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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

hende Kapitalstock ist technologisch veraltet und<br />

weitgehend verschlissen. Das vermindert die Produk·<br />

tivität des Arbeitseinsatzes und macht die meisten<br />

Arbeitsplätze unrentabel. Gerade aufgrund der hohen<br />

Kapitalknappheit und des reichlichen Arbeitskräfteangebots<br />

wird es aber in den neuen Bundesländern<br />

zahlreiche rentable Investitionsmäglichkeiten geben.<br />

Indem nach und nach in die Erneuerung des Kapitalstocks<br />

investiert und die Produktionstechnologie auf<br />

modernsten westlichen Stand gebracht wird, entstehen<br />

produktivere und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze,<br />

für die höhere Löhne bezahlt werden.<br />

12. Über die mittelfristigen Investitionsvorhaben im Unternehmensbereich<br />

liegen bislang nur Einzelinformationen aus<br />

verschiedenen Quellen vor, die wegen Überschneidungen<br />

keine präzise Abschätzung des gesamten Investitionsvolumens<br />

zulassen. In den Berei~henTelekom und Bahn sollen im Verlauf<br />

der 90er Jahre über 100 Mrd DM investiert werden. Weiterhin<br />

beabsichtigen die großen Energieversorgungsunternehmen,<br />

50 bis 60 Mrd DM zu investieren. Für den Großteil der privaten<br />

Unternehmen ist eine Schiitzung der auf mittlere Sicht geplanten<br />

Investitionen freilich kaum möglich. Hinweise gibt es allenfalls<br />

auf die Investitionsabsichten für <strong>1991</strong>; nach Schätzungen<br />

des Uo-Instituts beabsichtigen die Unternehmen, Investitionen<br />

in Höhe von knapp 18 Mrd DM vorzunehmen. Nachdem im<br />

letzten Jahr der überwiegende Teil der Investitionen auf den<br />

Vertriebsbereich gerichtet war, entfällt nunmehr etwa die Hälfte<br />

der Vorhaben auf den Fertigungsbereich.<br />

Ein weiterer Hinweis auf die Investitionsbereitschaft ergibt sich<br />

aus den Angaben der Treuhandanstalt für die ostdeutschen<br />

Unternehmen, die seit Mitte 1990 bis Ende Februar <strong>1991</strong> privatisiert<br />

