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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

getragen; der tvlangel an Devisen zwang die Unternehmen<br />

nach der Auflösung der staatlichen Außenhanrlelsorganisationen<br />

und dem Übergang zu Weltmarktpreisen<br />

<strong>zur</strong> Aufgabe früherer Lieferbeziehungen.<br />

Als weiteres Problem erwies sich die Arbeitsteilung<br />

zwischen den einstigen RGW-Staaten, die durch<br />

übennäßig weit vorangetriebene Spezialisierung in<br />

der Produktion einen hohen Grad an Abhängigkeit<br />

zwischen den ehemaligen :tvIitgliedstaaten des Rates<br />

für Gegenseitige Wirtschaftshilfe entstehen ließ. Dies<br />

hat dazu geführt, daß sich der Ausfall an Nachfrage<br />

über alle osteuropäischen Länder ausbreitete und die<br />

Effekte sich dabei gegenseitig verstärkten.<br />

Gleichzeitig kam es zu einem massiven Rückgang der<br />

Binnennachfrage in den einzelnen Ländern. Die privaten<br />

Haushalte sahen sich wegen der deutlich hinter<br />

dem Anstieg der Verbraucherpreise <strong>zur</strong>ückbleibenden<br />

Lohnsteigerungen zu Einschränkungen bei ihren<br />

Konsumgüterkäufen gezwungen, und die staatseigenen<br />

Unternehmen verzichteten angesichts pessimistischer<br />

Zukunftserwartungen und sich abzeichnender<br />

Uqlliditätsengpässe vielfach auf die Durchführung<br />

notwendiger Investitionen. Zudem hat auch der Staat<br />

<strong>zur</strong> Konsolidierung der öffentlichen Haushalte seine<br />

Ausgaben reduziert. Der durch den Einbruch im Außenhandel<br />

ausgelöste Abschwungsprozeß hat sich<br />

durch den Zusammenbruch der Binnennachfrage<br />

weiter verstärkt.<br />

Daneben stiegen in diesem Jahr die Verbraucherpreise<br />

in allen Ländern erneut kräftig an. Die teilweise<br />

exorbitant hohen Preissteigerungsraten waren dabei<br />

wenigstens zu einem Teil Folge der in allen Ländern<br />

durchgeführten Refonn der Preisbildungsprozesse.<br />

Soweit bereits weUbewerbliche Strukturen hergestellt<br />

sind, spiegeln sie die notwendige Anpassung der<br />

zuvor politisch festgelegten Güterpreise an die tatsächlichen<br />

Knappheitsrelationen wider. Allerdings<br />

sind die staatlichen Unternehmen, nicht zuletzt auch<br />

wegen der Beibehaltung von Beschränkungen im Außenhandel,<br />

in vielen Bereichen'noch immer Alleinanhit:~ter,<br />

so daß die Preisanhebungen mit einiger Gewißheit<br />

höher ausgefallen sind, als dies unter WeUbewerbsbedingungen<br />

der Fall gewesen wäre. Letztlich<br />

ausschlaggebendfür die Beschleunigung der Inflation<br />

dürfte aber die in der Vergangenheit zugelassene<br />

Aufblähung der Geldbestände gewesen sein. Preiserhöhungen<br />

wurden darüber hinaus aber auch durch<br />

die Umstellung des Handels zwischen den osteuropäischen<br />

Staaten auf Weltmarktpreise ausgelöst, insbesondere<br />

in den auf die Einfuhr von Erdöl angewiesenen<br />

Volks·wirtschaften. Schließlich führten auch die in<br />

allen osteuropäischen Ländern vorgenommenen Abwertungen<br />

der heimischen Währungen zu Preisstelgt:~rungen.<br />

37. f\.li1.t1erweiJe sind wenigstens in einigen osteuropäischen<br />

Staaten (Polen, Ungarn, Tschechoslowakei,<br />

Bulgarien und Rumänien) einschneidende Maßnahmen<br />

<strong>zur</strong> makroökonomischen Stabilisierung ergriffen<br />

"\vorden. Die in der Regel mit Unterstützung durch den<br />

Internationalen Währungsfonds entwickelten Anpassungsprogramme<br />

umfassen eine auf rasche Rückführung<br />

der Inflationsraten gerichtete Geldpolitik und<br />

eine restriktive Finanzpolitik, um die früher meist<br />

