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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

ZWEITES KAPITEL<br />

Zur voraussichtlichen Entwicklung im Jahre 19<strong>92</strong><br />

I. Die Ausgangslage<br />

218. Auf dem Wege <strong>zur</strong> wirtschdftlichen Einheit sind<br />

heide Teile Deutschlands ein gutes Stück vorangekommen,<br />

aber noch ist das Ziel fern. Der Aufbau einer<br />

Dellen Wirtschaftsbasis in Ostdeutschland hat gerade<br />

erst begonnen. Die großen Unterschiede in der Leistungskraft<br />

werden auch in den kommenden Jahren<br />

das wirtschaftliche Bild im vereinten Deutschland prägen.<br />

219. Damit die ostdeutsC'he Wirtschaft aufschließen<br />

kann, muß die Wirtschaft im westlichen Teil Deutschlands<br />

in guter Verfassung bleiben. Ob das in nächster<br />

Zeit noch so sein wird, ist keineswegs gewiß. Die konjunkturelle<br />

Expansion, die ihre Kraft in den letzten<br />

anderthalb Jahren aus der deutschen Vereinigung bezog,<br />

verliert an Tempo und Breite. Die Wirkungsrichtung<br />

des enormen Finanztransfers kehrt sich allmählich<br />

um; Der Nachfragesog aus Ostdeutschland, der in<br />

Westdeutschland bislang für mehr Produktion und<br />

Beschäftigung sorgt, wird schwächer; dafür werden<br />

die Belastungen durch höhen~ Steuprn und Zinsen<br />

spürbar. Zu dem kommen starkt-~ inflatorische Verspannungen.<br />

Sie rühren von einer Lohnpolitik und<br />

einer Finanzpolitik her, die Kostendruck erzeugen<br />

und die den Konflikt mit der Geldpolitik provozieren.<br />

Das alles mindert die Chancen und erhöht die Risiken<br />

für die wirtschaftliche Entwicklung im nächsten<br />

Jahr.<br />

220. Die westdeutsche Wirtschaft ist im Verlauf des<br />

Jahres <strong>1991</strong> auf einen flacheren Expansionspfad eingeschwenkt;<br />

ob sich dieser weiter abflacht oder oh er<br />

wieder ansteigt, darüber ist noch nicht entschieden.<br />

Das wird nicht zuletzt davon abhängen, welche Weichen<br />

für die Finanzpolitik und dü~ Lohnpolitik für das<br />

nächste Jahr gestellt werden.<br />

221. Wie im letzten Jahr bereitpt uns die schwierige<br />

Datenlage große Probleme. Die statistische [nformationsbasis<br />

in den neuen Bundesländern ist weiterhin<br />

sehr schmal. Zudem ist auch ein Teil der stdtlstischen<br />

Informationen, die für die alten Bundesländer vorliegen,<br />

nicht mehr eindeutig geographisch zuzuordnen.<br />

Denn die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischpn<br />

den aUen und neuen Bundesländern werdpIl zunehmend<br />

enger. So schließt der Umsatz des westdeutsehen<br />

Einzelhandels auch Käufe von Kunden nut<br />

Wohnsitz in Ostdeutschland ein, ohne ddß ps mÖ9lich<br />

wäre, diese Käufe von denen der westdeutschen Bevölkerung<br />

zu trennen.<br />

Die schwierige Datenlage ist auch der Crund ddtür,<br />

daß es bislang noch keine vollständigen amtlichen<br />

Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das<br />

vereinte Deutschland gibt. Die Volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtrechnungen bLlden die stdtistischp Basis tür<br />

die Prognose. Sie ermöglichen es, die ProurlOse{~r(Jebnisse<br />

dem notwendigen Konsistenztest zu unterziehen,<br />

also zu prüfen, ob sie widerspruchsfrei sind. Das<br />

ist derzeit nur für den Gebietsstand der alten Bundesländer<br />

möglich, für das Gebiet der neuen Bundesländer<br />

fehlen noch wichtige Ausgangsdaten für die Prognoserechnung.<br />

Das zwingt uns zu Kompromissen.<br />

Unsere Prognose hat zwar das vereinte Deutschland<br />

im Blick, aber eine geschlossene Prognoserechnungin<br />

Form Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen können<br />

wir nur für Westdeutschland vorlegen. Für Ostdeutschland<br />

beschränken wir uns auf den Ausweis<br />

einiger zentraler Größen.<br />

222. Bevor wir uns mit den Perspektiven für die<br />

deutsche Wirtschaft beschäftigen, ist es notwendig,<br />

das Umfeld zu beschreiben, in dem sie sich im nächsten<br />

Jahr voraussichtlich bewegen wird. Wir fragen<br />

zunächst, welchen Kurs im Ausland und im Inland die<br />

Wirtschaftspolitik und die Lohnpolitik einschlagen<br />

werden, und wie sich - teilweise als Reaktion darauf<br />

- die Konjunktur in diesen Ländern entwickeln. wird.<br />

Denn davon wird es maßgeblich abhängen, ob die<br />

deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr wieder auf einen<br />

steileren Expansionspfad kommen kann.<br />

11. Die Annahmen der Prognose<br />

223. Die wirtschaftliche Entwicklung im nächsten<br />

.Jahr ist erst zum Teil durch schon getroffene Entscheidungen<br />

festgelegt. Die Prognose muß deshalb mit Annahmen<br />

arbeiten, und sie muß diese Annahmen offenlegen<br />

und begründen. Nur so ist sie für Außenstehende<br />

nachvollziehbar. Zu den Annahmen der Prognose<br />

gehört vor allem eine Setzung für den Kurs, den<br />

die Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik und in<br />

anderen wichtigen Partnerländern voraussichtlich<br />

einschlagen wird. Zu der Zeit, in der wir die Prognose<br />

erarbeiten, gibt es darüber keine vollständigen Informationen.<br />

Ausgangspunkt ist dann für uns das, was<br />

diese bis jetzt <strong>zur</strong> Leitlinie ihrer Politik gemacht haben.<br />

Im einzelnen legen wir der Prognose folgendes zugrunde:<br />

Die Geldpolitik wird in den meisten Ländern ihren<br />

monetären Kurs mit Rücksicht auf die noch schwache<br />

Konjunktur weiter lockern. Sie kann das auch,<br />

weil die Gefahr einer Inflationsbeschleunigung<br />

gegenwärtig nicht besteht. In den Vereinigten<br />

Staaten wird die Notenbank die Federal Funds<br />

Rate niedrig halten. Die Notenbanken der meisten<br />

Industrieländer werden Chancen zu weiteren<br />

Zinssenkungen nutzen. Wir gehen davon aus, daß<br />

die Bundesbank auf ihrem Stabilitätskurs bleiben<br />

wird. Dazu würde passen, daß sie sich wieder ein<br />

Geldmengenziel setzt, das einer Ausweitung der<br />

Zentralbankgeldmenge um 51f2 vH entspricht (Zif-<br />

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