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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

53"'. Falsch wäre es, wenn sich der Staat in eine Politik<br />

drängen ließe, die Vorgaben macbte, welche Wirtschaftszweige<br />

wo und wie stark in der neuen Wirtschaftsstruktur<br />

vertreten sein sollten, und wenn er<br />

ehemalige Staatsbelriebe, die keine Aussicht haben,<br />

wettbewerbsfähig zu werden, mit Dauersubventionen<br />

am Leben erhielte. Falsch wäre es auch, wenn es dabei<br />

bliebe, daß sicb die Lobnpolitik mehr an den höheren<br />

Verdiensten in der westdeutschen Wirtschaft als<br />

am Leistungsvennägen der ostdeutschen Wirtschaft<br />

orientiert und es den Steuerzahlern oder der Versichertengemeinschaft<br />

überläßt, tür die damit verbundenen<br />

negativen Beschäftigungsfolgen aufzukommen.<br />

Falsch wäre es ferner, wenn die Arbeitsmarktpolitik<br />

mit undüferenzierten Einkommensersatzleistungen<br />

und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen den<br />

Eindruck erweckte, es sei - wie im alten Wirtschaftssystem<br />

- Sache des Staates, jedem Arbeit zu geben,<br />

und eigene Initiative sei nicht dringlich.<br />

Richtig und wichtig ist es hingegen, alles daran zu<br />

setzen, daß sich möglichst rasch viel private Initiative<br />

entfaltet. Dazu zählt, die Investitionstätigkeit nicht<br />

nur durch Steuervergünstigungen und Zulagen zu<br />

fördern, sondern Ülr auch durch einen beschleunigten<br />

Ausbau der Infrastruktur und den Abbauinstitutioneller<br />

und administrativer Engpässe Hemmnisse aus dem<br />

Weg zu räumen. Ebenso gilt es, die Privatisierung der<br />

im Besitz der Treuhandanstalt befindlichen Altbetriebe<br />

tatkräftig voranzutreiben, die Standortattraktivität,<br />

insbesondere von Problemregionen, zügig zu verbessern<br />

und in der Arbeitsmarktpolitik die Förderung von<br />

Umschulung und beruflicher Weiterbildung an die<br />

erste Stelle zu setzen.<br />

54*. Mit Blick auf die westdeutsche Wirtschaft stellt<br />

sich die Aufgabe, die Wachstumsdynamik, die in der<br />

zweiten Hälfte der achtziger Jahre als Folge verbesserter<br />

Angebotsbedingungen erreicht wurde, aufrechtzuerhalten<br />

und nicht erlahmen zu lassen. Gesichert<br />

ist das nicht.<br />

Weil es dem Staat nicht gelungen ist, die Prioritäten<br />

neu zu setzen und seine Ausgaben entsprechend<br />

umzuschichten, mußte er Steuerzahler wie<br />

Beitragszahler mit höheren Abgaben belasten·und<br />

vor allem massiv Kredit aufnehmen; das mindert<br />

den Anreiz, mehr zu leisten, und senkt die Rentabilität<br />

der wachstumsnotwendigen Investitionen,<br />

indem es diese zinsbedingt verteuert.<br />

Weil die Tarifvertragsparteien Lohnsteigerungen<br />

vereinbart haben, die durch den Produktivitätszuwachs<br />

nicht gedeckt sind, ist das Kostenniveau<br />

verstärkt gestiegen; das geht zu Lasten der Unternehmenserträge<br />

oder zu Lasten des Geldwertes,<br />

was weitere Verteilungskämpfe schürt, mit der<br />

Folge, daß direkt oder indirekt auch von daher<br />

Beeinträchtigungen des Investitionsklimas drohen.<br />

Hier gilt es gegenzusteuern, bevor aus einer Gefährdung<br />

der Wachstumskräfte eine nachhaltige Wachstumsabschwächung<br />

wird.<br />

55*. An der Entwicklung des Geldwertes wird sich<br />

erweisen, inwieweit es gelingt, die Ansprüche, die<br />

private Konsumenten und Investoren zusammen mit<br />

dem Staat an das gesamtwirtschaftliche Produktions-<br />

potential stellen, im Jahre 19<strong>92</strong> und danach so einzudämmen,<br />

