Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Gebietsansprüche seien mit dem Sudetengebiet befriedigt, obwohl die „Exterminierung“<br />
1 <strong>der</strong> Tschechoslowakei schon eingeleitet war.<br />
Civis sieht Frankreich in einem Unterwürfigkeitsverhältnis Deutschland gegenüber.<br />
Um da herauszukommen, for<strong>der</strong>t er die offene Verurteilung <strong>der</strong> deutschen Lügenmaschinerie.<br />
2 Daß er vor ihren Mechanismen warnt, zeigt, daß er gut über die Vorgänge<br />
in Deutschland informiert ist. <strong>Die</strong> gute Informiertheit <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> intellectuelle-Autoren<br />
erstaunt überhaupt immer wie<strong>der</strong>.<br />
Ein wenig fromm mutet die Empfehlung an, Frankreich solle sich auf seine geistigen<br />
und universellen Werte besinnen und daraus wie<strong>der</strong> Kraft schöpfen. <strong>Die</strong> Durchhalteparolen,<br />
die häufig am Ende eines Artikels stehen, sollen <strong>der</strong> moralischen Stärkung<br />
<strong>der</strong> Leser dienen; ein Anspruch, <strong>der</strong> <strong>der</strong> „<strong>Vie</strong> intellectuelle“ angemessen ist.<br />
<strong>Die</strong> Vorkriegsphase, die deutschen Kriegsziele und <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand im<br />
Spiegel <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> intellectuelle<br />
André Sidobre (10.4.39) führt die Triumphe Hitlers zum Teil auf die Furcht zurück,<br />
die seine Reden bei den Zuhörern ausgelöst hätten. Jetzt, nach dem Bruch des<br />
Münchner Abkommens, glaubt Sidobre u.a. bei <strong>der</strong> katholischen Presse eine beginnende<br />
Gleichgültigkeit festzustellen. Ihre Leitidee sei, warum solle man Hitler Beachtung<br />
schenken, wenn er die Franzosen doch nur beschimpft. 3<br />
Es fällt auf, daß die Beschäftigung mit Hitler in <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. größeren Raum einnimmt<br />
als vor dem Münchner Abkommen. Sie ist nach wie vor nicht frei von Bewun<strong>der</strong>ung.<br />
Es wird von Hitlers „génie“ gesprochen und davon, wie er Siege erziele, ohne Krieg<br />
führen zu müssen. 4 Der Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Hitlers Friedensbeteuerungen und<br />
seinen Gebietsansprüchen beson<strong>der</strong>s Polen gegenüber wird erkannt und als verwirrend<br />
und beunruhigend eingestuft, aber auch als Teil seiner Überzeugungskraft.<br />
Darin vergleicht ihn Sidobre mit Herakles, Napoleon und Friedrich dem Großen.<br />
Nach Sidobre hat Hitler eine Überrumpelungsstrategie entwickelt, die ausschließlich<br />
dem Ziel dient, das „Deutschtum wie<strong>der</strong>herzustellen“ und den „Frieden zu sichern“. 5<br />
Hitlers „Kunst“ liege darin, den Gegensatz zwischen „Brutalität“ und „sanfter Diplomatie“<br />
unter einen Hut zu bringen. Er sei ein „Tribun“. 6<br />
Nach <strong>der</strong> Tschechoslowakei ist Polen das Thema, das Sidobre als außenpolitischen<br />
Beobachter <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. beschäftigt. Er spricht sich energisch dafür aus, den Ansprüchen<br />
Hitlers bzgl. Danzig und des Korridors Einhalt zu gebieten; nicht so sehr um<br />
den Polen zu helfen, denn das hätten sie nicht verdient in Anbetracht <strong>der</strong> Raffgier,<br />
mit <strong>der</strong> sie sich bei <strong>der</strong> Zerschlagung <strong>der</strong> Tschechoslowakei Gebiete einverleibt hät-<br />
1 Billet de Civis, 10.4.1939, S. 45<br />
2 a.a.O., S. 46<br />
3 a.a.O., S. 384<br />
4 <strong>Vie</strong> int., 10.4.1939, S. 385<br />
5 a.a.O., S. 386<br />
6 alle zitierten Begriffe, a.a.O., S. 385<br />
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