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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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Laloire zeigt sich beruhigt, daß das Hitler-Regime nichts unternimmt, was die wirtschaftliche<br />

Situation verschlechtern könnte. Hitler stütze den Mittelstand und die<br />

kleineren und mittleren Unternehmen, aber es sei auch offensichtlich, daß er nichts<br />

tue, um die Banken o<strong>der</strong> Großunternehmen zu verschrecken. <strong>Die</strong>se Vorgehensweise<br />

bewertet Laloire als klug und vorsichtig. 1<br />

Bei aller Zustimmung sieht sich Laloire jedoch gezwungen, gewisse Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

zuzugeben zwischen Hitlers sozialer Wirtschaftspolitik auf <strong>der</strong> einen Seite und seiner<br />

Konzeption von einem totalitären und das Individuum negierenden Staat auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite. 2<br />

Auch Charles Bosson äußert sich fast durchweg positiv zur Neuordnung <strong>der</strong> Arbeit in<br />

Deutschland. 3 Der „Führer“ schneidet dabei gut ab: Er tue alles für die Arbeiter, und<br />

ihm sei es gelungen, die Arbeitslosigkeit und die Not im letzten Winter zu lin<strong>der</strong>n.<br />

Bossons Wortwahl läßt bei Hitler christliche Nächstenliebe vermuten. Außerdem<br />

wisse er die harte Arbeit mit den Händen zu schätzen und die Kameradschaft, wie sie<br />

im Schützengraben entsteht.<br />

Allerdings empfindet Bosson auch Unsicherheit und etwas Unbehagen, wenn er an<br />

die Durchführung des sozialen Traums von Kameradschaft und Nächstenliebe denkt.<br />

Ungewiß sei, ob die Wirtschaft in Richtung eines marxistisch beeinflußten Staatssozialismus<br />

gelenkt werde o<strong>der</strong> ob eine kapitalistisch-liberal verfaßte Volksgemeinschaft<br />

entstehen solle. Hitlers Rede „Zur Neuordnung <strong>der</strong> nationalen Arbeit“ vom 1.<br />

Mai 1933 legt Bosson in dem Sinne aus, daß es z.B. in den gemäß dem Führerprinzip<br />

neuhierarchisierten Unternehmen mit den neu eingeführten Treuhän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Arbeit<br />

keine Bevormundung o<strong>der</strong> staatliche Einmischung gibt, son<strong>der</strong>n die Autonomie begünstigt<br />

wird. Daß die Gewerkschaften abgeschafft sind und jedes Unternehmen statt<br />

einem Betriebsrat nur noch eine „Nationalsozialistische Betriebszelle-Organisation“<br />

hat, ist für Bosson kein Wi<strong>der</strong>spruch. 4 Er erkennt jedoch auch, daß für lange Zeit die<br />

Rolle des Staates vorherrschend sein wird. Er meint:<br />

Cette domestication étatiste ne peut qu’être aggravée par le régime dictatorial<br />

actuel ... 5<br />

<strong>Die</strong>se „domestication“ erstreckt sich auch auf die Erziehung und Bildung <strong>der</strong> Jugend<br />

in den zahlreichen gleichgeschalteten Jugendorganisationen. Sie stellen für ihn wegen<br />

ihrer militärischen Ausrichtung und ihres Mangels an religiösen Aktivitäten ein<br />

Problem dar. 6<br />

Aber generell findet Bosson den Aufbau <strong>der</strong> neuen deutschen Volksgemeinschaft<br />

interessant, weil sie <strong>der</strong> christlichen Vorstellung von Gesellschaft entspreche. 7 Als<br />

1 <strong>Vie</strong> int., 10.11.1933, S. 469-471<br />

2 a.a.O., S. 472<br />

3 <strong>Vie</strong> int., 25.3.1934, S. 492-504<br />

4 a.a.O., S. 497<br />

5 a.a.O., S. 503. Der Grad von Nazi-Kontrolle und betrieblicher Unabhängigkeit ist allerdings auch in<br />

<strong>der</strong> Forschung umstritten; vgl. dazu: Bührer, Werner: Wirtschaft, in: Benz, u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 112<br />

6 a.a.O., S. 496, 497<br />

7 a.a.O., S. 502<br />

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