Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
lichen die vollständige Auslagerung der Erstellung<br />
und des Betriebs an Private, an privatwirtschaftlich<br />
organisierte Gesellschaften und die Auslagerung lediglich<br />
der Erstellung der Infrastruktur.<br />
465. Bei einer Privatisierung der Erstellung und des<br />
Betriebs lagert der Staat eine bisher von ihm wahrgenommene<br />
Aufgabe aus seinem Bereich aus. Damit<br />
sind grundsätzlich eine Reihe von Vorteilen verbunden.<br />
Einmal erfolgt die Finanzierung außerhalb der<br />
öffentlichen Haushalte. Ein weiterer Aspekt ist die<br />
Zeiterspamis durch die Finanzierung außerhalb der<br />
budgetären Prozesse. Ferner ist ein wichtiger Vorteil,<br />
daß ein privates Management stärkere Anreize <strong>zur</strong><br />
Kostensenkung hat und - wenn die Genehmigungen<br />
einmal vorliegen - auch zeitlich straffer in der<br />
Planung der Vorhaben und in der Durchführung der<br />
Investitionen arheitet (JG 90 Ziffern 58911.).<br />
Eine solche Auslagerung an Private kann Entscheidungen<br />
aus dem politischen Prozeß an den Markt<br />
abgeben, wie etwa bei einer Privatisierung bestimmter<br />
Telekommunikationsdienstei in anderen Fällen<br />
bleiben politische Grundsatzentscheidungen über die<br />
anzubietende Infrastnlktur, etwa über ein ein<strong>zur</strong>ichtendes<br />
Gewerbegebiet, erforderlich. Eine wichtige<br />
Voraussetzung für die vollständige Auslagerung an<br />
Private ist allerdings, daß die Infrastrukturanbieter im<br />
Wettbewerb stehen, also nicht AIleinanbieter sind,<br />
und der Wettbewerb das Preisgebaren der privaten<br />
Anbieter kontrolliert.<br />
Beispiele für eine solche Verlagerung sind die in den<br />
neuen Bundesländern bereits praktizierte Zulassung<br />
von Spezialnetzen (Satellitennetzen) und die Erweiterung<br />
der lizenz für den privaten Anbieter im zellularen<br />
Mobilfunk. Eine grundlegendere Frage wäre ein<br />
Netzwettbewerb durch konkurrierende Netzbetreiber,<br />
für den sich die Monopolkommission in ihrem<br />
Sondergutachten <strong>zur</strong> Neuordnung der Telekommunikation<br />
sowohl für die Fernnetze wie für den Ortsnetzbereich<br />
ausspricht. Sie verweist dabei auf die positiven<br />
Erfahrungen, die bedeutende Konkurrenten der<br />
Bundesrepublik - USA, Japan und Großbritannien <br />
mit wettbewerblieh betriebenen stationären Femsprechnetzen<br />
gemacht haben. Wichtig ist, daß bei einer<br />
solchen Lösung die infrastrukturelle Versorgungsaufgabe<br />
beachtet wird. Auch für die Bereitstellung<br />
spezieller Eisenbahnstrecken, etwa einer Hochgeschwindigkeitsstrecke,<br />
die mit dem Luftverkehr und<br />
der Eisenbahn im Wettbewerb steht, kommen grundsätzlich<br />
private Anbieter in Frage.<br />
466. Wenn ein Privater durch die Auslagerung Alleinanbieter<br />
wird, ist der Wettbewerb als Kontrollmechanismus<br />
ausgeschaltet. In diesem Fall müssen das<br />
Preisgebaren des Anbieters und die Qualität der Leistung<br />
reguliert werden. Hier wird also staatliches Mitwirken<br />
in einer anderen Form erforderlich. Dies ist für<br />
Betreibermodelle typisch, bei denen eine private Gesellschaft<br />
eine Konzession für den Bau und den eigenständigen<br />
Betrieb eines Infrastrukturangebots erhält<br />
und die Kosten durch Benutzungspreise deckt. Die<br />
entsprechende Konzession sollte zeitlich begrenzt<br />
sein; sie sollte im Wege der öffentlichen Ausschreibung<br />
vergeben werden, um den kostengünstigsten<br />
