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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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will. <strong>Die</strong> SA und die SS beschreibt Montabert als eine Möchte-gern-Armee, als ein<br />

Auffangbecken für Nei<strong>der</strong> und Gescheiterte, denen nach 1918 <strong>der</strong> Eintritt in die stark<br />

reduzierte Reichswehr verschlossen blieb. 1<br />

Auch Montabert sieht das tägliche Leben aller sozialen Schichten in Deutschland<br />

beherrscht von <strong>der</strong> seit Jahren andauernden großen Krise. Ein Franzose, <strong>der</strong><br />

Deutschland nicht besucht habe, könne sich das nicht vorstellen. <strong>Die</strong> Krise habe Leben<br />

und Denkweise <strong>der</strong> Deutschen verän<strong>der</strong>t. 2 Schonungslos offen sagt Montabert<br />

seinen Lesern, daß fast alle Deutschen im Versailler Vertrag den Hauptgrund für die<br />

Krise sähen und Frankreich als Haupthin<strong>der</strong>nis einer Vertragsrevision. Hitler aber<br />

habe den Deutschen versprochen, sie aus <strong>der</strong> Misere herauszuführen. 3<br />

Als ob Montabert die Leser auf das vorbereiten wollte, was kommt, malt er ein für<br />

die Franzosen beunruhigendes Zukunftsszenario. Darin kennzeichnet er Deutschland<br />

als ein Land, das mobil macht. In Erwartung des großen Tages würden Opfer und<br />

Entbehrungen gern hingenommen. Nur fragt sich <strong>der</strong> Autor besorgt, mit wem die<br />

Rechnung beglichen werden soll. 4 Möglicherweise hat Montabert schon eine Kriegsahnung,<br />

zumindest weiß er um die Zwangslage Hitlers. Er kennzeichnet das aktuelle<br />

Deutschland wie folgt:<br />

Aujourd’hui le peuple se prépare avec enthousiasme, avec ivresse. Demain il<br />

criera: ‘Nous sommes prêts’, et voudra agir. Et quand un peuple méthodique,<br />

tenace et obstiné comme les Allemands, exalté et fanatisé par des années de<br />

propagande, exaspéré par la misère, veut agir, est-ce que le chef qui lui a promis<br />

de le conduire peut lui dire que c’est impossible? Il faudra s’exécuter ou<br />

s’en aller. 5<br />

In seiner Analyse <strong>der</strong> Stimmung im Volk und <strong>der</strong> psychologischen Einflußnahme<br />

Hitlers auf die Massen, schlägt Montabert einen mo<strong>der</strong>aten und verständnisvollen<br />

Ton an.<br />

Man kann nicht sagen, daß Montabert Hitler und die Entwicklung in Deutschland<br />

verurteilt. Er spricht ganz selbstverständlich vom „Genie“ 6 Hitlers. <strong>Die</strong> Feststellung,<br />

daß Deutschland eine Gefahr für Frankreich darstellt, unterbleibt, aber <strong>der</strong> Leser<br />

bringt leicht den deutschen Wunsch nach Revision mit <strong>der</strong> Bereitschaft, bald loszuschlagen,<br />

in Zusammenhang.<br />

<strong>Die</strong>se Einschätzung Montaberts zeugt von Einblick in die innenpolitische Situation<br />

Deutschlands, und mit fundiertem Wissen erklärt er ihre Entwicklung. Er trägt zur<br />

Kenntnis und zum Verständnis des deutschen Nachbarn bei.<br />

1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O.<br />

2 a.a.O., S. 619<br />

3 a.a.O., S. 621<br />

4 a.a.O., S. 622<br />

5 a.a.O., S. 623<br />

6 a.a.O., S. 617<br />

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