Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
diese Investitionen zu Lieferungen von Ausrüstungsgütern von<br />
den alten in die neuen Bundesländer führen, werden sie im<br />
System getrennter Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen als<br />
westliche Exporte in die neuen Bundesländer und dort als Importe<br />
und Investitionen gebucht.<br />
103. Im Verlauf des Jahres <strong>1991</strong> haben sich die Bedingungen<br />
für das Investieren allerdings merklich<br />
verschlechtert. Die Auslandsnachfrage ging stärker<br />
<strong>zur</strong>ück, als dies in den Exporterwartungen des Vorjahres<br />
angenommen worden war, und die Inlandsnachfrage<br />
hat sich deutlich abgeschwächt. Die<br />
Steuer- und Abgabenerhöhungen, die in diesem Jahr<br />
in Kraft getreten sind, haben nicht nur den Anstieg der<br />
privaten Konsumnachfrage vermindert (Züfern 96 1.),<br />
sondern auch den Finanzierungsspielraum für zusätzliche<br />
Investitionen geschmälert.<br />
Auch die Rentabilitätslage der Unternehmen hat sich<br />
im Jahre <strong>1991</strong> deutlich verschlechtert. Obwohl die<br />
Gewinne als Folge hoher Umsätze absolut nochmals<br />
gestiegen sind, haben sie sich sowohl in Relation zu<br />
den Erlösen als auch in Relation zum Kapitalbestand<br />
im zweiten Jahr in Folge vermindert. Die Gewinne<br />
gerieten im Jahre <strong>1991</strong> von verschiedener Seite her<br />
unter Druck: Aufgrund stark steigender Importmengen<br />
und wieder leicht erhöhter Einfuhrpreise nahm<br />
die Einfuhrrechnung der Unternehmen erheblich zu;<br />
als Folge der anhaltend hohen Kapitalmarktzinsen<br />
hatten sie hohe Kosten für Fremdkapital, aber auch für<br />
das im Unternehmen gebundene Eigenkapital in<br />
Rechnungzu stellen; und schließlich nahmen auch die<br />
indirekten Steuern - unter anderem als Folge der<br />
Ivlineralölsteuererhöhung - schneller zu als die Erlöse.<br />
Auch die Personalkosten sind aufgrund der hohen<br />
tariflichen Lohnsteigerungen und der erhöhten<br />
Sozialbeiträge stark gestiegen. Ihr Zuwachs blieb<br />
gleichwohl leicht hinter dem Anstieg der Erlöse <strong>zur</strong>ück,<br />
weil die Unternehmen die nach wie vor hohe<br />
Nachfrage nutzten, um ihre Absatzpreise kräftig zu<br />
erhöhen und zugleich die Absatzmengen ausweiten.<br />
Nicht enthalten in der Gewinn-Erlös-Relation sind die<br />
zusätzlichen Belastungen, die den Unternehmen<br />
durch den Solidaritätszuschlag <strong>zur</strong> Einkommensteuer<br />
und Körperschaftsteuer entstanden. Er hat den Zuwachs<br />
der Gewinne nach Steuern deutlich vermindert.<br />
Der Rückgang der Gewinn-Erlös-Relation (Züfer<br />
128) muß nicht zwangsläufig mit einem gleichstarken<br />
Rückgang der Gewinnerwartungen verbunden<br />
gewesen sein, die für die Investitionsentscheidungen<br />
der Unternehmen letztlich entscheidend sind.<br />
104. Nach den Ergebnissen einer umfassenden Revision der<br />
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen vom Frühjahr <strong>1991</strong><br />
ist die Gewinnsituation der Unternehmen bei weitem nicht so<br />
positiv, wie das noch im letzten Jahr angenommen werden<br />
mußte. Die Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und<br />
Vermögen lagen im Jahre 1990 demnach bei 558 Mrd DM und<br />
nicht wie im Vorjahr von uns angenommen bei 614 Mrd DM. Die<br />
Gewinn-Erlös-Relation, die dem Sachverständigenrat <strong>zur</strong> Einschätzung<br />
der Rentabilitätsbedingungen im Unternehmensbereich<br />
dient, lag nicht bei 8 vH sondern bei 4,5 vH. Es zeigt sich,<br />
daß die Gewinn-Erlös-Relation in den siebziger Jahren stärker<br />
gesunken und in den achtziger Jahren wesentlich langsamer<br />
gestiegen ist als nach unseren früheren Berechnungen. Die in<br />
der zweiten Hälfte der achtziger Jahre viel diskutierte Hypothese,<br />
daß die Investitionen nicht in zu erwartendem Ausmaß<br />
auf die Verbesserung der Gewinnsituation reagiert hätten, läßt<br />
