Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
teilt wird. Bei beiden Ansätzen greift die Politik ein:<br />
bei der Steuerlösung durch die Festlegung des Steuersatzes,<br />
bei der Mengenlösung durch die Fixierung der<br />
zulässigen Menge.<br />
Eine Mengenlösung <strong>zur</strong> Reduzierung von CO 2 -Emissionen<br />
für Europa könnte wie folgt ausgestaltet werden.<br />
Unbefristet gültige Emissionsscheine, die auf<br />
eine bestimmte COrMenge lauten, sind <strong>zur</strong> einmaligen<br />
"Bezahlung" von Kohlendioxid-Emissionen erforderlich.<br />
Daheiist CO, ein geeigneter Anwendungsfall<br />
für Zertifikate, da Probleme räumlicher Konzentration<br />
nicht relevant sind. Die Menge der zulässigen<br />
Emissionen könnte sich zunächst an der tatsächlich<br />
emittierten Menge orientieren; die Reduzierung der<br />
COrEmissionen im Zeitverlauf erfolgt dann durch<br />
eine stetige Verknappung der Menge an Emissionsscheinen,<br />
die periodisch, beispielsweise durch Versteigerung,<br />
neu ausgegeben werden.<br />
Als Bemessungsgrundlage kann der mit COrFaktoren<br />
gewichtete Verbrauch fossiler Energieträger auf<br />
der Stufe des Imports von außerhalb der EG und der<br />
inländischen Produktion fossiler Energieträger herangezogen<br />
werden. Die Zertifikatspflicht (Erwerb und<br />
Abgabe von Emissionsscheinen an eine Kontrollbehörde<br />
im Umfang der verursachten CO 2 -Emissionen)<br />
liegt dementsprechend bei Importeuren und inländischen<br />
Produzenten fossiler Energieträger. Dabei erlaubt<br />
das System, kompensatorische Emissionsscheine<br />
an Endverbraucher auszugeben, sobald die<br />
nachgeschaltete Beseitigung von CO 2 aus Verbrennungsabgasen<br />
technisch möglich wird.<br />
Insgesamt ähnelt ein COrZertifikatsystem einer flexiblen<br />
COrSteuer auf den Verkauf fossiler Brennstoffe,<br />
wobei der Preis für begrenzt verfügbare Emissionsrechte<br />
durch den Markt bestimmt wird. Grundsätzlich<br />
ist bei einem funktionierenden System der<br />
Marktzugang nicht eingeschränkt. Dem Vorteil hoher<br />
ökologischerWirksamkeit - mit der Zertifikatslösung<br />
läßt sich die gewollte COrEmissionsminderung vorab<br />
bestimmen - steht der Nachteil gegenüber, daß die<br />
Unternehmen in ihrem Investitionskalkül mit variablen<br />
Preisen für COrEmissionsrechte rechnen müßten.<br />
Dies kann sich insbesondere bei den langfristigen<br />
Investitionen im Energiebereich negativ auswirken.<br />
Zwar liegen über Zertifik.atsysteme noch keine Erfahrungen<br />
vorj auch müssen organisatorische Bedingungen<br />
für die Umsetzung erfüllt werden. Grundsätzlich<br />
sollte ein Zertifikatsystem jedoch bei der Konzipierung<br />
einer Politik für den neuen Problembereich der<br />
Kohlendioxidemission in die Diskussion einbezogen<br />
werden.<br />
415. Im Zusammenhang mit der Vollendung des<br />
Binnenmarktes ist durch den verstärkten Güteraustausch,<br />
aber auch durch die größere Mobilität der<br />
Menschen eine Intensivierung der Verkehrsströme zu<br />
erwarten. Dies gilt etwa für den Luftverkehr, aber<br />
auch für den Straßenverkehr, der sich insbesondere<br />
entlang der großen Verkehrsachsen verdichten wird.<br />
Hier besteht die wirtschaftspolitische Aufgabe in den<br />
nächsten Jahren darin, die volkswirtschaftlichen Kosten<br />
des Verkehrs, und zwar sowohl die Umweltkosten<br />
wie aber auch die Infrastruktur- und Verdich-<br />
tungskosten, dem einzelnen Verkehrsteilnehmer anzulasten.<br />
