Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
Binnennachfrage und allmählich steigenden Exporten<br />
hat sich im Jahresverlauf wieder eine Aktivierungstendenz<br />
durchgesetzt.<br />
113. Die Abkühlung der Weltkonjunktur ging für die<br />
alten Bundesländer mit einer Stagnation der Ausfuhr<br />
einher. Darüber hinaus haben die westdeutschen Exporteure<br />
Anteile am Welthandel verloren; während<br />
der Welthandel in diesem Jahr noch mit etwa 3 vH<br />
stieg, war die Auslandsnachfrage bis ins Frühjahr<br />
stark rückläufig. Der Marktanteilsverlust liegt in erster<br />
urne daran, daß im Zuge der schwachen Weltkonjunktur<br />
einige Länder eine stagnierende bis rückläufige<br />
Investitionstätigkeit aufwiesen, so daß sich die<br />
Auftragslage aus dem Ausland erheblich verschlechterte.<br />
Das Investitionsgüter produzierende Gewerbe<br />
aber hat einen besonders hohen Anteil an den westdeutschen<br />
Ausfuhren insgesamt.<br />
In realer Rechnung war der westdeutsche Export nahezu<br />
unverändert. Die Exportschwäche hielt bis in die<br />
zweite Jahreshälfte hinein an, und die Ausfuhr erholte<br />
sich im weiteren Verlauf des Jahres nur schleppend.<br />
114. Die nominalen Warenexporte in die EG-Länder<br />
stagnierten. Die Ausfuhr in die einzelnen Partnerländer<br />
bot ein uneinheitliches Bild. Am schlechtesten<br />
verlief das Ausfuhrgeschäft mit dem Vereinigten Königreich,<br />
dem wichtigsten Handelspartner; in den ersten<br />
acht Monaten lag die Ausfuhr um 9,9 vH unter<br />
dem Vorjahresstand. DerExportin die iberischen Länder,<br />
der allerdings nur einen Anteil von knapp 10 vH<br />
an der Ausfuhrin die EG-Länder und etwa 5 vH an der<br />
Ausfuhr insgesamt ausmacht, stieg dagegen stark an.<br />
Aufgrund einer weiterhin kräftigen Binnennachfrage<br />
und der im Vergleich <strong>zur</strong> Bundesrepublik anhaltend<br />
höheren Preissteigerungsraten in Spanien und Portugal<br />
gelang es den westdeutschen Anbietern, den Absatz<br />
auf diesen Märkten erheblich zu erhöhen. In den<br />
ersten acht Monaten expandierte die Ausfuhr nach<br />
Spanien im Vergleich zum Vorjahr mit über 12,1 vH<br />
und nacb Portugal sogar mit 29,2 vH.<br />
Stark rückläufig war auch der Export in die Vereinigten<br />
Staaten. Eine merkliche Besserung setzte erst<br />
nach der Jahresmitte ein. Der wieder höher bewertete<br />
Dollar stärkte die westdeutschen Anbieter im Preiswettbewerb<br />
mit der amerikanischen Konkurrenz, und<br />
die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten begann sich<br />
<strong>zur</strong> Jahresmitte von der Rezession zu erholen.<br />
Schließlich hat sich erstroals seit elf Jahren auch das<br />
Exportgeschäft mit Japan verschlechtert. Vor allem<br />
die nachlassende Investitionsdynamik in Japan und<br />
ein Rückgang der Automobilexporte lagen der schwachen<br />
Ausfuhrentwicklung zugrunde. Auf dem japanischen<br />
Automobilmarkt hatten die deutschen Anbieter<br />
nicht nur mit einer Stagnation der Nachfrage, sondern<br />
auch mit einer zunehmenden Konkurrenz japanischer<br />
Fahrzeuge der Luxusklasse zu kämpfen.<br />
Die Warenausfuhr in die Entwicklungsländer verlief,<br />
wie schon im vergangenen Jahr, überdurchschnittlich<br />
gut. 1m Handel mit den OPEC-Ländern schlug der<br />
Ausfall des Irak-Geschäfts negativ zu Buche. Am Aufbau<br />
Kuwaits wurden westdeutsche Finnen kaum beteiligt.<br />
Dennoch übertraf die Ausfuhr in die OPEC<br />
Staaten von Januar bis August diesen Jahres ihren<br />
Vorjahresstand um 5,1 vH.<br />
Während die Ausfuhr in die ehemaligen Staatshandelsländer<br />
insgesamt schwach war, hat sich der<br />
Warenaustausch mit den Reformländem Polen und<br />
Tschechoslowakei als Folge der liberalisierungsbemühungen<br />
im Außenhandel in diesem Jahr beträchtlich<br />
