Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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werden Faschismus und Totalitarismus in Italien toleriert und selbst das imperialistische<br />
Vordringen in Afrika nicht verurteilt, mit <strong>der</strong> Begründung, daß Italien die Ausbreitung<br />
des Heidentums verhin<strong>der</strong>n wolle. 1 Für <strong>Vie</strong> int. ist die Verteidigung des<br />
Glaubens in allen Lebensbereichen wichtiger als <strong>der</strong> publizistische Kampf gegen den<br />
Krieg.<br />
Deshalb ist es nur folgerichtig, daß sie höchst „konsterniert“ und „völlig verdutzt“ 2<br />
reagiert, als sich in <strong>der</strong> „Märzerklärung“ von 1938 das österreichische Episkopat zum<br />
Nationalsozialismus bekennt. 3 Es sei mit einem geschickt eingefädelten Verwirr- und<br />
Überrumpelungsmanöver von dem nationalsozialistischen Unterhändler Bürckel in<br />
eine Falle gelockt worden. 4 Für die Volksabstimmung am 13. März 1938 hätten die<br />
Nationalsozialisten die Stimmen <strong>der</strong> Katholiken gebraucht und deshalb Zugeständnisse<br />
und Versprechungen gemacht. 5 Das nachgiebige Verhalten des Wiener<br />
Kardinal-Erzbischofs Innitzer in dieser Angelegenheit kritisiert <strong>Vie</strong> int. scharf. Sie<br />
stellt dem Oberhaupt <strong>der</strong> österreichischen Kirche die unerschütterlich harte Haltung<br />
des deutschen Kardinals Faulhaber gegenüber. 6<br />
<strong>Vie</strong> int. drückt völliges Unverständnis darüber aus, daß sich die österreichischen Bischöfe<br />
vor <strong>der</strong> politischen Macht des deutschen Nationalsozialismus beugen. Sie<br />
spricht von Opportunismus und Unterwerfung ihrer Glaubensbrü<strong>der</strong> und von gleichgeschalteter<br />
Inhaltsleere in den ihnen angehörenden Presseorgane. 7 <strong>Die</strong> Zeitschrift ist<br />
weit davon entfernt, Glauben und Politik zu trennen.<br />
So entrüstet sich <strong>der</strong> deutsche Emigrant Kurt Türmer in einem stark emotional gefärbten<br />
Erlebnisbericht über die Welle <strong>der</strong> Katholikenverfolgung in Österreich. 8 Sie<br />
setzt ein, als die Bischöfe merken, daß die nationalsozialistischen Behörden die konfessionellen<br />
Schulen schließen und weitere kirchenfeindliche Än<strong>der</strong>ungen beson<strong>der</strong>s<br />
im Ehe- und Scheidungsrecht einführen wollen 9 , und deshalb die Verhandlungen<br />
über ein Friedensabkommen zwischen Kirche und Staat abbrechen. 10 <strong>Die</strong>s geschieht<br />
im Oktober 1938. Der Anschluß Österreichs ist seit sieben Monaten vollzogen.<br />
<strong>Die</strong> öffentliche Diffamierung <strong>der</strong> Katholiken verurteilt Türmer nicht nur; er polemisiert<br />
in einer kaum zu überbietenden Haßrede gegen das Vorgehen <strong>der</strong> Nationalsosen<br />
Worten beschreibt die Zeitschrift „Progrès“, Quimper, am 16. Mai 1936 die gedankliche Arbeit<br />
<strong>der</strong> Dominikaner.<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.7.-25.8.1936, S. 266<br />
2 a.a.O., 10.4.1938, S. 27, 29<br />
3 Sie hat folgenden Wortlaut: „Am Tage <strong>der</strong> Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständliche<br />
nationale Pflicht, uns als Deutsche zum deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von<br />
allen gläubigen Christen, daß sie wissen, was sie ihrem Volke schuldig sind.“ In: Weinzierl,<br />
Erika: Prüfstand. Österreichs Katholiken und <strong>der</strong> Nationalsozialismus; Verlag St. Gabriel, Mödling,<br />
Österreich 1988, S. 86<br />
4 siehe auch Weinzierl, a.a.O., S. 84<br />
5 <strong>Vie</strong> int., 10.4.1938, S. 29<br />
6 a.a.O., S. 28<br />
7 a.a.O., S. 27<br />
8 <strong>Vie</strong> int., 10.11.1938, S. 383-390<br />
9 Weinzierl, a.a.O., S. 114-139<br />
10 Weinzierl, a.a.O., S. 143<br />
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