Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Deutschland habe nicht nur seine Wirtschaftskrise überwunden, son<strong>der</strong>n hole auch<br />
auf dem demographischen Sektor auf. Das konstatiert Joseph Aynar, den, nach eigenem<br />
Bekunden, die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nicht unbesorgt läßt. 1<br />
Dank <strong>der</strong> Nazi-Propaganda und <strong>der</strong> Gewährung zinsloser Darlehen für Heiratswillige<br />
sei die Geburtenrate seit 1933 sprunghaft und stetig angestiegen. 2 Das verstärke den<br />
Eindruck eines Volkes ohne Raum. Hierin vermutet Aynard den Grund für Hitlers<br />
Gebietsansprüche. <strong>Die</strong>ser wolle mit den im Münchner Abkommen annektierten Gebieten<br />
die deutsche Bevölkerungszahl aufstocken. <strong>Die</strong> Bevölkerung sei nämlich vom<br />
Aussterben bedroht, so Aynard, weil die Menschen in Deutschland zwar immer älter<br />
würden, aber die Geburtenzahl auch lange Zeit rückläufig war. <strong>Die</strong>sen die Bevölkerung<br />
dezimierenden Trend wolle Hitler stoppen. Aynard wun<strong>der</strong>t sich über die kurzsichtige<br />
Handlung Deutschlands. <strong>Die</strong> annektierten Gebiete wiesen eine viel größere<br />
Bevölkerungsdichte auf als Deutschland, wodurch das Raumproblem <strong>der</strong> deutschen<br />
Bevölkerung wie<strong>der</strong> nicht gelöst werde. Deutschland wisse nicht, was es sich da antue,<br />
so <strong>der</strong> Tenor Aynards. 3<br />
In dem Zusammenhang deckt er einen weiteren Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Ideologie und<br />
Wirklichkeit auf. Ein Volk, das aus einer Rassentheorie einen nationalen Glauben<br />
macht, denke nicht über die Vermischung nach, die ihm durch die Bevölkerung <strong>der</strong><br />
eroberten Gebiete droht. Dort lebten zwar Millionen Menschen deutscher Sprache,<br />
aber slawischen Ursprungs. Aynard zeigt darüber ungläubiges Erstaunen. Das könne<br />
doch nicht im Sinne <strong>der</strong> Deutschen sein. Den Weg <strong>der</strong> Entwicklung zu einer mo<strong>der</strong>nen<br />
Nation würde Deutschland mit dieser Haltung auf jeden Fall nicht beschreiten:<br />
L’Allemagne veut aller contre l’évolution générale du monde, qui va partout<br />
dans le sens de l’assimilation et non de la défense raciale. 4<br />
Aynards Erklärungen zur Bevölkerungsdynamik sind interessant. Zwischen 1880 und<br />
1933 sei die Geburtenzahl stark zurückgegangen. <strong>Die</strong>s führt er auf mehrere Gründe<br />
zurück: Auf Deutschlands wachsenden Wohlstand nach dem Krieg von 1870/71,<br />
seine erfolgreiche industrielle Entwicklung und seine politische Macht 5 ; auf den Verstädterungsprozeß,<br />
<strong>der</strong> keine große Kin<strong>der</strong>zahl erlaubte 6 und auf die Unabhängigkeitsbestrebungen<br />
<strong>der</strong> Frau. Er meint, die Ausgaben für Luxus und Genuß hätten das<br />
Kind ersetzt. 7 Insofern hätte Deutschland, wie im übrigen Frankreich auch, eine große<br />
moralische Umwandlung erfahren. 8 Der Vergleich mit Frankreich hat sich hierin<br />
erschöpft, was bedauerlich ist, denn es entsteht beim Leser <strong>der</strong> Eindruck, als ob <strong>der</strong><br />
1 <strong>Vie</strong> int., 10.10.1938, S. 43<br />
2 a.a.O., S. 52<br />
3 a.a.O., S. 43, 52, 53<br />
4 a.a.O., S. 58<br />
5 a.a.O., S. 44, 45<br />
6 a.a.O., S. 46, 47<br />
7 a.a.O., S. 48. So sieht das auch Dillard: <strong>Vie</strong> int., 10.4.1933, S. 85, 87<br />
8 <strong>Vie</strong> int., 10.10.1938, S. 50<br />
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