daran getan<br />

hat, diese Aspekte des Deutschlandbildes zu vernachlässigen. Wieso Hitler in <strong>der</strong><br />

Lage war, seinen Verhandlungspartnern in München einen <strong>der</strong>artigen Schlag zu versetzen,<br />

hätten <strong>Vie</strong> int.-Leser besser nachvollziehen können, wenn sie über die Ziele<br />

<strong>der</strong> nationalsozialistischen Wirtschaftsplanung in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> 30er Jahre informiert<br />

worden wären. Dazu gehört in allererster Linie die Ausrichtung <strong>der</strong> Wirtschaft auf<br />

die Rüstung. <strong>Die</strong> Verschränkung von Antikrisen- und Rüstungspolitik war seit 1934<br />

nicht mehr zu übersehen. <strong>Die</strong>sen Zusammenhang evoziert <strong>Vie</strong> int. nicht. Ebensowenig<br />

wird einmal deutlich gesagt, daß die Produktion seit 1934 fast ausschließlich auf<br />

Kriegsvorbereitung ausgerichtet ist. Deutschlands Autarkiebestrebungen hätten seit<br />

dem „Neuen Plan“ vom September 1934 bekannt sein müssen. Der <strong>Vie</strong> int.-Leser<br />

liest davon am 10. Oktober 1938 zum ersten Mal. Auch die Frage nach <strong>der</strong> Finanzierung<br />

<strong>der</strong> Rüstungsausgaben wird nicht gestellt. Von Mefo-Wechseln, Reichsanleihen<br />

und den Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und<br />

Hitler über die Reichsausgaben erfährt <strong>der</strong> Leser nichts. 1<br />

Abgesehen von diesen gravierenden Informationslücken ist die übrige Berichterstattung<br />

fast durchgehend so angelegt, daß von einer wohlwollenden Betrachtung <strong>der</strong><br />

sich neu formierenden wirtschaftlichen und sozialen Bewegung in Deutschland gesprochen<br />

werden kann. Das verwun<strong>der</strong>t nicht, wenn man einen Blick auf die französische<br />

Situation wirft.<br />

<strong>Die</strong> Machtergreifung Hitlers fällt für Frankreich in eine Zeit häufiger Regierungswechsel.<br />

Zahlreiche Kabinettskrisen zwischen Dezember 1932 und Februar 1934, als<br />

eine linke Regierung von Radikalen und Sozialisten an <strong>der</strong> Macht ist, tragen nicht zur<br />

Stabilisierung bei. <strong>Die</strong> wirtschaftliche Lage ist prekär. <strong>Die</strong> sozialen Spannungen verschärfen<br />

sich, <strong>der</strong> Parlamentarismus beginnt sein Prestige zu verlieren, und die<br />

Staatsautorität wird in Frage gestellt.<br />

1 Vgl. zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik und zu ihrer Finanzierung: Bührer, Werner: Wirtschaft,<br />

in: Benz, u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 113-115; Gebhardt, a.a.O., S. 205-206<br />

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