Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
Bestand an <strong>zur</strong> Geldmenge zählenden Bankverbindlichkeiten<br />
ostdeutscher Kreditinstitute seit Jahresbeginn<br />
um 19.3 vH vermindert hat.<br />
Alles in allem haben die bisherigen Portefeuilleanpassungen<br />
zwar noch nicht ausgereicht, die aus der Währungsunion<br />
resultierende Zunahme der Geldbestände<br />
auf das potentialgerechte Niveau <strong>zur</strong>ückzuführen:<br />
Während das nominale Transaktionsvolumen im gesamten<br />
Währungsgehiet im ersten Halbjahr <strong>1991</strong><br />
etwa 17 1 h vH über dem Vorjahresstand gelegen haben<br />
dürfte. übertraf die Geldmenge M3 ihren Stand<br />
vor der Währungsumstellung in Ostdeutschland noch<br />
immer um 20 vH. In einer höheren liquiditätsneigung,<br />
wie sie sich hierin ausdrückt, spiegelt sich indes<br />
vor allem die erhöhte Unsicherheit in einer Umbruchsituation.<br />
Angesiebts der schwierigen Wirtschaftslage<br />
im Osten Deutschlands wird es vielen Anlegern zu<br />
riskant erscheinen, sich durch eine langfristige, wenn<br />
auch hoch rentierliehe Kapitalanlage für mehrere<br />
Jahre zu binden. Mit fortschreitender Besserung der<br />
wirtschaftlichen Situation ist jedoch mit einer weiteren<br />
Annäherung der Kassenhaltungsgewohnheiten in<br />
den neuen Ländern an die in Westdeutschland zu<br />
rechnen.<br />
Im übrigen ist in Ostdeutschland bereits heute ein<br />
deutlicher Wandel in den Anlagegewohnheiten festzustellen,<br />
der zu erheblichen Umschichtungen zwischen<br />
den Komponenten der Geldmenge M3 selbst<br />
geführt hat. So verminderte sich nach der Umstellung<br />
der früheren Spargiroeinlagen auf Sichtkonten der<br />
Bestand an Sichteinlagen bei ostdeutschen Kreditinstituten<br />
allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres<br />
um 24,3 Mrd DM. Außerdem hoben die Anlegerim<br />
gleieben Zeitraum knapp 17 Mrd DM von ihren Sparbüchern<br />
ab. Wenigstens zum Teil wurden die dadurch<br />
frei werdenden Mittel in kürzerfristigen Termingeldem<br />
festgelegt. Der Anteil von Sichteinlagen an den<br />
<strong>zur</strong> Geldmenge M3 zählenden Bankeinlagen nahm<br />
damit von 55.8 vH im Dezember 1990 auf mittlerweile<br />
49.5 vH ab (Westdeutschland: 28.5 vH im Dezember<br />
1990), während sich der Anteil von Termineinlagen<br />
mit einer Befristung von weniger als vier Jahren im<br />
gleichen Zeitraum von 10.0 vH auf 21,6 vH erhöhte<br />
(Westdeutschland: 32,7 vH). Der Anteil von Spareinlagen<br />
ging von 34.2 vH (Westdeutschland: 38,8 vH)<br />
auf nunmehr 28,9 vH <strong>zur</strong>ück. Dies alles zeigt, daß die<br />
ostdeutschen Sparer sich bei ihren Anlageentscheidungen<br />
durchaus auch an der Höhe der Verzinsung<br />
orientierten.<br />
172. Gegen die These eines monetären Überhangs<br />
spricht weiterhin die Höhe und Struktur der Zinssätze<br />
am Geld- und Kapitalmarkt. Ein überangebot an Zentralbankgeld<br />
hätte Zinssenkungstendenzen am Tagesgeldmarkt<br />
auslösen müssen; seit Beginn der Währungsunion<br />
haben sich die Geldmarktzinsen jedoch<br />
nicht zuletzt auch wegen der Anhebung der Notenbankzinsen<br />
um etwa einen Prozentpunkt erhöht. Zudemliegen<br />
die kurzfristigen Zinssätze derzeit deutlich<br />
über den Renditen am Kapitalmarkt; auch dies ist ein<br />
Zeichen für eine eher restriktive Geldpolitik. Insbesondere<br />
kommt in einer solchen inversen Zinsstruktur<br />
zum Ausdruck. daß auch die Marktteilnehmer die aus<br />
der Ausweitung des Währungsgebietes resultierende<br />
Zunahme der Geldbestände nicht als Quelle dauerhaft<br />
höherer Inflationsraten ansehen.<br />
122<br />
Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die<br />
mit der Bildung der deutseben Währungsunion verbundene<br />
Ausweitung der Geldbestände niebt <strong>zur</strong> Begründung<br />
einer Verschärfung des geldpolitischen<br />
Kurses herangezogen werden kann.<br />
173. Unter Berücksichtigung dieser Veränderungen<br />
der Geldnachfrage ist die von der Deutschen Bundesbank<br />
im Verlauf des Jahres zugelassene Ausweitung<br />
der Geldmenge als weitgehend potentialgereebt anzusehen.<br />
In der Wirkung geheIl von der Geldpolitik<br />
damit jedoeb restriktive Impulse aus. Die Expansion<br />
der bereinigten Zentralbankgeldmenge - für die<br />
kein überhangproblem besteht - blieb mit einer Zuwachsrate<br />
von 6 vH hinter der Zunahme der nominalen<br />
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage von 7 vH <strong>zur</strong>ück.<br />
Auch die Geldmenge M3, die allerdings wegen<br />
ihrer Abhängigkeit von den Portefeuilleentscheidungen<br />
der Nichtbanken die monetäre Situation nur unvollständig<br />
beschreibt (Ziffer 167). nahm mit einer<br />
Expansionsrate von etwa 4 vH deutlich schwächer zu<br />
als das Transaktionsvolumen. Außerdem müssen Notenbankzinsen<br />
von mehr als 9 % auch im historischen<br />
Vergleich als ausgesprochen hoch gelten. Die mit der<br />
Leitzinserhöhung im August vorangetriebene weitere<br />
Verschärfung der Geldpolitik war angesichts des<br />
schon damals erreichten Restriktionsgrades also nicht<br />
erforderlich und muß eher kritisch beurteilt werden:<br />
Wenn die Geldwertstabilität in diesem Jahr verloren<br />
ging, so ist dies vor allem den starken Lohnkostensteigerungen<br />
von 5 vH und den kreditfinanzierten Mehrausgaben<br />
des Staates bei vollausgelasteten Kapazitäten<br />
zuzuschreiben. Insbesondere die Beschleunigung<br />
des Preisauftriebs <strong>zur</strong> Jahresmitte ging zudem zu einem<br />
guten Teil auf die Anhebung der Verbraucbsteuern<br />
zum 1. Juli <strong>zur</strong>ück und zeigte insoweit keinen<br />
geldpolitischen Handlungsbedarf an. Ihre Reebtfertigung<br />
fand die Leitzinserhöhung vom August diesen<br />
Jahres somit allein als stabilitätspolitisches Signal an<br />
die Adresse der Tarifparteien und des Staates. Es muß<br />
jedoeb fraglich erscheinen, ob Zinserböhungen angesichts<br />
der sich abzeichnenden Abschwächung der<br />
konjunkturellen Dynamik die angemessene Antwort<br />
auf die stabilitätspolitiseben Verfehlungen der übrigen<br />
Politikbereiche darstellen.<br />
Geldmart