daß sie zu dessen Umfang und zu dessen<br />

weiterem Wachstum passen. Zur Lösung der stabilisierungspolitischenAufgabe<br />

müssen alle Bereiche der<br />

Wirtschaftspolitik beitragen; sie wird dabei um so<br />

eher gelingen, je mehr sich ein jeder darauf verlassen<br />

kann, daß derandere seinenBeitragleistet. Neben der<br />

Geldpolitik sind hier vor allem wiederum die Finanzpolitik<br />

und die Lohnpolitik angesprocben.<br />

Der Part der Geldpolitikist es, dafür zu sorgen, daß<br />

der Finanzierungsspielraum eng bleibt, also das<br />

verfügbare Geldangebot nicht größer ist, als es bei<br />

stabilitätsgerechtem Verhalten aller zu den gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktionsmöglichkeiten<br />

paßt. Die Bundesbank sollte daher den potentialorientierten<br />

Kurs beibehalten, dem sie im Jahre<br />

<strong>1991</strong> folgte.<br />

Die Finanzpolitikmuß erkennen lassen, daß sie tatkräftig<br />

daran geht, das hohe Defizit in den öllentlichen<br />

Haushalten innerhalb eines überschaubaren<br />

Zeitraums abzubauen. Das ist der stabilisierungspolitische<br />

Aspekt einer verläßlichen Konsolidierungsstrategie.<br />

In der Lohnpolitik muß sichtbar werden, daß sich<br />

die Tarifvertragsparteien wieder stärker am Produktivitätszuwachs<br />

orientieren. Ihr Part ist es, so zu<br />

verhindern, daß der Kostendruck von den Löhnen<br />

her weiter zunimmt.<br />

Je ernsterjeder Politikbereich den vonihm verlangten<br />

Beitrag <strong>zur</strong> Rückgewinnung der Geldwertstabilität<br />

nimmt, desto eher wird sich auch das Ausland überzeugen<br />

lassen, daß die Wirtschaft der neuen Bundesrepublik<br />

nicht minder leistungsstark und vertrauenswürdig<br />

ist als die der alten.<br />

Geldpolitik: Auf Stabilitätskurs bleiben<br />

(Ziffern 303fl.)<br />

56*. Für die Geldpolitik geht es im Jahre 19<strong>92</strong> vor<br />

allem darum zu verhindern, daß sich aus dem beschleunigten<br />

Preisauftrieb die Erwartung eines anhaltend<br />

hohen oder gar noch weiter steigenden Geldwertverlustes<br />

verfestigt. Verfestigte Inflationserwartungen<br />

können - wie sich zu Beginn der achtziger<br />

Jahre gezeigt hat - nur um den Preis einer Rezession<br />

gebrochen werden.<br />

Eine Stabilisierungskrise, bei der erst Einkommensschrumpfung<br />

und Beschältigungsrückgang für die<br />

Mäßigung des Kosten- und Preisauftriebs sorgen,<br />

wäre der schlechteste Weg <strong>zur</strong> Wiederherstellung der<br />

Geldwertstabilität. Notwendig ist daher ein stabilitätsgerechter<br />

policy mix. Die Geldpolitik hält den<br />

potentialgerechten monetären Pfad, die Tarifpolitik<br />

beschränkt die Lohnansprüche auf den durch die Produktivitätsentwicklung<br />

beziehungsweise die betriebliche<br />

und sektorale Leistungskraft vorgegebenen<br />

Rabmen; die Finanzpolitik baut die Budgetdefizite ab,<br />

und zwar vornehmlich über Ausgabeneinschränkungen<br />

statt über Steuererhöhungen. Nur eine solche<br />

Politikkombination führt auf schonende Weise <strong>zur</strong><br />

Geldwertstabilität <strong>zur</strong>ück.<br />

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