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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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auch planlos. <strong>Die</strong>se Eigenschaft geht einher mit fehlen<strong>der</strong> Willensstärke. „Man kann<br />

die Deutschen mit keinem an<strong>der</strong>en Volk vergleichen“. 1<br />

Für <strong>Vie</strong> int. scheint das gegenseitige Unverständnis zwischen Franzosen und Deutschen<br />

einzig von <strong>der</strong> Unkenntnis <strong>der</strong> verwandtschaftlichen Beziehungen herzurühren.<br />

<strong>Die</strong>se aufzuklären, Verständnis für einan<strong>der</strong> zu entwickeln und das deutsche Wesen<br />

den Franzosen näherzubringen, darum bemühen sich die in <strong>der</strong> Zeitschrift zu Wort<br />

kommenden Autoren. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite vertieft sich jedoch das Bewußtsein, daß<br />

trotz des „langjährigen Kontaktes in Krieg und Frieden <strong>der</strong> Deutsche <strong>der</strong> französischen<br />

Seele genauso weit entfernt ist wie am ersten Tag“. 2 <strong>Die</strong>se Fremdheit führt <strong>der</strong><br />

dem neuen Regime ergebene Friedrich Sieburg auf die „elementaren Kräfte des deutschen<br />

Wesens“ zurück, <strong>der</strong>en „geheiligter Bereich vom Verstand nicht nachvollziehbar<br />

ist“. 3<br />

Sein Vergleich <strong>der</strong> Wertbegriffe verdeutlicht die Unvereinbarkeit <strong>der</strong> deutschen und<br />

französischen Seinsweise:<br />

Das liberale Ideal, das die französische Auffassung von Glück beschreibt, erscheine<br />

den Deutschen als Verzögerung, wenn nicht als Bedrohung ihrer nationalen Bewußtseinsbildung.<br />

Ein typisch deutsches Bedürfnis sei es, in einem „état créateur“ zu verweilen,<br />

während <strong>der</strong> Franzose ein Werk vollenden wolle.<br />

Dem Schaffenden und Handelnden steht in Frankreich <strong>der</strong> Herrschende, Urteilende<br />

und Genießende gegenüber. <strong>Die</strong>ser Typ sei menschlicher, schreibt Sieburg, denn er<br />

entwickele sich in individueller Freiheit. 4 Er setzt seinen Verstand <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong><br />

Natur entgegen. Das schöpferische Individuum jedoch wird Mitglied <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />

Wenn es in seinem Nächsten etwas Verwandtes entdeckt, dann ist es die Unterwürfigkeit<br />

unter das Schicksal. 5 Sieburg zweifelt, ob man „eine Volksgemeinschaft<br />

auf Prinzipien aufbauen kann, nach denen das Werden als Wert betrachtet wird<br />

und das Unendliche als Ziel“. 6 Der französische Rezensent Maurice Vaussard verurteilt<br />

Sieburg nicht. Er deckt hauptsächlich die Unterschiede auf in <strong>der</strong> deutschen und<br />

französischen Seinsweise. Jedoch behält er eine gewisse Distanz, wenn nicht zwie-<br />

1 <strong>Vie</strong> int., Okt.-Dez. 1931, S. 158<br />

2 a.a.O., 10.9.1933, S. 430<br />

3 Friedrich Sieburg: Défense du nationalisme allemand, in: <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 429-439; Zitat, S. 430.<br />

<strong>Die</strong> Rezeption Sieburgs in Frankreich und England und seine deutsch-nationalistische und frankreichkritische<br />

Einstellung erörtert vor sozial-politischem und literarischem Hintergrund die detaillierte<br />

Rezension von Carr, Godfrey: „A sudden and passionate revulsion towards Germany“. Zum<br />

politischen Denken Friedrich Sieburgs, in: Bullivant, Keith (Hrsg.): Das literarische Leben in <strong>der</strong><br />

Weimarer Republik, Scriptor Verlag, Königstein/Ts. 1978, S. 50-70. Eine sehr positive Deutung, die<br />

den starken Nationalismus ausblendet, erfährt Sieburg durch Bock, H.M.: Tradition und Topik des<br />

populären Frankreich-Klischees ..., a.a.O.<br />

4 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 434. <strong>Die</strong> antithetische Deutschland-Frankreich-Auffassung vertritt Sieburg nicht<br />

allein, son<strong>der</strong>n sie ist ein Zug des deutschen Frankreichbildes in den späten zwanziger und frühen<br />

dreißiger Jahren. Demgemäß gilt Frankreich als „das Fertige und Vollendete“ und Deutschland als<br />

„das Werdende, das dem Zukünftigen zugewandt ist“. Zur Ambivalenz in <strong>der</strong> wertenden Beschreibung<br />

<strong>der</strong> beiden Län<strong>der</strong>, vgl. Bock: Tradition und Topik des populären Frankreich-Klischees ...,<br />

a.a.O., zitiert nach: S. 484<br />

5 <strong>Vie</strong> int., 10.9.1933, S. 434<br />

6 a.a.O., S. 435<br />

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