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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

und Schwerpunkten der Finanzpolitik eher erschwert<br />

wird (JG 90 Zilfer 371). Ferner stehen die Mittel des<br />

Fonds den neuen Bundesländern und ihren Gemeinden<br />

<strong>zur</strong> freien Verfügung. Es würde sich empfehlen,<br />

bei Aufstockungen wenigstens einen Teil der zusätzlichen<br />

Transfers für investive Verwendungen zweckgebunden<br />

zu vergeben (Ziffer 326). Problematisch ist<br />

die Ausweitung des Fonds auch deshalb, weil dadurch<br />

den neuen Bundesländern der Anreiz genommen<br />

wird, selbst alles zu tun, um ertragreiche Steuerquellen<br />

zu schaffen und die Steueransprüche auch durchzusetzen.<br />

So berechtigt finanzielle Forderungen auch<br />

sein mögen, es muß stets berücksichtigt werden, daß<br />

die Zahlungen im Westen aufgebracht und dort entsprechende<br />

Belastungen übernommen werden müssen.<br />

Für 19<strong>92</strong> belaufen sich die öffentlichen Leistungen<br />

für das Beitrittsgebiet netto gerechnet auf<br />

145 Mrd DM, das sind 5lf, vH des westdeutschen Bruttosozialprodukts<br />

(Ziffer 251). Im übrigen wird durch<br />

die Aufstockung des Fonds "Deutsche Einheit" ein<br />

Finanzierungsvolumen des Bundes aufgebaut, das<br />

eine spätere Reform des Finanzausgleichs wohl eher<br />

belasten wird. Die Erfahrung zeigt, daß solche Reformen<br />

um so schwieriger durchzusetzen sind, je mehr<br />

sie massive Umverteilungen zwischen den Gebietskörperschaften<br />

erfordern.<br />

Refonn des Finanzausgleichs<br />

324. Mit dem Auslaufen des Fonds "Deutsche Einheit"<br />

zum Ende des Jahres 1994 müssen die neuen<br />

Bundesländer voll in die Finanzverfassung einbezogen<br />

werden. Es liegen bisher nicht einmal in Ansätzen<br />

Modelle vor, wie man den bundesstaatlichen Finanzausgleich<br />

nach 1995 regeln könnte. Da ein solches<br />

Reformwerk umfassende, durchweg zustimmungsbedürftige<br />

Gesetzesänderungen, möglicherweise sogar<br />

Änderungen des Grundgesetzes erfordert und infolgedessen<br />

viel Zeit in Anspruch nehmen wird, besteht<br />

in diesem Bereich akuter Handlungsbedarf. Es würden<br />

auch bei den anstehenden Ersatzfinanzierungen<br />

für den Fonds "Deutsche Einheit" eher sachgerechte<br />

Lösungen zu finden sein, wenn wenigstens die Eckwerte<br />

einer zukünftigen Finanzverfassung festgelegt<br />

wären.<br />

325. Der Sachverständigenrat hat bereits in seinem<br />

letzten <strong>Jahresgutachten</strong> (JG 90 Ziffern 432 lf.) dazu<br />

Vorschläge entwickelt. Die damals vor allem für das<br />

Gebiet der alten Bundesländer aufgestellten Forderungen<br />

gelten im Prinzip auch für eine Finanzverfassung<br />

im vereinten Deutschland. Allerdings wird der<br />

Finanzausgleich nicht mehr nur ein Spitzenausgleich<br />

auf der Einnahmenseite sein können. Angesichts der<br />

erheblichen Strukturprobleme in den neuen Bundesländern<br />

werden für sie auch Sonderleistungen erforderlich<br />

sein. Wenn man die Eigenverantwortiichkeit<br />

und Selbständigkeit der Bundesländer stärken will,<br />

müßte sich eine Reform des Finanzausgleichs wohl<br />

vor allem an folgenden Grundlinien orientieren:<br />

Es müßte eine klare Aufgabentrennung zwischen<br />

den Gebietskörperschaften gefunden werden. Wer<br />

die Aufgabenkompetenz hat, muß auch die Finanzierungsverpflichtung<br />

übernehmen. Die Mischfinanzierung<br />

sollte auf Ausnahmefälle reduziert<br />

werden.<br />

