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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

Die Finanzpolitik hat mit dem Haushaltskompromiß<br />

vom Oktober letzten Jahres einen neuen Anlauf<br />

unternommen, das Defizit des Bundes <strong>zur</strong>ückzuführen.<br />

Gleichwohl stieg das Budgetdefizit für das Ende<br />

September abgelaufene Finanzjahr 1990/91 auf<br />

269 Mrd Dollar (in Relation zum Bruttosozialprodukt:<br />

4,9 vH) und wird, offiziellen Schätzungen zufolge,<br />

im Finanzjahr <strong>1991</strong>/<strong>92</strong> auf etwa 350 Mrd Dollar<br />

(5,8 vH des Bruttosozialprodukts) ansteigen. Insbesondere<br />

wird der Staatshaushalt von den hohen Ausgaben<br />

im Zusammenhang mit der Sanierung der<br />

Sparbanken belastet, die in den beiden letzten Haushaltsjahren<br />

etwa 100 Mrd Dollar betrugen und in den<br />

kommenden Jahren auf mehrere hundert Milliarden<br />

Dollar geschätzt werden. Die Aussichten, das Defizit<br />

des Gesamtbaushalts - wie im Budgetkompromiß<br />

vom Oktober 1990 vorgesehen - im Zeitraum bis<br />

1995 um 500 Mrd Dollar senken zu können, ist gering.<br />

Nicht nur sind die Zielvorgaben für die Entwicklung<br />

von Einnahmen und Ausgaben kaum noch einzuhalten,<br />

vielmehr scheint auch der politische Konsens<br />

über den Konsolidierungskurs zu zerbröckeln. So ist<br />

es fraglich, inwieweit das im November letzten Jahres<br />

veränderte Budgetverlahren weiterhin <strong>zur</strong> Geltung<br />

kommen wird, wonach bei den diskretionären Haushaltsposten<br />

Einsparungen in einem Bereich nicht <strong>zur</strong><br />

Finanzierung zusätzlicher Ausgaben in anderen Bereichen<br />

verwendet werden dürfen. Diese Regelung ist<br />

vor allem hinsichtlich dergeplanten Verringerung des<br />

Verteidigungsetats in der politischen Diskussion in<br />

Frage gestellt worden, da sich als Folge der Entwicklung<br />

in der Sowjetunion höhere Transferausgaben abzeichnen<br />

und im kommenden Wahljahr Abgabenerhöhungen<br />

kaum durchgesetzt werden dürften.<br />

12. In Kanada wurde die konjunkturelle Talsohle<br />

ebenfalls im Frühjahr erreicht, nachdem seit dem<br />

zweiten Quartal des letzten Jahres ein Rückgang des<br />

Sozialprodukts hingenommen werden mußte. Die Rezession<br />

war durch Arbeitskämpfe im Gefolge verteilungspolitischer<br />

Konflikte verschärft worden. Anhaltend<br />

hohe Lohnsteigerungen hatten im vergangenen<br />

Jahr die Gewinnsituation der Unternehmen verschlechtert<br />

und den Inflationsdruck erhöht. Erst mit<br />

dem kräftigen Ansteigen der Arbeitslosenquote von<br />

gut 7,5 vH Mitte 1990 bis auf 10,5 vH im Juli <strong>1991</strong><br />

nahm der Lohnkostendruck allmählich ab. Der Anstieg<br />

der Verbraucherpreise zu Beginn des Jahres<br />

ging in erster Unie auf die Einführung einer Mehrwertsteuer<br />

(Goods and Services Tax) und die Erhöhung<br />

verschiedener anderer Steuern <strong>zur</strong>ück, die beschlossen<br />

wurden, um dem konjunkturbedingten Anstieg<br />

des staatlichen Budgetdefizits entgegenzuwirken.<br />

Stimuliert durch die sinkenden kurzfristigen Zinsen,<br />

nahm die Binnennachfrage im Frühjahr wieder zu.<br />

Neben der Nachfrage nach Konsumgütern erhöhten<br />

die privaten Haushalte ihre Ausgaben im Wohnungsbau.<br />

Auch konnten die exportorientierten Unternehmen<br />

ihre lieferungen in die Vereinigten Staaten, den<br />

wichtigsten Handelspartner Kanadas, im Jahresverlauf<br />

wieder leicht ausweiten. Eingetrübt wurden die<br />

