Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Scheitern brachte. 1 <strong>Die</strong>sen für die Abkühlung <strong>der</strong> deutsch-französischen Beziehungen<br />
so bedeutenden Vorfall 2 deutet <strong>Vie</strong> int. aber nur an. Es fällt auf, daß die Zeitschrift<br />
häufig beim Leser voraussetzt, daß er das politische Tagesgeschehen kennt.<br />
Bei <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklungen in Österreich wird deutlich, daß <strong>Vie</strong> int. die<br />
sich dort verstärkenden autoritären Tendenzen begrüßt. <strong>Die</strong> Außerkraftsetzung des<br />
Nationalrats am 4. März 1933 und die Alleinherrschaft von Dollfuß 3 hätten nichts<br />
mit Faschismus zu tun 4 , son<strong>der</strong>n dienten <strong>der</strong> Einigung und Stärkung des Landes. 5<br />
<strong>Vie</strong> int. spricht sich vehement für den Erhalt des um seine Eigenstaatlichkeit ringende<br />
Österreich aus. Dabei erscheinen die deutschen Nationalsozialisten, die Terror und<br />
Diffamierung verbreiten, als Feinde schlechthin. Sie seien in ihrer Brutalität radikal<br />
und hassenswert, stellt Robert d’Harcourt im Juli 1934 fest. 6 Eine solche dezidierte<br />
und unzweideutige Stellungnahme ist für die politischen Artikel <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. eine<br />
Seltenheit.<br />
Seltsam ist allerdings auch die von illusorischem Optimismus getragene Auffassung,<br />
daß es trotz aller Bedrohung durch das Reich keine ernstzunehmende Hinwendung<br />
zum Hitlertum in Österreich gebe. 7 <strong>Die</strong>se Annahme trägt in keiner Weise den Ausschreitungen<br />
und bürgerkriegsähnlichen Zuständen Rechnung. 8<br />
Wenn <strong>Vie</strong> int. die politisch wirksamen Kräfte <strong>der</strong> Jahre 1933 und 1934 beschreibt,<br />
nimmt sie ganz klar eine antisozialistische Haltung ein. Sie macht den Sozialisten<br />
den Vorwurf, beim Putsch gegen Dollfuß am 25. Juli 1934, bei dem dieser ermordet<br />
wurde, als Komplizen <strong>der</strong> Nationalsozialisten mitgewirkt zu haben, 9 wogegen allerdings<br />
die Tatsache spricht, daß die Sozialdemokraten angesichts <strong>der</strong> sich nach dem<br />
Verbot <strong>der</strong> nationalsozialistischen Partei am 19. Juni 1933 ausbreitenden Gewalt den<br />
Anschlußparagraphen aus ihrem Programm strichen 10 und später im Februar 1934<br />
nach einem Aufstand als Partei aufgelöst wurden. 11<br />
<strong>Die</strong> politisch rechte Einstellung von <strong>Vie</strong> int. spiegelt nicht die Tendenz <strong>der</strong> französischen<br />
Regierung wi<strong>der</strong>. <strong>Die</strong>se wird in dieser Zeit, also 1933, aus einem Bündnis von<br />
Sozialisten und Radikalen unter dem Ministerpräsidenten Albert Lebrun gebildet. 12<br />
An dieses links regierte Frankreich richtet <strong>Vie</strong> int. sogar den Appell, Österreich zu<br />
1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 261<br />
2 Vgl. hierzu Bloch, a.a.O., S. 327 f<br />
3 Benedikt, Heinrich (Hrsg.): Geschichte <strong>der</strong> Republik Österreich, R. Oldenbourg Verlag, München<br />
1977, S. 199<br />
4 So bewertet es auch Carsten, F.: Im Unterschied zu Italien und Deutschland habe es in Österreich<br />
keine breite faschistische Bewegung und keine Übernahme durch eine faschistische Partei gegeben.<br />
Dollfuß sei <strong>der</strong> rechtmäßige Kanzler gewesen; in: <strong>der</strong>s.: Faschismus in Österreich. Von Schönerer zu<br />
Hitler; Wilhelm Fink Verlag, München 1977, S. 219 f. Ebenso Nolte, a.a.O., S. 41<br />
5 <strong>Vie</strong> int., 10.10.1933, S. 98, 99<br />
6 a.a.O.,10.7.1934, S. 85<br />
7 <strong>Vie</strong> int., Okt.-Dez. 1935, S. 120<br />
8 Benedikt, a.a.O., S. 241, 245<br />
9 <strong>Vie</strong> int., Okt.-Dez. 1935, S. 116 und 10.10.1933, S. 98<br />
10 Benedikt, a.a.O., S. 203 f<br />
11 a.a.O., S. 218<br />
12 Bloch, a.a.O., S. 379<br />
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