Dabei sind in der Zukunft neue technische<br />
Verfahren für die Zuweisung der Verkehrskosten und<br />
neue institutionelle Regelungen des Verkehrswesens<br />
zu entwickeln. Der Ausweis der durch den Verkehr,<br />
also durch mobile Emissionsquellen, bedingten Umweltkosten<br />
ist hier ein wichtiger Beitrag.<br />
416. Bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen<br />
aus stationären Quellen wie bei der Schadstoffdiffusion<br />
durch die Luft oder durch Gewässer steht eine<br />
überzeugende institutionelle Regelung, die den<br />
Schadstofftransfer an der Grenze im Sinne des Verursacherprinzips<br />
oder im Sinne des K9mpensationsprinzips<br />
festlegt, in Europa noch aus. Eine solche Regelung,<br />
die den zulässigen Schadstofftransport von einem<br />
Land in ein anderes begrenzt, würde zu einer<br />
Dezentralisierung der Umweltpolitik mit eindeutigen<br />
nationalen Verantwortlichkeiten beitragen; dies wäre<br />
mit der föderativen Struktur der Europäischen Gemeinschaft<br />
konsistent. Statt dessen verfolgt die Umweltpolitik<br />
der Europäischen Gemeinschaft die Strategie,<br />
die Schadstoffe in allen Ländern relativ einheitlich<br />
zu verringern. Dadurch reduziert sich als Sekundäreffekt<br />
auch der grenzüberschreitende Schadstofftransport.<br />
Allerdings ist dieser Ansatz deshalb nicht<br />
effizient, weil die Vermeidung von Schadstoffen nicht<br />
an der kostengünstigsten Stelle erfolgt. Das vorherrschend<br />
angewandte Instrument ist die Uzenzierung<br />
neuer Anlagen, die dem Stand der Technik entsprechen<br />
müssen. Das Problem dieses regulierenden Ansatzes<br />
besteht darin, daß er relativ wenig Anreize enthält,<br />
dezentral neue Technologien zu finden. Im übrigen<br />
hat er andere verzerrende Wirkungen, wie die<br />
Begünstigung der sogenannten "end of the pipe"_<br />
Technologie (JG 89 Ziffern 280 1.). Nicht zuletzt ist es<br />
in hohem Maße ineffizient, den Stand der Entsorgungstechnologie<br />
europaweit zu definieren.<br />
417. Grundsätzlich hat Umweltpolitik die Aufgabe,<br />
den Marktteilnehmem die Umweltknappheit zu signalisieren;<br />
ihre Grundlinie sollte es sein, wenn immer<br />
möglich rnarktwirtschaftliche Instrumente <strong>zur</strong><br />
Erreichung ökologischer Zielsetzungen einzusetzen<br />
(JG 83 Ziffer 506). Regulierungen, die in manchen<br />
Bereichen erforderlich sein werden, wie etwa Produktnormen<br />
für Automobile, bedingen in einem gemeinsamen<br />
Markt in der Regel eine Harmonisierung,<br />
denn unterschiedliche nationale Regulierungen<br />
- etwa unterschiedliche nationale Produktnormen <br />
würden oft eine Segmentierung der nationalen<br />
Märkte mit sich bringen, die durch den Binnenmarkt<br />
gerade überwunden werden soll. Dagegen schotten<br />
Knappheitspreise für Schadstoffe, wenn man sie<br />
durch geeignete institutionelle Regeln signalisieren<br />
kann, Märkte nicht ab; sie sind deshalb mit einem<br />
Binnenmarkt konsistent. Solche Preise für Schadstoffe<br />
können räumlich in Europa durchaus differieren, ähnlich<br />
wie die Preise für andere immobile Güter wie<br />
Land sich zwischen Regionen unterscheiden. Denn<br />
Umweltknappheiten können in verschiedenen Ländern,<br />
beispielsweise in dicht und weniger dicht besiedelten,<br />
durchaus unterschiedlich sein. Die Vollendung<br />
des Binnenmarktes verstärkt also die Notwendigkeit,<br />
neue Formen wirtschaftlicher Anreize in der<br />
Umweltpolitik zu entwickeln.<br />
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