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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

231. Mit der konjunkturellen Erholung in den Industrieländem<br />

wird der Welthandel wieder stärker ausgeweitet<br />

werden. Impulse kommen vor allem von steigenden<br />

Einfuhren in die Vereinigten Staaten. Davon<br />

profitieren auch die Entwicklungsländer, aber sie<br />

selbst werden dem Welthandel nur geringe Anstöße<br />

geben. Allenfalls der Wiederaufbau in Kuwait könnte<br />

zu kräftig steigenden Einfuhren von technischem Gerät<br />

aus den Industrieländern führen. Der starke Nachfragesog,<br />

den die deutsche Vereinigung auf dem<br />

Weltmarkt bisher auslöste, wird dagegen spürbar<br />

nachlassen. Die Reformländer Osteuropas werden<br />

weiterhin nur in begrenztem Maße als Anbieter und<br />

Nachfrager auf dem Weltmarkt in Erscheinung treten.<br />

Zwar wurde der Außenhandel mittlerweile zum großen<br />

Teil liberalisiert, aber es fehlt noch weitgehend an<br />

Produktion, die international wettbewerbsfähig wäre.<br />

Dies beschränkt die Nachfrage nach westlichen Gütern.<br />

Alles in allem wird das Volumen des Welthandels<br />

im nächsten Jahr keinesfalls mit einer sehr hohen<br />

Rate expandieren; wir veranschlagen diese Rate auf<br />

5 vH.<br />

232. Der Preisanstieg wird sich im kommenden Jahr<br />

weiter leicht verringern. Zwar sehen sich in vielen<br />

Ländern die Unternehmen wieder einer steigenden<br />

Nachfrage gegenüber, angesichts der teilweise deutlich<br />

gesunkenen Kapazitätsauslastung wird aber der<br />

Spielraum für Preiserhöhungen gering sein. Zudem ist<br />

auch von der Kostenseite her keine Beschleunigung<br />

des Preisanstiegs angelegt.<br />

Bei Rohstoffen werden sich die Notierungen alles<br />

in allem auf dem Stand dieses Jahres halten. Die<br />

Preise für Rohöl werden, wie erwähnt, etwas nachgeben.<br />

Die Preise für Industrierohstoffe werden<br />

dagegen leicht anziehen, denn mit der Produktionsbelebung<br />

in den westlichen Industrieländern<br />

wird die Nachfrage wieder zunehmen, zumal die<br />

Verarbeiter die Lager aufstocken werden. Auch<br />

bei den meisten Agrargütern, so vor allem bei Weizen,<br />

r..1ais und Futtergetreide zeichnen sich geringfügige<br />

Verteuerungen ab, bei einigen, etwa bei<br />

Zucker und Kaffee, aber auch Verbilligungen.<br />

Bei den Lohnkosten erwarten wir im kommenden<br />

Jahr eine insgesamt eher schwächere als stärkere<br />

Zunahme. In den Ländern, in denen die Konjunktur<br />

wieder an Fahrt gewinnt, führt das zu einer<br />

Kostenentlastung, denn die Produktivität wird<br />

wieder steigen. In den Ländern, in denen die Auftriebskräfte<br />

vorerst schwach bleiben, werden die<br />

Tarifvertragsparteien, so nehmen wir an, zu Lohn~<br />

abschlüssen gelangen, die keinen Kostendruck erzeugen;<br />

auf diese Weise werden sie günstige Voraussetzungen<br />

tür eine konjunkturelle Wiederbelebung<br />

schaffen.<br />

IV. Die wirtschaftlichen Aussichten<br />

für die Bundesrepublik<br />

233. Die wirtschaftliche Entwicklung wird in den alten<br />

Bundesländern im kommenden Jahr zunächst auf<br />

einem sehr flachen Pfad verlaufen. Denn die Kräfte,<br />

die bislang für Auftrieb sorgten, die Investitionen und<br />

die lieferungen in die neuen Bundesländer, werden<br />

sich weiter abschwächen. Vom Export werden zwar<br />

wieder Impulse kommen, aber nicht so starke, um ein<br />

