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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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Den politisch interessierten Zeitungslesern in Frankreich ist also bekannt, daß mit <strong>der</strong><br />

Machtergreifung Hitlers die Opposition unterdrückt wird und daß sie gegen diese<br />

zunehmende Unterdrückung aufbegehrt. Statt sich nun mit den in Opposition Geratenen<br />

solidarisch zu zeigen, gibt <strong>Vie</strong> int. anonym einen merkwürdigen Kommentar. Sie<br />

druckt übersetzt in voller Länge zwei Verordnungen, die Göring, <strong>der</strong> neue Reichsinnenminister,<br />

im Februar 1933 für die Polizei erläßt. 1 Darin heißt es, daß energischste<br />

Maßnahmen gegen alle staatsfeindlichen und dem Aufbau des Landes entgegenstehenden<br />

Kräfte und Organisationen zu ergreifen seien. Namentlich werden die deutschen<br />

„radicaux de gauche, en particulier des communistes“ 2 erwähnt. Aber es sei<br />

auch scharf und ohne Rücksicht vorzugehen gegen verbotene Demonstrationen und<br />

Versammlungen, Anstiftungen zum Landesverrat, Vergehen <strong>der</strong> Presse und gegen<br />

alles, was die Ordnung stört. 3 Es mutet befremdlich an, wenn <strong>Vie</strong> int. in diesem Zusammenhang<br />

fragt, ob die Beschwerden über diese neuen Polizeimaßnahmen gerechtfertigt<br />

seien:<br />

Ces plaintes sont-elles légitimes? 4<br />

Es ist nicht auszuschließen, daß sie diese Maßnahmen, die auf Unterdrückung <strong>der</strong><br />

Meinungsfreiheit abzielen, gutheißt und die Linke und die Kommunisten im eigenen<br />

Land bzw. in <strong>der</strong> Regierung 5 auch am liebsten ausgeschaltet sehen möchte. Tatsache<br />

ist, daß für Teile <strong>der</strong> französischen Presse des rechten Lagers die Polizeimaßnahmen<br />

Görings kaum ein Thema sind. Und wenn, dann werden sie als normal hingestellt<br />

und notwendig für ein - begrüßenswertes - autoritäres Rechtsregime. Hingegen verurteilt<br />

die Tagespresse <strong>der</strong> Mitte und <strong>der</strong> Linken das „grausame“ Vorgehen <strong>der</strong> neuen<br />

Regierung. 6<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung zum Polizeistaat veranlaßt Montabert, einige Monate später die<br />

Erfolge Hitlers und <strong>der</strong> Nationalsozialisten - ähnlich wie schon C.A.R. im Frühjahr<br />

1932 - mit <strong>der</strong> Unzufriedenheit nach dem Ersten Weltkrieg und <strong>der</strong> schlechten Gesamtsituation<br />

in <strong>der</strong> sich anschließenden Ära <strong>der</strong> Demokratie zu erklären. 7 We<strong>der</strong> die<br />

Reaktionäre um Ludendorff noch die Kommunisten seien fähig gewesen, das Volk<br />

langfristig an sich zu binden. Das habe erst Hitler fertiggebracht, indem er sich zum<br />

Sprachrohr <strong>der</strong> Unzufriedenen machte, ihre konfusen Gefühle in Worte faßte, sie<br />

noch übertrieb und dann erst ein politisches Programm entwarf. Der Begriff „nationalsozialistisch“<br />

richte sich sowohl gegen die Rechte als auch gegen die Linke. 8<br />

Was vielen Deutschen zu dem Zeitpunkt nicht bewußt gewesen sein mag, sieht<br />

Montabert klar aus nachbarschaftlicher Distanz, nämlich, daß Hitler die Deutschen<br />

mit Paraden, Uniformen und Beför<strong>der</strong>ungen an eine militärische Disziplin gewöhnen<br />

1 <strong>Vie</strong> int., 25.3.1933, S. 461-463<br />

2 a.a.O., S. 462<br />

3 a.a.O., 461-463<br />

4 a.a.O., S. 461<br />

5 <strong>Die</strong> Linke ist noch an <strong>der</strong> Macht. Daladier vom linken Flügel <strong>der</strong> Radikalen ist seit dem 28. Januar<br />

1933 Ministerpräsident; vgl. Bloch, a.a.O., S. 383, 384.<br />

6 Vgl. Hörling, a.a.O., S. 681, 682, 717<br />

7 <strong>Vie</strong> int., 25.9.1933, S. 616<br />

8 a.a.O., S. 617<br />

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