wurden. Demnach planen die Erwerber dieser Unternehmen<br />

in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von etwa<br />

50 Mrd DM, von denen allein etwa 30 Mrd DM auf den Energiebereich<br />

entfallen.<br />

In welchem Umfang die Investitionsanreize des Staates private<br />

Investitionen auslösen, läßt sich nicht quantifizieren. Die bisher<br />

vorliegenden Informationen über die Inanspruchnahme staatlicher<br />

Fördermaßnahmen geben lediglich Anhaltspunkte für die<br />

Investitionsbereitschalt der so geförderten privaten Unternehmen.<br />

So sind allein im Rahmen des ERP-Programms für Existenzgründungen<br />

und Investitionen bis Ende März <strong>1991</strong> Finanzmittel<br />

von 7,5 Mrd DM zugesagt worden (Tabelle 4, Seite 267). Das<br />

dadurch ausgelöste Investitionsvolumen dürfte rund doppelt so<br />

hoch sein.<br />

13. Der zweite mittelfristig wirkende positive Faktor<br />

ist die Ausschöpfung der bisher nicht ausgenutzten<br />

Außenhandels- und Standortvorteile der neuen Bundesländer.<br />

Ostdeutschland, das bisher im Außenhandel<br />

ganz überwiegend auf die RGW-Länder ausgerichtet<br />

war, wird voll in die nationale und internationale<br />

Arbeitsteilung integriert werden und auch auf<br />

den westlichen Märkten anbieten. Ähnlich wie Westdeutschland<br />

und andere europäische Länder durch<br />

die internationale Arbeitsteilung wesentliche Gewinne<br />

aus Außenhandel und damit einen höheren<br />

Wohlstand erzielt haben, werden auch die neuenBundesländer<br />

aus der verstärkten Arbeitsteilung Vorteile<br />

ziehen. Das gilt um so mehr, als sie mit der deutschen<br />

Vereinigung Teil der Europäischen Gemeinschaft geworden<br />

sind, die sich auf dem Weg zu einem Binnenmarkt<br />

in Europa aufgemacht hat.<br />

In der öffentlichen Diskussion wird auf die Gefahr hingewiesen,<br />

die ostdeutschen Länder lediglich als möglichen<br />

Markt zu behandeln, als Absatzgebiet, das sich<br />

leicht von westdeutschen und ausländischen Kapazitäten<br />

beliefern läßt. Dies ist eine falsche Sicht. Die<br />

relevante Frage ist, was in den ostdeutschen Ländern<br />

wettbewerbsfähig produziert werden kann, und zwar<br />

nicht nur für den ostdeutschen Markt, sondern auch<br />

für den westdeutschen und den Weltmarkt. Handel<br />

unter den Industrienationen ist heute zu mehr als der<br />

Hälfte ein Austausch von ähnlichen Gütern, ein Handel<br />

im gleichen Sektor, wobei Produktqualitäten und<br />

Präferenzen der Nachfrager eine große Rolle spielen.<br />

Bei diesem Handel bedeutet der Export eines Landes<br />

nicht notwendigerweise, daß ein anderes Land ein<br />

ähnliches Produkt nicht auch exportieren kann. Die<br />

neuen Bundesländer werden an diesem intraindustriellen<br />

Austausch partizipieren. Die ostdeutsche<br />

Wirtschaft wird - um ein Beispiel zu nennen - langfristig<br />

zugleich Exporteur und Importeur von Maschinenbauerzeugnissen<br />

sein.<br />

14. Um die Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung<br />

ausschöpfen zu können, muß es gelingen, mittelfristig<br />

das Standortpotential der neuen Bundesländer<br />

<strong>zur</strong> Entfaltung zu bringen. Der wichtigste Potentialfaktor<br />

besteht im Leistungsvermögen der Menschen.<br />

Das Arbeitskräftepotential wird, sobald ein<br />

ausreichendes Angebot an Gewerbeflächen und Gewerberäumen<br />

<strong>zur</strong> Verfügung steht und die ärgsten<br />

Mängel in der Infrastruktur beseitigt sind, für viele<br />

Produktionsuntemehmen ein ausschlaggebender<br />

Standortvorteil werden. Grundsätzlich sind in den<br />

neuen Bundesländern ausreichend Gewerbeflächen<br />

vorhanden. Es wird allerdings vom Tempo der Privatisierung<br />

und Reprivatisierung abhängen, in welchem<br />

Umfang sie bereitgestellt und wann sie infolgedessen<br />

zu knappheitsgerechten Marktpreisen bewertet werden.<br />

Zur Zeit sind Gewerbeflächen noch nicht in ausreichendem<br />

Umfang verfügbar, weil administrative<br />

und rechtliche Probleme einer Freigabe zum Verkauf<br />

entgegenstehen. Durch das künstlich knapp gehaltene<br />

Angebot steigt der Preis, und das mindert die<br />

Attraktivität des Investitionsstandortes.<br />

Für die unternehmerische Standortentscheidung<br />

spielt die Qualität der Infrastruktur eine wichtige<br />

Rolle. Hierliegt noch vieles im argen. Mittelfristig und<br />

langfristig könnte aber gerade die Qualität der Infrastruktur<br />

zu einem Standortvorteil einzelner Regionen<br />

werden. Bei der erforderlichen grundlegenden Sanierung<br />

der Infrastruktur können nämlich modernste<br />

Technologien <strong>zur</strong> Anwendung kommen, und die Konzipierung<br />

kann auf heutige Ansprüche zugeschnitten<br />

werden.<br />

Im Verkehrs- und Telekommunikationsbereich sind beträchtliche<br />

Investitionen in der Planung, und erste InvestitioIlHVorhaben<br />

werden bereits in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Vor<br />

allem im Verkehrsbereich ist vorgesehen, das herkömmliche<br />

Planungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, (1amit<br />

die Investitionsvorhaben auch zügig umgesetzt werden können.<br />

Die Erschließung von Gewerbe/lächen und derAusbau der<br />

wirtschaftsnahen Infrastruktur durch die Gemeinden werden<br />

mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe " Verbesserung der<br />

regionalen Wirtschaltsstruktur" und mit Mitteln aus dem Kommunalkreditprogramm<br />

gefördert. Die bisher rege Inanspruch~<br />

nahme dieser Mittel deutet darauf hin, daß sich auch in diesen<br />

Bereichen die Bedingungen privaten Investierens bald zum<br />

Besseren kehren werden (Tabelle 4, Seite 267).<br />

15. Mit der Einführung der marktwirtschaftlichen<br />

Ordnung sind die Voraussetzungen für ein effizientes<br />

Wirtschaften in den neuen Bundesländern geschaffen<br />

worden. Freilich braucht es seine Zeit, bis sich die<br />

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