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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618<br />

Deutscher Bundestag ~ 12. Wahlperiode<br />

[mmerrnn ist man bei der Privatisierung, beim Aufbau<br />

einer funktionsfähigen Verwaltung und bei der Sanierung<br />

der Infrastruktur ein Stück weit vorangekommen.<br />

Das hat die Investitionsbereitschaft gestärkt und<br />

die Bedingungen für die Umsetzung bereits geplanter<br />

Investitionsprojekte verbessert. Für die Stabilisierung<br />

der wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland war dies<br />

von entscheidender Bedeutung.<br />

60. Trotz steigender Investitionsbereitschaft mußten<br />

auch im Jahre <strong>1991</strong> weit mehr alte, unrentable Arbeitsplätze<br />

aufgegeben werden, als neue geschaffen<br />

wurden. Die Beschäftigung ging im Jahresdurchschnitt<br />

in allen großen Wirtschaftsbereichen <strong>zur</strong>ück,<br />

und im Jahresverlauf haben lediglich die Dienstleistungsuntemehmen<br />

und die Bauwirtschaft ihre Personalbestände<br />

gehalten oder leicht aufgestockt. Am<br />

stärksten waren die Beschäftigungseinbußen im Verarbeitenden<br />

Gewerbe. Obwohl sich in den letzten heiden<br />

Jahren insgesamt 375000 Menschen zusätzlich<br />

für eine selbständige Tätigkeit entschieden haben,<br />

lag die Gesamtzahl an Erwerbstätigen, die auch öffentlich<br />

geförderte Beschäftigungsverhältnisse im<br />

Rahmen der Kurzarbeit und der Arbeitsbeschaffung<br />

enthält, im Jahre <strong>1991</strong> um 1,7 l\.1.illionen unter dem<br />

Stand von 1990 und um 2,6 Millionen unter dem Stand<br />

von 1989.<br />

Der ohnedies schon hohe Anpassungsdruck auf die<br />

Unternehmen wurde durch massive Lohnsteigerungen<br />

weiter verstärkt. Seit April 1990 sind die Bruttomonatsverdienste,<br />

damals noch in Mark der DDR berechnet,<br />

um rund 65 vH gestiegen. Gewiß hätten sich<br />

auch bei niedrigeren Lohnsteigerungen bei weitem<br />

nicht alle Arbeitsplätze halten lassen. Die Rationalisierung<br />

erforderte zunächst die Reduzierung überhöhter<br />

Personalbestände. Außerdem hätten viele Produktlinien<br />

auch bei geringeren Lohnsteigerungen<br />

aufgegeben werden müssen, weil sie im Qualitätswettbewerb<br />

mit westlichen Produkten chancenlos waren.<br />

Für den Großteil der Treuhanduntemehmen, die<br />

nicht stillgelegt, sondern privatisiert werden sollen,<br />

haben die kräftigen Lohnsteigerungen den Zwang <strong>zur</strong><br />

Freisetzung von Arbeitskräften allerdings erheblich<br />

verstärkt. Auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze<br />

durch Neugründung von Unternehmen dürfte durch<br />

den in diesem Jahr eingeschlagenen Kurs der Lohnpolitik<br />

beeinträchtigt worden sein.<br />

Der massive Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente<br />

hat <strong>zur</strong> Entstehung eines zweiten Arbeitsmarktes<br />

geführt. Von den am Jahresende noch vorhandenen<br />

6,8 Millionen Arbeitsplätzen wurden durch<br />

arbeitsmarktpolitische Maßnahmen knapp 1,6 Millionen<br />

gefördert, davon erhielten rund 1,2 :rvwJ.ionen Beschäftigte<br />

Kurzarbeitergeid, und 360 000 Personen<br />

waren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Eine nicht<br />

bekannte Anzahl von Arbeitsplätzen schließlich wird<br />

dadurch erhalten, daß der Staat Unternehmen in verschiedenen<br />

Formen subventioniert. Der Rückgang der<br />

Erwerbstätigkeit, der sich von Ende 1990 bis Ende<br />

