Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Spannungserregende Erzähltechnik, gepaart mit detaillierter Sachinformation, sollen<br />
das Entsetzen vermitteln, daß <strong>Vie</strong> int. angesichts <strong>der</strong> aufrührerischen antikatholischen<br />
Parolen ergriffen hat. Eingebaute Suggestivsätze, wie z.B. „Mais arrêtons-nous ici.<br />
Cela suffit, n’est-ce pas?“ 1 vermitteln dem Leser das Gefühl als wolle <strong>der</strong> Verfasser<br />
ihm sagen: Stellen Sie sich vor, was da in Deutschland passiert! Ist das nicht grausam?<br />
Das Deutschlandbild, das sich bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> katholischen Frage abzeichnet,<br />
läßt sich mit den Worten <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. zusammenfassen: Deutschland ist ein totalitärer<br />
Staat, <strong>der</strong> in beispielloser Weise die Perfektion seiner Unterdrückungsmethoden betreibt.<br />
<strong>Die</strong> sukzessive Entmachtung des deutschen Katholizismus scheint 1936 vollzogen<br />
zu sein.<br />
Von <strong>der</strong> scheinbaren Lösung des katholischen Problems in Deutschland zeugt auch<br />
die abnehmende Zahl <strong>der</strong> Beiträge zu diesem Thema. Das muß aber nicht in direktem<br />
Zusammenhang mit dem vermeintlich gelösten Kirchenkampf stehen, denn die<br />
<strong>Deutschlandberichterstattung</strong> <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int. ist im Jahr 1936 mit 14 Beiträgen im Vergleich<br />
zu 43 Beiträgen im Jahre 1933 generell schwächer.<br />
1937 leidet die Kirche immer noch: „L’église souffrante en Allemagne“. 2 Es gibt<br />
eingehende Berichte über die nicht enden wollende Konfrontation zwischen Kirche<br />
und Staat. Dabei ist die etwas katholisch-lastige Perspektive zu beachten. <strong>Die</strong> deutschen<br />
Katholiken werden als Opfer dargestellt. 3 <strong>Vie</strong> int. entrüstet sich: „... c’est qu’on<br />
applique aux catholiques - et aux protestants - de là-bas les mêmes procédés qu’aux<br />
Juifs et aux communistes: C’est ... le pogrom à froid, l’étouffement progessif,<br />
l’étranglement à la russe“. 4 Sie fragt sich besorgt, ob die Katholiken nicht noch in<br />
„Ghettos“ enden werden. 5<br />
Im August 1937 hält die Zeitschrift Rückschau auf vier Jahre Konkordat und stellt<br />
fest: „Les relations entre le gouvernement de Berlin et le Saint-Siège sont peut-être<br />
plus mauvaises qu’elles n’ont jamais été“. 6 Der Gegensatz zwischen Nationalsozialismus<br />
und Kirche konnte nicht überbrückt werden. Deshalb zieht Papst Pius XI mit<br />
seiner Enzyklika „Mit brennen<strong>der</strong> Sorge“ am 14. März 1937 einen Trennungsstrich. 7<br />
Sehr erstaunlich ist, daß <strong>Vie</strong> int. über dieses für die katholische Welt richtungweisende<br />
Mahnschreiben und unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Bedeutung, die sie über Jahre <strong>der</strong><br />
Katholikenverfolgung in Deutschland beimißt, nicht zum gegebenen Zeitpunkt berichtet.<br />
Das geschieht erst im Februar 1939 aus Anlaß des Todes von Pius XI.<br />
<strong>Die</strong> Enzyklika hat auch in <strong>der</strong> übrigen konfessionellen Tages- und Wochenpresse in<br />
Frankreich keinen großen Wi<strong>der</strong>hall gefunden. Das hängt zum einen damit zusammen,<br />
daß sie allein auf Nazi-Deutschland bezogen ist. Zum an<strong>der</strong>en erschien wenige<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.9.1935, S. 615<br />
2 a.a.O., 10.3.1937, S. 192<br />
3 z.B. a.a.O., 25.4.1937, S. 193-216; a.a.O., 10.5.1937, S.369-376<br />
4 a.a.O., S. 193<br />
5 a.a.O., 25.10.1937, S. 200<br />
6 a.a.O., 25.8.1937, S. 23<br />
7 Gebhardt, a.a.O., S. 21<br />
177