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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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dauernswerter Rückschritt empfunden. Der mystische Elan entspringe einem irrationalen<br />

Glauben. Der Nationalsozialismus wolle aber als religiöse Lehre anerkannt<br />

werden. Sein Mystizismus lasse Deutschland noch in Finsternis ertrinken. Er scheint<br />

aus vielen unterschiedlichen Strömungen zu bestehen. Das löst Unsicherheit aus. <strong>Die</strong><br />

Deutschen seien schon immer so gewesen: <strong>Die</strong> Entfremdung vom Christentum gehe<br />

bereits auf Luther zurück und ziehe sich durch das ganze Geistesleben. Jetzt werde<br />

das deutsche Gewissen durch politisch-behördliche Zwänge drangsaliert. Nach Abschluß<br />

des Münchner Abkommens wird vorwiegend <strong>der</strong> antiklerikale Charakter <strong>der</strong><br />

Doktrin herausgestellt.<br />

Der Nationalsozialismus scheint aber auch eine neue Sicht <strong>der</strong> Welt zu bieten. Sein<br />

Sendungsbewußtsein wird gut gefunden, Brutalität und primitive Einseitigkeit werden<br />

verharmlost. Er baue zwar auf einem irrigen Menschenbild auf, aber es fehle ihm<br />

nicht an Würde. <strong>Die</strong> Parteitage glichen antiken Spektakeln mit Macht- und Prachtentfaltung.<br />

<strong>Die</strong> Massen würden vibrieren, und Hitlers Art, zum Volk zu sprechen, wird<br />

bewun<strong>der</strong>t. Im Jahre 1935 überwiegen die Beiträge, die Deutschlandbegeisterung<br />

versprühen. In Deutschland herrschen Lebensfreude und Vertrauen in die Zukunft.<br />

An den gesunden Deutschen sollten sich die Franzosen ein Beispiel nehmen.<br />

Deutschland sei eine schöpferische Nation. Es sei nicht eine politische Idee, son<strong>der</strong>n<br />

eine göttliche Person. Es besitze Größe. Den Franzosen wird empfohlen, sich mit<br />

dem Nationalsozialismus auseinan<strong>der</strong>zusetzen, damit sie den deutschen Nachbarn<br />

besser verstehen.<br />

Betrachtet man den Inhalt <strong>der</strong> Aufsätze zur nat.soz. Ideologie, so läßt sich feststellen,<br />

daß er an keine politischen Ereignisse, an kein zeitliches Nacheinan<strong>der</strong> gekoppelt ist,<br />

daß er keiner Chronologie unterliegt. <strong>Die</strong> <strong>Vie</strong> int. hat den Nationalsozialismus vom<br />

ersten Beitrag an in seiner ganzen Tragweite begriffen. Es hat keine Entwicklung <strong>der</strong><br />

Erkenntnis gegeben. <strong>Die</strong> wenigen Autoren, die sich mit dem deutschen Nationalsozialismus<br />

befaßten, kannten frühzeitig die Elemente <strong>der</strong> Blut-und-Boden-Doktrin und<br />

ihre Auswirkungen in Deutschland und ahnten, was auf Frankreich zukam. Das NS-<br />

Programm war ja 1922 und „Mein Kampf“ 1925 erschienen.<br />

Wenn <strong>der</strong> Schwerpunkt auch nicht auf die Entwicklung <strong>der</strong> Aussagen zum Nationalsozialismus<br />

gelegt werden kann, so ist doch das Deutschlandbild nicht weniger prägnant<br />

und klar umrissen: <strong>Die</strong> Abkehr vom christlichen Katholizismus und die Hinwendung<br />

zu germanischen Mythen wird weitgehend scharf verurteilt. Der Nationalsozialismus<br />

wird als Irrlehre dargestellt. Deutschland sei ein Land <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

und <strong>der</strong> Indoktrination mit falschem Glauben.<br />

Der Nationalsozialismus mache aber Deutschland auch zu einem Land <strong>der</strong> Dynamik<br />

und Freundlichkeit, das technik- und maschinenbegeistert sei und voller Tatendrang<br />

in eine goldene Zukunft steuere. Nur vereinzelt werden Stimmen laut, die ob <strong>der</strong><br />

<strong>Vie</strong>lgesichtigkeit des Nationalsozialismus und des Machtspektakels in Nürnberg Beunruhigung<br />

empfinden. Als unmittelbare Bedrohung für Frankreich gilt er nicht.<br />

Es ist also festzustellen, daß das Deutschlandbild <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. in Bezug auf die Ideologie<br />

hell und dunkel strahlt, wobei <strong>der</strong> Schatten tiefer ist. Daß verschiedene Autoren<br />

verschiedene Standpunkte zum Nationalsozialismus vertreten, scheint normal und<br />

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