Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Insofern kann Viveyrol einer Reinhaltung <strong>der</strong> Rasse, wie sie in Deutschland angestrebt<br />
wird, nur Gutes abgewinnen.<br />
Am 25. April 1935 druckt <strong>Vie</strong> int. in ihrer Rubrik „Documents“ eine ins Französische<br />
übersetzte Rede ab, die <strong>der</strong> Leiter des Aufklärungsamtes für Bevölkerungspolitik und<br />
Rassenpflege in Berlin 1 , Walter Groß, am 21. März 1935 vor Vertretern <strong>der</strong> ausländischen<br />
Diplomatie und Presse gehalten hat. 2 Darin erfährt <strong>der</strong> Leser alles Wissenswerte<br />
über die Steigerung <strong>der</strong> Geburtenzahl in Deutschland, die „ungesunde Rassenmischung“,<br />
über den biologischen Determinismus, über Selektion und Sterilisation,<br />
über antijüdische Maßnahmen und über die „Gesetze des Blutes“. Merkwürdigerweise<br />
bleibt dieser Katalog reinster nationalsozialistischer Propagandainhalte unkommentiert.<br />
Offenbar soll sich <strong>der</strong> Leser selbst ein Urteil bilden. Schwer zu sagen ist, ob<br />
die Zeitschrift mit dem Abdruck <strong>der</strong> Nazi-Rede Zustimmung o<strong>der</strong> Ablehnung erzeugen<br />
will. Beides ist möglich, wenn man die Tendenzen <strong>der</strong> sich bisher zum Thema<br />
„Rassenlehre“ äußernden Autoren mit einbezieht.<br />
Kurt Türmer dagegen bedauert am 10.6.35 eindeutig das Schicksal <strong>der</strong> nicht-arischen<br />
Christen in Deutschland. Sie würden von den Nazis genauso schlecht behandelt wie<br />
die Juden, ohne sich aber wie diese in einer festgefügten Traditionsgemeinschaft geborgen<br />
fühlen zu können. 3 <strong>Die</strong> Nicht-Arier führten ein Paria-Leben in Deutschland.<br />
Türmer lobt die katholische Kirche, die Nicht-Arier mit katholischem Glauben akzeptiert,<br />
während die protestantische Kirche sie ablehne. <strong>Die</strong> Aussage stimmt für die<br />
katholische Kirche, aber nicht unbedingt für die evangelische. Zwar knüpfte <strong>der</strong> deutsche<br />
Protestantismus bereitwillig an die autoritär-konservativen Elemente an, die er<br />
im Nationalsozialismus zu sehen glaubte 4 , an Hilfsbereitschaft mangelte es aber<br />
nicht. So fanden evangelische und katholische Christen jüdischer Abstammung in<br />
dem am 20. Juli 1933 in Berlin gegründeten „Reichsverband christlich-deutscher<br />
Staatsbürger nicht-arischer o<strong>der</strong> nicht rein arischer Abstammung“ Aufnahme. 5<br />
Erwartet man einen Kommentar <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. zu den Nürnberger Gesetzen, die am<br />
15.9.1935 mit dem sog. „Blutschutzgesetz“ und „Reichsbürgergesetz“ die Juden zu<br />
Menschen zweiter Klasse machen, so wird man enttäuscht. Ihn liefert erst eineinhalb<br />
Jahre später Jacques Maritain 6 . In einer Studie über die Juden in Deutschland weist er<br />
kurz auf die Auswirkungen hin, die die Rassengesetze für die Juden und Halbjuden<br />
haben. 7 Maritain verurteilt aufs Schärfste das rassistische Neu-Heidentum, weil vor<br />
Gott alle Menschen gleich seien. 8 Er findet es absurd, daß <strong>der</strong> Rassismus zur Weltanschauung,<br />
Religion und Wissenschaft erhoben wird. Er stimmt mit Battaglia überein,<br />
1 Im April 1934 umbenannt in Rassenpolitisches Amt <strong>der</strong> NSDAP; Benz, W. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S.<br />
658-659, 841<br />
2 <strong>Vie</strong> int., 25.4.1935, S. 261-272<br />
3 S. 213/214<br />
4 Gebhardt, a.a.O., S. 214. Zur Abspaltung <strong>der</strong> nat.soz. gesonnenen „Bewegung <strong>der</strong> Deutschen Christen“<br />
vom Protestantismus, vgl. hier: Kapitel: „<strong>Die</strong> Ereignisse in <strong>der</strong> protestantischen Kirche“.<br />
5 Benz, W. u.a., (Hrsg.), a.a.O., S. 199, 637, 638<br />
6 1882-1973; bis 1926 Anhänger <strong>der</strong> Action Française; Mitarbeiter bei „Esprit“; einer <strong>der</strong> geistigen<br />
Führer des französischen Katholizismus.<br />
7 <strong>Vie</strong> int., 25.2.1938, S. 37<br />
8 a.a.O., S. 20<br />
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