<strong>1991</strong> auf knapp 1,2 Millionen Personen belief, führte<br />

aber nicht in gleichem Umfang zu einem Anstieg der<br />

Arbeitslosigkeit. Da im Laufe des Jahres zusammengenommen<br />

rund 700 000 Personen in den alten Bundesländern<br />

eine Arbeit fanden, vorzeitig in den Ruhestand<br />

gingen oder ihre Beschäftigung zugunsten einer<br />

Fortbildung aufgaben, stieg die registrierte Arbeitslo-<br />

sigkeit lediglich um 500 000 auf knapp 1,1 Millionen<br />

Personen an. Diese Zahl ist weitaus geringer, als noch<br />

vor einem Jahr abzusehen war; sie spiegelt das Ausmaß<br />

des Beschäftigungsproblems der ostdeutschen<br />

Wirtschaft aber nur unvollkommen wider.<br />

61. Die fInanzpolItIsche Entwicklung des Jahres<br />

<strong>1991</strong> stand im Zeichen eines sprunghaften Ausgabenanstiegs<br />

und zunehmender öffentlicher Finanzierungsdefizite.<br />

Die Mehrausgaben entstanden zum<br />

Teil durch höhere Übertragungen der Bundesrepublik<br />

in das Ausland. Ausschlaggebend waren aber die hohen<br />

Leistungen an die privaten Haushalte, die Unternehmen<br />

und die Gebietskörperschaften in den neuen<br />

Bundesländern, die sich insgesamt auf 113 Mrd DM<br />

beliefen. Die Ausgaben der neuen Länder und Gemeinden<br />

sind, je Einwohner gerechnet, bereits auf<br />

91 1 12 vH der Pro-Kopf-Ausgaben der westlichen Gebietskörperschaften<br />

angestiegen, während ihre Steuereinnahmen<br />

weit dahinter <strong>zur</strong>ückblieben. Das hohe<br />

Ausgabenniveau wurzelte zum Teil darin, daß den<br />

östlichen Gebietskörperschaften im Einigungsvertrag<br />

verschiedene Sonderbelastungen - etwa Subventionen<br />

für Energie, Verkehr, Mieten und die landwirtschaft<br />

- auferlegt wurden. Darüber hinaus waren die<br />

öffentlichen Sachinvestitionen je Einwohner etwas<br />

höher als in Westdeutschland, obwohl sie aufgrund<br />

von Engpässen in der öffentlichen Verwaltung hinter<br />

den Planansätzen <strong>zur</strong>ückblieben.<br />

Nur ein geringer Teil der für die neuen Bundesländer<br />

benötigten Mittel wurde über Ausgabeneinsparungen<br />

an anderer Stelle freigesetzt. In den westlichen<br />

Ländern und Gemeinden stiegen die Ausgaben mit<br />

weiterhin hohem Tempo an. Auf Bundesebene konnten<br />

zwar einzelne Ausgabenkürzungen bewirkt werden.<br />

Sie blieben aber weit hinter dem Erforderlichen<br />

<strong>zur</strong>ück. Statt dessen wurden Steuern und Abgaben<br />

erhöht, um einen noch stärkeren Anstieg der öffentlichen<br />

Haushaltsdefizite zu verhindern. Damit wich die<br />

Finanzpolitik von den Ankündigungen des Jahres<br />

1990 ab, auf Steuererhöhungen verzichten zu wollen.<br />

Dieser Kurswechsel führte dazu, daß die Finanzpolitik<br />

in der Bevölkerung und der Wirtschaft an Glaubwürdigkeit<br />

verlor. Die hohen Haushaltsdefizite werden<br />

zunehmend als ein Risiko für die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung<br />

betrachtet.<br />

62. Eine auf expansivem Kurs befindliche Finanzpolitik,<br />

tarilliche Lohnsteigerungen von nahezu 7 vH<br />

und - mit beidem verbunden - Preisniveausteigerungen<br />

von zeitweise über 4 vH haben in diesem Jahr<br />

den Handlungsrahmen der GeldpolItIk bestimm!. Die<br />

Bundesbank hat sich <strong>zur</strong> Abwehr der Gefahren für die<br />

innere und äußere Stabilität der D-Mark für die Beibehaltung<br />

einer Geldpolitik mit vorangekündigtem<br />

und am Produktionspotential orientierten Ge1

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