sich nachträglich zu einem guten Teil mit dieser Korrektur der<br />
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen begründen.<br />
105. In den einzelnen Teilbereichen der Wirtschaft<br />
hat sich die Investitionstätigkeit im Jahre <strong>1991</strong> ganz<br />
unterschiedlich entwickelt. In den stark vom Export<br />
abhängigen Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes<br />
- so vor allem in Teilen der Elektrotechnik und des<br />
Maschinenbaus - ist es zu starken Absatzeinbußen<br />
und zu Gewinneinbrüchen gekommen, die Investitionspläne<br />
für <strong>1991</strong> sind hier deutlich nach unten revidiert<br />
worden. In denjenigen Wirtschaftsbereichen, die<br />
von der Nachfrage aus den neuen Bundesländern<br />
stärker profitierten - dazu gehörten vor allem der<br />
Handel, die konsumnahen Zweige des Verarbeitenden<br />
Gewerbes, aber auch Teile der Grundstoff- und<br />
Produktionsgüterindustrie - war die Lage günstiger;<br />
die Unternehmen dieser Bereiche haben überwiegend<br />
ihre Investitionsbudgets erneut aufgestockt,<br />
wenngleich nicht mehr so ausgeprägt wie im Vorjahr.<br />
Unverändert stark war der Investitionsanstieg dagegen<br />
in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, die<br />
seit Mitte 1990 einen besonders kräftigen Anstieg der<br />
Bestellungen aus den neuen Bundesländern zu verzeichnen<br />
hatte.<br />
Das Motiv der Kapazitätserweiterung, das in den vergangenen<br />
Jahren immer wichtiger geworden war, hat<br />
im Laufe dieses Jahres für die Investoren an Bedeutung<br />
verloren. Im Anschluß an die Währungs-, Wirtschafts-<br />
und Sozialunion waren die Investitionen stark<br />
auf den Ausbau der Kapazitäten gerichtet worden.<br />
Vor allem im Verbrauchsgüter produzierenden Gewerbe<br />
hatte die Mehrnachfrage aus den neuen Bundesländern<br />
bis Anfang <strong>1991</strong> zu beträchtlichen Kapazitätsanspannungen<br />
geführt. Ivlit dem Rückgang der<br />
Nachfrage im weiteren Verlauf des Jahres nahm die<br />
Kapazitätsauslastung wieder deutlich ab. Wichtiger<br />
als ein weiterer Ausbau werden daher Rationalisierung<br />
und Modernisierung der Produktionsanlagen.<br />
106. Die Bereitschaft westdeutscher Unternehmen,<br />
im Ausland zu investieren, blieb im Jahre <strong>1991</strong> unverändert<br />
hoch. Eine größere Umlenkung der Direktinvestitionen<br />
zugunsten der Produktionsstandorte in den<br />
neuen Bundesländern ist bislang nichtzubeobachten.<br />
Ausländische Unternehmen haben sich weiterhin <strong>zur</strong>ückgehalten;<br />
nach einem kräftigen Anstieg im Jahre<br />
1989 gehen ihre Direklinvestitionen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland kontinuierlich <strong>zur</strong>ück. Offenbar<br />
sind die Investitionschancen in ihrem Urteil weder in<br />
den alten noch in den neuen Bundesländern positiv<br />
genug, um ein größeres Engagement zu rechtfertigen.<br />
107. Für das Investitionsvolumen in den alten Bundesländern<br />
wird in den kommenden Jahren zunehmend<br />
eine Rolle spielen, daß Großprojekte in den ostdeutschen<br />
Ländern anlaufen und beträchtliche Investitionssummen<br />
binden werden. Zwar hat sich die Investitionstätigkeit<br />
im westlichen Bundesgebietin den<br />
Jahren 1990 und <strong>1991</strong> aufgrund des zunehmenden<br />
Engagements der Unternehmen im Osten nicht vermindert.<br />
Das lag aber vor allem daran, daß die Investitionen<br />
in Ostdeutschland bisher vorwiegend auf die<br />
Errichtung von Vertriebsstrukturen <strong>zur</strong> Erschließung<br />
des ostdeutschen Marktes gerichtet waren, während<br />
die Produktion weitgehend aus westdeutschen Fertigungskapazitäten<br />
stammte. Komplementär zum erhöhten<br />
Absatz in den neuen Bundesländern wurde<br />
daher verstärkt in die Erweiterungwestdeutscher Produktionskapazitäten<br />
investiert.<br />
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