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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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gewicht gebrachten Epoche, <strong>der</strong>en Unruhe und Verwirrung sie wi<strong>der</strong>spiegelt. 1 Obwohl<br />

Battaglias Meinung nach in <strong>der</strong> Weimarer Zeit nicht die erzählende Prosa Vorrang<br />

hat, zeigt er sich dennoch so begeistert von ihr, daß er die „schönen historischen<br />

Romane“ als Bereicherung für die französische Literatur zu übersetzen empfiehlt. 2<br />

Hoch rechnet er den deutschen Schriftstellern jener Zeit an, daß sie sich nicht den<br />

Mächten beugen. 3 In Wi<strong>der</strong>spruch gerät er aber zu sich selbst und zur historischen<br />

Realität, wenn er behauptet, die „subtilsten Schöpfer <strong>der</strong> deutschen Sprache“ hätten<br />

sich zur Weimarer Zeit abseits gehalten. 4 Gerade in <strong>der</strong> Weimarer Republik stand die<br />

Literatur in voller Blüte, und Schriftsteller wie die Brü<strong>der</strong> Mann, Arnold Zweig, Jakob<br />

Wassermann und Gerhardt Hauptmann konnten sich frei entfalten. 5<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite kritisiert Battaglia vehement diejenigen, die sich auf das Niveau<br />

<strong>der</strong> breiten Masse herabbegeben. Ihr macht er den Vorwurf, blind zu sein für die<br />

künstlerische Perfektion mancher Werke, <strong>der</strong>en Verkaufszahlen aber nicht so hoch<br />

seien. Demnach bewun<strong>der</strong>t er die Schriftsteller, die gegen den Strom und gegen den<br />

seichten Publikumsgeschmack anschwimmen. Sie besäßen geistige Freiheit. Auf die<br />

Konsumenten <strong>der</strong> literarischen Massenproduktion blickt er herab. Dem französischen<br />

<strong>Vie</strong> int.-Leser wird hiermit das Bild eines deutschen Lesepublikums vermittelt, das,<br />

mangels intellektueller Weitsicht, die Meisterwerke seiner Literatur verkennt.<br />

<strong>Die</strong> Deutschen mögen zwar wenig Gefühl für epochemachende Literatur besitzen,<br />

aber sie sind ein Volk, das gerne liest. A. Mandel zeichnet ein freundlicheres Bild<br />

vom lesenden Deutschen als Battaglia. 6<br />

<strong>Die</strong> Zuneigung <strong>der</strong> Deutschen zur Lektüre wird durch die Machtergreifung <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

schlagartig in eine an<strong>der</strong>e Richtung gezwungen. Das stellen alle<br />

Autoren fest, die die Abhängigkeit <strong>der</strong> Literatur von <strong>der</strong> gesellschaftspolitischen Situation<br />

in Deutschland analysieren. 7 Es läßt sich in ihren Berichten folgende Entwicklung<br />

ablesen:<br />

Bis 1933 erfüllt ein liberaler Geist die deutsche Literatur; <strong>der</strong> ist den Nationalsozialisten<br />

ein Dorn im Auge. Sie ersetzen ihn durch alte germanische Mythen. Schon 1934<br />

schweigen die ehemaligen „Repräsentanten des deutschen Wesens“. 8 Zwei Jahre<br />

später hat das geschriebene Wort in Hitler-Deutschland jegliche Unabhängigkeit<br />

1 Auch A. Mandel schreibt, daß die gesellschaftliche Krisenstimmung Prosa und Dichtung in <strong>der</strong><br />

Weimarer Republik kennzeichnet; in: <strong>Vie</strong> int., Okt./Nov. 1936, S. 161<br />

2 a.a.O., 25.4.1934, S. 337. Als Beispiele nennt er: Hans Friedrich Blunck: Gewalt über das Feuer;<br />

Eduard Stucken: <strong>Die</strong> weißen Götter; E. Guido Kolbenheyer: Amor Dei; Emil Strauß: Der Schleier;<br />

Ricarda Huch: Garibaldi.<br />

3 a.a.O., 10.3.1934, S. 344 und 25.4.1934, S. 330<br />

4 a.a.O., 10.3.1934, S. 344<br />

5 Laqueur, a.a.O., S. 286. Auch bei Helmut Lethen heißt es, daß z.B. Kästners „Fabian“ einer <strong>der</strong> Romane<br />

war, die während <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise geschrieben und noch während <strong>der</strong> Krise zu Bestsellern<br />

wurden; in: <strong>der</strong>s.: Neue Sachlichkeit 1924-1932, Studien zur Literatur des „Weißen Sozialismus“,<br />

J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1975, S. 141<br />

6 <strong>Vie</strong> int., Okt./Nov. 1936, S. 163<br />

7 a.a.O., 10.3.1934, S. 343-345; 25.4.1934, S. 328-341; Okt./Nov. 1936, S. 158-165 und 10.7.1939, S.<br />

126-140<br />

8 <strong>Vie</strong> int., 10.3.1934, S. 343<br />

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