intensiviert. Der westdeutsche Export in die<br />
Tschechoslowakei nahm in den ersten sieben Monaten<br />
um mehr als 40 vH und nach Polen um reichlich<br />
10 vH zu. -<br />
115. Die Passivierung der Leistungsbilanz hing aber<br />
vor allem mit der Einführung der Währungs-, Wirtschafts-<br />
und Sozialunion zusammen, die im vergangenen<br />
Jahr zum Ausgangspunkt eines gewaltigen Importbooms<br />
wurde. Dem Volumen nach lag der Import<br />
in den ersten acht Monaten des Jahres <strong>1991</strong> um rund<br />
11 vH über dem Vorjahresstand. Die ostdeutsche<br />
Nachfrage umfaßte auch ausländische Produkte. die<br />
über die alten Bundesländer bezogen wurden; daher<br />
gewann der Import rasch an Fahrt. Der Nachfragesog<br />
aus den neuen Bundesländern stieß bis <strong>zur</strong> Jahreswende<br />
1990/91 in den alten Bundesländern auf nahezu<br />
voll ausgelastete Kapazitäten und eine kurzfristig<br />
beschränkte lieferfähigkeit inländischer Anbieter,<br />
so daß die hohe Binnennachfrage gleichfalls stärker<br />
auf das Ausland gerichtet war. Erst mit nachlassender<br />
Schubkralt beider Nachfrageaggregate und<br />
einer sinkenden Kapazitätsauslastung in Westdeutschland<br />
verlor der Import im Jahresverlauf wieder<br />
an Fahrt.<br />
Die Importnachfrage der alten Bundesländer enthielt zu einem<br />
großen Teil Güter, die direkt in das Beitrittsgebiet weitergeleitet<br />
wurden. Die Einfuhrstatistik überzeichnet daher den westdeut~<br />
sehen Import. Für diese Komponente der Einfuhr wurde der<br />
Begriff "Durchleitungsimport" geprägt. Der hohe Import der<br />
neuen Bundesländer über das Handelssystem Westdeutschlands<br />
hat seine Ursache vor allem darin, daß ausländische Lieferanten<br />
kaum direkte Lieferbeziehungen zum ostdeutschen<br />
Markt errichlet hatten. Statt dessen dienten ihnen westdeutsche<br />
Handelsketten oder eigene Niederlassungen in Westdeutschland<br />
als Kanäle <strong>zur</strong> Versorgung der Märkte in den neuen Bundesländern.<br />
Eine Quantifizierung des Durchleitungsimports<br />
kann die Einfuhrstatistik jedoch nicht leisten. Sicherist aber, daß<br />
ohne diesen Durchleitungsimport in Westdeutschland ein nen·<br />
nenswerter Handelsbilanzüberschuß erzielt worden wäre.<br />
116. Dem raschen Abbau des deutschen Handelsbilanzüberschusses<br />
stand zu Jahresanfang noch eine<br />
kräftige, wenn auch absolut gesehen weit geringere<br />
Zunahme des Überschusses in der Dienstleistungsbilanz<br />
gegenüber.<br />
SeitJuli vergangenen Jahres weist die Deutsche Bundesbank in<br />
der Zahlungsbilanzstatistik die Dienstleistungsbilanz für Gesamtdeutschland<br />
aus; der Vergleich zum Vorjahr wird dadurch<br />
erschwert. Da die Transaktionen im Dienstleistungsverkehr mit<br />
dem Ausland in den neuen Bundesländern bislang nur einen<br />
kleinen Bruchteil der gesamtdeutschen Dienstleistungstransaktionen<br />
ausmachen dürften, ist es vertretbar, <strong>zur</strong> Beurteilung<br />
der Entwicklungen der Dienstleistungsbilanz den Vorjahresvergleich<br />
gegenüber den Werten vor Juli 1990 heranzuziehen.<br />
Die Überschüsse gingen vor allem auf den hohen Aktivsaldo<br />
bei den Kapitalerträgen <strong>zur</strong>ück. Er hatte sich<br />
im ersten Halbjahr <strong>1991</strong> deutlich erhöht. Im weiteren<br />
Verlauf des Jahres machten sich dann aber der Umschwung<br />
in der Kapitalbilanz sowie die sinkenden<br />
Zinsen im Ausland bemerkbar, vor allem auf Anlagen<br />
in Dollar. Da die Nettoauslandsposition der Bundesrepublik<br />
Deutschland nicht mehr zunahm, stiegen auch<br />
die Netto-Kapitalerträge nicht weiter an. Insgesamt<br />
war im Jahre <strong>1991</strong> der Aktivsaldo der Dienstleistungs-<br />
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