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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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Im außenpolitisch so bedeutsamen Oktober 1938 sieht <strong>Vie</strong> int. schließlich auf fünfeinhalb<br />

Jahre nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik zurück und holt damit gleichsam<br />

den Informationsmangel auf, den es in den letzten vier Jahren zu diesem Teilaspekt<br />

<strong>der</strong> deutschen Wirklichkeit gegeben hat.<br />

Eher theoretisch und aus <strong>der</strong> Distanz reflektiert Jean Thomas über die Einflüsse <strong>der</strong><br />

Ideologie auf die Wirtschaft und die arbeitenden Menschen. 1 Er betrachtet statt zu<br />

bewerten. Dabei hat <strong>der</strong> Nationalsozialismus aus seiner Sicht Deutschland nicht geschadet.<br />

Sein größtes Verdienst sei die Bannung <strong>der</strong> kommunistischen Gefahr. 2 <strong>Die</strong>se<br />

Erleichterung teilt Thomas mit einem Großteil <strong>der</strong> französischen Rechten und weiten<br />

Kreisen des Bürgertums, die im Nationalsozialismus ein Bollwerk gegen den<br />

Bolschewismus und Hilfe gegen die Linkskräfte im eigenen Land sehen. 3 Etliche<br />

Punkte ihres Programms hätten die Nazionalsozialisten auch schon revidieren müssen<br />

- zum Wohle <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft. So werde das Eigentum jetzt besser geschützt,<br />

die Privatinitiative geför<strong>der</strong>t, die Unternehmerposition werde gestärkt, die<br />

Beteiligungen des Reiches an Banken und Industrieunternehmen seien zurückgenommen<br />

worden. Von einer Sozialisierung <strong>der</strong> Wirtschaft könne also nicht die Rede<br />

sein:<br />

... une assez large autonomie de l’entreprise subsiste. 4<br />

Jedoch könne ein Unternehmen nur so frei entscheiden, wie <strong>der</strong> totalitäre Staat es<br />

ihm erlaube, schränkt Thomas ein. 5<br />

Thomas beschreibt die zahlreichen und weit gestreuten Interventionen des Staates in<br />

den Markt. Er überwache die Produktion, gebe Subventionen und setze die Preise<br />

fest. <strong>Die</strong> Arbeitslosigkeit vom Beginn <strong>der</strong> 30er Jahre sei einem Arbeitskräftemangel<br />

am Ende <strong>der</strong> 30er Jahre gewichen. Der Mangel an Arbeitskräften, so Thomas, führe<br />

zu Konkurrenz und steigenden Gehältern. Aber die Regierung hätte es per Gesetz so<br />

eingerichtet, daß die Einkommen durch Steuern und an<strong>der</strong>e, sogenannte freiwillige<br />

Leistungen und Abgaben stark beschnitten werden. 6<br />

Zum ersten Mal in den zurückliegenden zehn Jahren <strong>der</strong> Berichterstattung kommentiert<br />

ein <strong>Vie</strong> int.-Autor die Autarkiebestrebungen Deutschlands. Thomas zählt zahlreiche<br />

Gründe auf, warum Deutschland vom Weltmarkt unabhängig sein will. Er<br />

bringt für diese Bestrebungen viel Verständnis auf. Er weiß aber auch, daß Deutschland<br />

für Autarkie eine denkbar schlechte Ausgangsposition hat:<br />

1 <strong>Vie</strong> int., 10.10.1938, S. 32-42<br />

2 a.a.O., S. 32: Von den Sozialdemokraten <strong>der</strong> Weimarer Republik hält Thomas auch nicht viel; a.a.O.,<br />

S. 34<br />

3 Vgl. zur vormals ablehnenden Haltung gegenüber <strong>der</strong> Weimarer Republik durch die Rechten und<br />

dann zu ihrer relativen Akzeptanz Hitler-Deutschlands seit 1933 und erst recht seit dem Sieg <strong>der</strong><br />

Volksfront, 1936, Bloch, a.a.O., S. 386, 422<br />

4 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 35, 36<br />

5 a.a.O., S. 36<br />

6 a.a.O., S. 36. Das erkennt Thomas richtig. Auch Marie-Luise Recker bemerkt, daß wegen <strong>der</strong> wachsenden<br />

Abzüge die Nettoeinkommen bei Kriegsbeginn gerade das Niveau von 1929 erreichten und<br />

danach aufgrund weiterer steuerlicher Belastungen und erhöhter Ausgaben für Lebensmittel wie<strong>der</strong><br />

sanken; in: dies.; a.a.O., S. 129-130<br />

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