Konjunkturperspektiven durch im Spätsommer dieses<br />

Jahres erneut ausbrechende Verteilungskonflikte. Im<br />

Zuge der Konsolidierungsbemühungen hatte die Regierung<br />

einen Lohnstopp im öffentlichen Bereich verkündet,<br />

der zu Arbeitsniederlegungen der Bundesangestellten<br />

führte.<br />

Differenzierte KonjUhkturentwlcklung in Europa<br />

13. In Großbritannien hatte sich die konjunkturelle<br />

Talfahrt <strong>zur</strong> Jahreswende beschleunigt fortgesetzt;<br />

der Rückgang der gesamtwirtschaltlichen Leistung<br />

erreichte dabei das Ausmaß der Rezession 1980/81.<br />

Obwohl die Realeinkommen bis Ende 1990 gestiegen<br />

waren, ging die Konsurnnachfrage seit Mitte 1990 <strong>zur</strong>ück.<br />

Auslöser der Konsumschwäche war der steile<br />

Anstieg der Zinsen seit Mitte 1988, der die finanziellen<br />

Belastungen der privaten Haushalte <strong>zur</strong> Bedienung<br />

der hohen Verschuldung kräftig hatte ansteigen<br />

lassen und sie zu einer deutlich schlechteren Einschätzung<br />

ihrer wirtschaftlichen Situation veranlaßte.<br />

Die schwache Konsumnachfrage in diesem Jahr geht<br />

auf die deutlich höhere Arbeitslosigkeit seit Beginn<br />

<strong>1991</strong> <strong>zur</strong>ück; denn die damit verbundenen unsicheren<br />

Einkommensperspektiven haben die Haushalte veranlaßt,<br />

einen größeren Teil ihres Einkommens zu sparen.<br />

Die Unternehmen haben ihre Ausgaben für Ausrüstungen<br />

und Bauten im Jahre <strong>1991</strong> nochmals und in<br />

kräftigerem _Ausmaß reduziert. Schlechtere Absatzperspektiven<br />

und der hohe Kostendruck sind die wesentlichen<br />

Ursachen. Neben den hohen Zinszahlungen,<br />

die im Verhältnis zu den Untemebmenseinkommen<br />

im Jahre 1990 einen historischen Höchststand<br />

erreicht hatten, drückte vor allem der erst in der zweiten<br />

JahresbäUte nachlassende Lohnkostenanstieg auf<br />

die Unternehmensgewinne. Die Unternehmen reagierten,<br />

indem sie ihre Investitionsplanungen nach<br />

unten korrigierten und die unfreiwillig aufgebauten<br />

Lagerbestände deutlich verminderten.<br />

Mit dem Beitritt zum EWS im Oktober letzten Jahres<br />

hat sich die Regierung zu einem Kurs verpflichtet, der<br />

eine Abmilderung der inländischen Konjunkturprobleme<br />

durch Wechselkursanpassungen nur noch in<br />

weitaus geringerem Maße zuläßt. Allerdings hat die<br />

mit dem EWS-Beitritt verbundene Erwartung zunächst<br />

stabilerer Wechselkurse die Zinsen deutlich<br />

sinken lassen. Eine weitere Rückführung der kurzfristigen<br />

Zinsen wurde nach der Abwertung der D-Mark<br />

im Frühjahr möglich. Dies hat die Binnennachlrage<br />

jedoch erst allmählich beleben können.<br />

Die inländische Rezession spiegelte sich deutlich in<br />

der Außenhandelsentwicklung wider. Der Import lag<br />

dem Volumen nach unter dem Vorjahresniveau, so<br />

daß sich trotz des stagnierenden Exports die AuBenhandelsposition<br />

insgesamt verbessert hat. Die Ursachen<br />

für die Exportstagnation sind in der schwachen<br />

Nachlrageentwicklung auf dem europäischen Kontinent<br />

und in der Verschlechterung der preislichen<br />

Wettbewerbsfähigkeit der britischen Unternehmen<br />

mit der realen Höherbewertung des Pfundes seit dem<br />

EWS-Beitritt im Oktober letzten Jahres zu sehen. Dagegen<br />

konnte der Export in die Vereinigten Staaten<br />

- wohl auch durch die Aufwertung des Dollar und die<br />

Konjunkturbelebung in der zweiten Jahreshälfte<br />

ausgeweitet werden.<br />

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