Die vertikale und horizontale Steuerverteilung<br />

sollte im wesentlichen beibehalten werden. Allerdings<br />

sollte den Bundesländern eine - wenn auch<br />

begrenzte - Steuerautonomie eingeräumt werden.<br />

Zu denken wäre dabei an ein ZuscWagsrecht<br />

oder Hebesatzrecht beim Lällderanteil aus der Einkommensteuer<br />

und der Körperschaftsteuer.<br />

Um dem Verfassungsgebot der .Einheitlichkeit<br />

der Lebensverhältnisse" gerecht zu werden, wird<br />

es auch in Zukunft einen horizontalen Lällderfi.­<br />

nanzausgleich geben müssen, dessen einnahmennivellierende<br />

Wirkung allerdings tendenziell <strong>zur</strong>ückgeführt<br />

werden müßte, um den Bundesländern<br />

den Anreiz zu geben, selbst für die Verbesserung<br />

der Wirtschattsstruktur und die Pflege der<br />

Steuerquellen Sorge zu tragen.<br />

Darüber hinausgehende horizontale und vertikale<br />

Zuweisungen müssen für Sonderfälle (zum Beispiel<br />

Spillover-Effekte, Strukturschwäche, mangelhafte<br />

Infrastruktur) begrenzt bleiben. Sie müssen<br />

auf verläßlichen Indikatoren basieren und mit<br />

Zweckbindungen und - in vielen Fällen auch ­<br />

mit Eigenbeteiligungen ausgestattet sein.<br />

326. Man wird davon ausgehen müssen, daß die<br />

neuen Bundesländer über einen längeren Zeitraum<br />

hinweg - auch nach 1995 - vertikale Zuweisungen<br />

des Bundes erhalten müssen, um den noch auf Jahre<br />

andauernden Wachstums- und Strukturproblemen<br />

gerecht werden zu können. Dabeiist dem Rat bewußt,<br />

daß in einem föderativen Staat mit Haushaltsautonomie<br />

auf den nachgelagerten Ebenen zweckgebundene<br />

Zuweisungen eher kritisch zu beurteilen sind, da<br />

sie dem Oberverband Gelegenheit geben, in die Entscheidungen<br />

der nachgeordneten Ebenen einzugreifen.<br />

Allerdings sind ungebundene Transfers nur dann<br />

zu vertreten, wenn die Folgen finanzpolitischer Fehlentscheidungen<br />

einer empfangenden Körperschaft<br />

nur von dieser selbst zu tragen sind und nicht - wie<br />

heute im Länderfinanzausgleich möglich - auf andere<br />

Bundesländer überwälzt werden können. In der<br />

aktuellen Situation kann der "goldene Zügel" dazu<br />

beitragen, die effiziente Verwendung der Transfers in<br />

den neuen Bundesländern zu sichern. Dies würde sowohl<br />

im Interesse der Geher als auch der Nehmer liegen.<br />

Die neuen Bundesländer wären primär Nutznießer<br />

eines erfolgreichen Wiederaufbaus, ihr Steueraufkommen<br />

würde steigen, und sie kämen damit aus der<br />

Rolle des Bittstellers heraus. Den Bürgern in den alten<br />

Bundesländern würden für die Zukunft die derzeit<br />

enormen Belastungen erleichtert.<br />

327. Wenngleich es für <strong>1991</strong> und auch wohl für 19<strong>92</strong><br />

gelungen ist, den neuen Bundesländern eine ausreichende<br />

Finanzausstattung zu verschaffen, so kann die<br />

bisherige Verwendungsstruktur der Mittel nicht befriedigen.<br />

Nur etwa 30 vH der Transfers sind für Investitionen<br />

in die Infrastruktur genutzt worden, die für<br />

den Wiederaufbau der Produktion von besonderer Bedeutung<br />

sind. Ein Großteil der Mittelist in konsumtive<br />

Verwendungen oder in Sozialtransfers geflossen. Dadurch<br />

ist Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen<br />

entstanden, die vornehmlich aus dem Westen bezogen<br />

wurden, so daß in den neuen Bundesländern<br />

keine entsprechende Zunahme der Produktion und<br />

der Beschäftigung erreicht werden konnte. Transfers<br />

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