Anbieter zu ermitteln. Betreibermodelle kommen<br />
etwa ün Telekommunikationsbereich in Frage, wenn<br />
man sich nicht tür einen Netzwettbewerb entscheidet.<br />
Dabei sollten Möglichkeiten <strong>zur</strong> stärkeren Privatisierung<br />
wie etwa der private Betrieb eines Teil- oder<br />
Ortsnetzes im Auftrag der Deutschen Bundespost<br />
Telekom und die Privatisierung lokaler Netzbetriebe<br />
genutzt werden. Hier ist auch an Pilot-Projekte zu<br />
denken.<br />
Weitere Anwendungsmöglichkeiten bestehen insbesondere<br />
auf der kommunalen Ebene bei der Elektrizitäts-,<br />
Gas- und Wasserversorgung, aber auch im Entsorgungsbereich,<br />
etwa beim Bau von Klärwerken (JG<br />
90 Ziffer 573). Die für solche Betreibennodelle erforderliche<br />
vertragliche Gestaltung, in der komplexe Anreizstrukturen<br />
zu definieren sind, wird für die Gemeinden<br />
in der Regel nicht einfach sein. Sie orientieren<br />
sich an westdeutschen Kommunen, von denen die<br />
meisten den Weg der Betreibermodelle noch nicht<br />
gegangen sind. Wichtig wäre deshalb die Hilfestellung<br />
der Landesregierungen bei der Ausgestaltung<br />
der Verträge und der öffentlichen Vergabeverfahren.<br />
Durch Betreibermodelle kann man testen, ob Private<br />
kostengünstiger anbieten können. Betreibermodelle<br />
verhindern aber auch den Querverbund. Den Gemeinden<br />
in den neuen Bundesländern steht bei der<br />
Versorgung mit Strom, Gas und Fernwärme das Wegerecht<br />
ab 19<strong>92</strong> in vollem Umfang ZUi sie haben großes<br />
Interesse, die lokale Verteilung und teilweise auch<br />
die Produktion selbst zu übernehmen und in eigenen<br />
Stadtwerken durchzuführen, um sich auf diese Weise<br />
eine kommunale Einnahmequelle zu erschließen.<br />
Hier spielt der Wunsch eine Rolle, über hohe Stromtarite<br />
im Wege des Querverhunds die Finanzierung anderer<br />
Bereiche, etwa des öffentlichen Personennahverkehrs<br />
und der Abfallbeseitigung, zu ermöglichen.<br />
Eine solche Entwicklung ist aus allokativer Sicht bedenklich,<br />
da den einzelnen Bereichen ihre volkswirtschaftlichen<br />
Kosten nicht eindeutig zugewiesen werden.<br />
Es sollte darauf hingewirktwerden, daß imWege<br />
der Ausschreibung ermittelt wird, ob private Anbieter<br />
kostengünstiger sind als kommunale Regiebetriebe.<br />
467. Bei der Frage, ob Anbieter im Infrastrukturbereich<br />
dem Wettbewerb ausgesetzt sind, hängt sehr<br />
vieles von den derzeit gegebenen und sich abzeichnenden<br />
neuen institutionellen Regelungen ab. So<br />
wäre eine Trennung von Infrastruktur- und Betriebsgesellschaften<br />
etwa beim Schienenverkehr eine institutionelle<br />
Innovation, die einen Wettbewerb unter den<br />
Betriebsgesellschaften erlauben würde. Die Infrastrukturgesellschaftist<br />
dabei für die Bereitstellung der<br />
Infrastruktur verantwortlichi sie deckt ihre Kosten aus<br />
den Preisen, die die Betriebsgesellschaften für die<br />
Nutzung der Infrastruktur zahlen. Grundsätzlich<br />
sollte eine solche Option für die neuen Bundesländer<br />
weiter verfolgt werden, allerding:;; würden die Realisierungschancen<br />
größer sein, wenn auch in Westdeutschland<br />
die Trennung zwischen Infrastrukturund<br />
Betriebsgesellschaften durchgeführt würde. Zu<br />
bedenken ist auch, daß sich ein neuer ordnungsrechtlicher<br />
Rahmen für den Energie- und Verkehrsbereich<br />
infolge der Uberalisierung bei der Vollendung des<br />
Binnenmarktes abzeichnet.<br />
223