ausreichendes Gegengewicht zu schaffen. Wenn alles<br />

gutgeht, wenn vor allem von der Finanzpolitik und<br />

von der Lohnpolitik richtige Signale kommen, kann<br />

sich im späteren Jahresverlauf der Wind wieder drehen.<br />

Dann dürfte nicht nur der Private Verbrauch tür<br />

neuen Schub sorgen, sondern auch die Investitionen.<br />

In den neuen Bundesländern, die noch mitten in einem<br />

Neuaufbau ihrer Wirtschaftsbasis stecken, bleibt<br />

die wirtschaftliche Lage schwierig. Aber der Erneuerungsprozeß<br />

wird vorankommen, denn die Investitionen<br />

werden mächtig angeschoben - durch staatliche<br />

Stellen und durch Unternehmen aus dem Westen. Das<br />

läßI erwarten, daß fortan auch die Produktion kräftig<br />

ausgeweitet wird und sich die großen Unterschiede in<br />

der Leistungskraft zwischen den neuen und den alten<br />

Bundesländern erstmals etwas verringern werden.<br />

234. Dreh- und Angelpunkt unserer Prognose ist die<br />

Entwicklung beim Export. Früher hat sich gezeigt, daß<br />

das Exportgeschäft rasch in Schwung kommt, sobald<br />

die Konjunktur im Ausland wieder anzieht. Das düdte<br />

auch diesmal so sein, und dennoch ist es ratsam, fürs<br />

erste keine hohen Erwartungen zu hegen. Nach den<br />

Ergebnissen unserer Prognose wird die konjunkturelle<br />

Aufwärtsentwicklung in fast allen Ländern nur<br />

verhalten sein, das heißt, die ausländischen Absatzmärkte<br />

deutscher Unternehmen werden nur schwach<br />

expandieren. In Anlehnung an die Schätzungen internationaler<br />

Organisationen veranschlagen wir die<br />

Rate, mit der der Welthandel im nächstenJahr voraussichtlich<br />

zunehmen wird, auf 5 vH. Diese Rate markiert<br />

die obere linie, an der wir uns bei der Prognose<br />

orientieren. Sie basiert maßgeblich auf der Erwartung<br />

einer raschen wirtschaftlichen Erholung in Nordamerikai<br />

dies stimuliert erfahrungsgemäß vor allem den<br />

Handel im pazifischen Raum. Die tür die westdeutschen<br />

Unternehmen wichtigen Auslandsmärkte liegen<br />

jedoch zum größten Teil in Westeuropa. In den<br />

meisten westeuropäischen Ländern, so lautet der Tenor<br />

unserer Prognose, erholt sich die Konjunktur erst<br />

in der zweiten Jahreshälfte 19<strong>92</strong> - und nicht überal1.<br />

Es darf auch nicht übersehen werden, daß in den meisten<br />

Ländern die Konjunktur vom Privaten Verbrauch<br />

und von den Wohnungsbauinvestitionen angestoßen<br />

wird, nicht indes von den Investitionen der Unternehmen.<br />

Das Muster der konjunkturellen Erholung begünstigt<br />

also die deutsche Exportwirtschaft nicht. Fast<br />

drei Fünftel des Exports sind Investitionsgüter; auf<br />

diesem Feld haben deutsche Unternehmen ihre Stärken.<br />

235. Wie stark diese strukturellen Effekte im kommenden<br />

Jahr als Exportbremse wirken werden, ist<br />

schwer zu sagen. Ein schwächeres Marktwachstum<br />

läßt sich auch durch den Zugewinn von Marktanteilen<br />

kompensieren. Zwar hat in diesem Jahr die deutsche<br />

Exportwirtschaft erhebliche Marktanteile verloren,<br />

aber das kann sich zumTeil damit erklären, daß Kapazitäten<br />

benötigt wurden, um die Nachtrage aus Ostdeutschland<br />

zu decken. Es gibt Anzeichen, daß sich<br />

die Unternehmen inzwischen wieder verstärkt um<br />

Auslandsaufträge bemühen. Die Auftragseingänge,<br />

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