durch Geldschöpfung gedeckten Defizite in den öffentlichen<br />

Haushalten trotz sinkender Steuereinnah~<br />

48<br />

men und kräftig steigender Sozialausgaben deutlich<br />

zu vermindern. Mit Kontrollen der Lohnentwicklung<br />

zumindest in der staatlichen Wirtschaft soll zusätzlich<br />

inflationstreibenden Lohnkostensteigerungen entgegengewirkt<br />

werden. Vor allem in Polen, aber auch in<br />

der Tschechoslowakei und in Bulgarien sind bereits<br />

erste Erfolge dieser Stabilisierungsprogramme zu verzeichnen.<br />

Allerdings wird vielfach befürchtet, daß die<br />

realwirtschaftlichen Anpassungsprobleme durch die<br />

eingeleiteten Restriktionsmaßnahmen über das notwendige<br />

Maß hinaus verschärft worden sind.<br />

Schwieriger Umbau des Wirtschaflssystems<br />

38. Weit fortgeschritten ist der Umbau des Wirtschaftssystems<br />

in Polen, Ungarn und der Tscbecboslowakei,<br />

die bereits frühzeitig erste RefoTTIlschritte eingeleitet<br />

hatten (Tabelle 7). Für eine Marktwirtschaft wichtige<br />

institutionelle Regelungen wurden hier mittlerweile<br />

geschaffen, häufig in Anlehnung an entsprechende<br />

Bestimmungen westlicher Länder. Wenn es<br />

auch vielen Menschen noch schwerfäUt, sich in der<br />

neuen Ordnung <strong>zur</strong>echtzufinden, gibt es doch bereits<br />

in erheblichem Umfang privatwirtschaftliche Aktivitäten.<br />

Viele haben die nunmehr gebotene Chance genutzt,<br />

sich mit einem eigenen Betrieb selbständig zu<br />

machen, sei es durch NeugfÜndung oder durch Übernahme<br />

eines ehemals staatlichen Betriebes. Vor allem<br />

im Dienstleistungsbereich sind dadurch bereits weUbewerbliche<br />

Strukturen entstanden. In der Industrie blieb<br />

demgegenüber die Monopolstellung der bestehenden<br />

Unternehmen bislang noch weitgehend erhalten; Neuund<br />

AusgrÜlldungen waren in diesem Bereich bislang<br />

eher selten. Hinzu kommt, daß der Abbau von Subventionen<br />

an die zumeist noch in Staatsbesitz befindlichen<br />

Industrieunternehmen nur langsam voranschreitet; die<br />

Schließung unrentabler Betriebe· ist zwar rechtlich<br />

möglich, scheitert jedoch häufig am Widerstand der<br />

Beschäftigten.<br />

Größere Fortschritte wurden bei der Reform der Preisbildung<br />

erzielt. In Polen obliegt die Preisgestaltung<br />

mittlerweile nahezu vollständig den Unternehmen; in<br />

Ungarn bestehen nur noch für etwa 8 vH aller Güter<br />

staatliche Preisvorgaben. In der Tschechoslowakei<br />

blieb das System staatlich regulierter Preise - wenn<br />

auch mit l\-10difikationen - wegen des un<strong>zur</strong>eichenden<br />

Wettbewerbs hingegen noch in größerem Umfang<br />

erhalten. Allerdings haben Ungarn und die<br />

Tschechoslowakei <strong>zur</strong> Inflationsbekämpfung Vorschriften<br />

über das zulässige f\.1aß der Überwälzung<br />

von Lohnkostensteigerungen in die Absatzpreise erlassen.<br />

Alle drei Länder haben zudem die Refonn der Geldund<br />

Finanzverfassung in Angriff genommen. So<br />

wurde ein zweistufiges Bankensystem geschaffen und<br />

damit der Grundstein zum Aufbau eines leistungsfähigen<br />

Kapitalmarktes gelegt. Mittlerweile ist auch der<br />

Zugriff des Staates auf Kreditlinien der Notenbank<br />

beschränkt; bisher hat allerdings nur die polnische<br />

Regierung sich für die Unabhängigkeit der Zentralbank<br />

entscheiden können. Die öffentlichen Haushalte<br />

schließlich profitierten insbesondere vom Abbau der<br />

Subventionen. Trotz Mehrausgaben im Bereich der<br />

sozialen Sicherung konnte wenigstens in Ungarn und

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