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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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Ein paar Wochen später än<strong>der</strong>t sich die Richtung radikal. <strong>Vie</strong> int. zeigt sich vehement<br />

„anti-munichois“. Das geht so weit, daß sie <strong>der</strong> eigenen Regierung Feigheit vorwirft.<br />

Ab Oktober 1938 vollzieht sich <strong>der</strong> Wandel vom Pazifismus zum Bellizismus. Bis<br />

zum Ende ihres Erscheinens, im April <strong>1940</strong>, will die Zeitschrift, daß Deutschland mit<br />

aller Macht entgegengetreten wird. Sie zeigt sich zum Krieg bereit und will<br />

Deutschland unschädlich machen.<br />

Europa-Projekte in Frankreich und Deutschland - <strong>Die</strong> Abrüstungsfrage -<br />

Pazifistische Gefühle<br />

Im Mai 1929 druckt <strong>Vie</strong> int. eine Rede des deutschen Kardinals Faulhaber ab. In seinem<br />

Kommentar verleiht Marcel Brion dem Wunsch nach Frieden Ausdruck. 1 Zwar<br />

könne eine gewisse Portion Patriotismus nicht schaden, wenn damit Wohlergehen<br />

und Sicherheit eines Landes gewährleistet werden könnten. 2 Nationalismus dagegen<br />

sei eine „wilde Leidenschaft“, 3 eine kollektive Psychose von Mißtrauen und Drohungen.<br />

Er wünscht sich, daß dieser übertriebene Nationalismus von Einzelstaaten einem<br />

friedlichen, gesamteuropäischen Nationalismus weichen möge.<br />

Brion denkt also europäisch. Er spricht von den Vereinigten Staaten Europas. 4 Das<br />

ist für das Ende <strong>der</strong> 20er Jahre politisch sehr weit gedacht, aber nicht ungewöhnlich,<br />

denn <strong>der</strong> Europa-Gedanke liegt 1929 in Frankreich in <strong>der</strong> Luft. Es ist die Zeit des<br />

guten deutsch-französischen Einvernehmens. 5<br />

Außenminister Briand entwickelt zur selben Zeit den Plan einer Europäischen Union.<br />

Er hat das Ziel, durch dauernde Abstimmung <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Mitgliedstaaten, den<br />

Frieden zu wahren. 6 Lei<strong>der</strong> scheitert das Projekt später, weil Deutschland auf einer<br />

Revision seiner durch den Versailler Vertrag festgelegten Ostgrenzen beharrt, während<br />

Frankreich und seine Verbündeten den Status quo möglichst konsolidieren<br />

wollen. So zeigen beide Staaten zwar noch den Willen zur Verständigung, aber etwa<br />

ab 1930 lassen sich ihre politischen Zielsetzungen nicht mehr vereinbaren. 7<br />

In <strong>Vie</strong> int. macht Pierre Delattre 8 jedoch deutlich, daß <strong>der</strong> Europa-Traum zumindest<br />

in Frankreich auch Ende 1930 noch nicht ausgeträumt ist. <strong>Die</strong> Vereinigung zu einem<br />

gemeinsamen Europa wird von ihm als friedenssichernde und zugleich als eine den<br />

Bolschewismus abwehrende Maßnahme angesehen. 9<br />

Für ihn steht allerdings fest, daß die im Versailler Vertrag gefor<strong>der</strong>te Abrüstung eine<br />

Farce ist. Man könne keine Nation und erst recht nicht Deutschland daran hin<strong>der</strong>n,<br />

1 <strong>Vie</strong> int., Mai 1929, S. 917<br />

2 <strong>Vie</strong> int., Juni 1929, S. 1043<br />

3 a.a.O., S. 1044<br />

4 a.a.O.<br />

5 siehe Kapitel: „<strong>Die</strong> dt.-frz. Beziehungen in <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit“<br />

6 Poidevin/Bariéty, a.a.O., S. 362<br />

7 a.a.O., S. 363<br />

8 Dominikanerpater, tätig am Institut de Théologie, Enghien, Belgien<br />

9 <strong>Vie</strong> int., 10.10.1930, S. 94, 95<br />

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