Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Dillards Position ist kaum eindeutig festzumachen. Er will mehr Unternehmergeist<br />
und mehr Verantwortung <strong>der</strong> Arbeitgeber für die Arbeitnehmer. Er ist gegen Konzerne<br />
und Kartelle. Er verurteilt die enge Verknüpfung von Staat, Banken und Industrieunternehmen.<br />
Er ist gegen Zentralisierung und Verstaatlichung. Er ist dagegen, daß<br />
<strong>der</strong> Staat zum Ruhekissen wird. Er kritisiert den Staat, er kritisiert die Unternehmer.<br />
Aber im Gegenzug findet er auch keine positiven Worte für die soziale Absicherung,<br />
die <strong>der</strong> Staat den Arbeitnehmern gewährleistet. 1 Aus seinen Worten geht hervor, daß<br />
er an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt. Er scheint ein Verfechter <strong>der</strong> kapitalistischen<br />
Wettbewerbswirtschaft zu sein, wie sie bis 1931 international vorherrschend<br />
war.<br />
Ideologiegelenkte Wirtschaft und Bevölkerungsentwicklung: Autarkie<br />
und Arbeitsorganisation<br />
Im Laufe des Jahres 1933 entfaltet Hitler seine Macht und festigt sie mittels zahlloser<br />
Gesetze und Verordnungen. Eines davon ist das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober<br />
1933. Es regelt die Tätigkeit von Journalisten. <strong>Vie</strong> int. stellt es ihren Lesern vor. 2<br />
Auffällig ist, daß sich die Zeitschrift dabei jedes Kommentars enthält. Sie läßt die<br />
Paragraphen des neuen Gesetzes für sich sprechen. Es enthält For<strong>der</strong>ungen an Ausbildung,<br />
Nationalität, Rasse und Moral des Journalisten; Zwänge, die von <strong>der</strong> Reichspressekammer<br />
vorgegebene Meinung zu vertreten und nichts zu schreiben, was die<br />
Kraft des Reiches schwächen o<strong>der</strong> das deutsche Volk verletzen könnte; Restriktionen<br />
in <strong>der</strong> freien Meinungsäußerung - nichts darf unzensiert veröffentlicht werden, und<br />
schließlich enthält es auch Androhung von Strafen in Form von Geldbußen o<strong>der</strong> Berufsverbot<br />
o<strong>der</strong> sogar Gefängnis bei Nichteinhaltung des Gesetzes.<br />
Direkt im Anschluß an den Gesetzestext druckt <strong>Vie</strong> int. Auszüge aus einer Rede<br />
Goebbels‘ vom 5. Oktober 1933, die sich auf dieses Gesetz bezieht. 3 Darin wird<br />
deutlich, daß die Presse in Deutschland von nun an ein Organ <strong>der</strong> politischen Führung<br />
ist.<br />
Lei<strong>der</strong> ist dies einer <strong>der</strong> wenigen Artikel, <strong>der</strong> im Berichterstattungszeitraum über die<br />
Gleichschaltung des öffentlichen Lebens geschrieben wurde, und <strong>der</strong> einzige über die<br />
Presse im Dritten Reich. Der <strong>Vie</strong> int.-Leser erfährt nichts über die weitere Entwicklung<br />
des ehemals freien und privatwirtschaftlichen Pressewesens.<br />
Dagegen gibt es über die Gleichschaltung <strong>der</strong> Wirtschaft interessante Informationen,<br />
ohne daß dieser Begriff als solcher weiter kommentiert würde. <strong>Die</strong> Auflösung <strong>der</strong><br />
Parteien, die Ausschaltung <strong>der</strong> Gewerkschaften o<strong>der</strong> die Ernennung nationalsoziali-<br />
1 <strong>Vie</strong>lleicht kein Wun<strong>der</strong>, denn in Frankreich gibt es ein dem deutschen vergleichbares Sozialversicherungsnetz<br />
zu <strong>der</strong> Zeit noch nicht. Eine Art „Aide publique“ wurde erst 1957/58 eingeführt und eine<br />
umfassen<strong>der</strong>e Arbeitslosenunterstützung erst ab 1979; vgl. Schmidt, B., u.a. (Hrsg.): Frankreich-<br />
Lexikon, a.a.O. S. 61 f<br />
2 <strong>Vie</strong> int., 25.10.1933, S. 260-263<br />
3 a.a.O., S. 263-266<br />
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