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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

240. Wir haben versucht, uns ein Bild zu machen, wo<br />

die Schwerpunkte der Investitionsdynamik im nächsten<br />

Jahr voraussichtlich liegen werden:<br />

In den alten Bundesländern sehen wir sie in erster<br />

Unie bei den Dienstleistungsunternehmen im engeren<br />

Sinne, die ihre Investitionsbudgets erneut<br />

kräftig aufstocken wollen, gefolgt - mit großem<br />

Abstand - vom Baugewerbe und vom Handel. Die<br />

Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe dagegen<br />

sehen für das nächste Jabe so gut wie keine<br />

zusätzlichen Investitionen vor. Beim Staat zeichnen<br />

sich sogar Kürzungen in den Investitionshaushalten<br />

ab.<br />

In Ostdeutschland sehen wir sie beim Auf- und<br />

Ausbau der Infrastruktur. So wollen der Bund, die<br />

Länder und Kommunen, die Bahn und Post im<br />

nächsten Jahr rund 41 Mrd DM investieren, nach<br />

28 Mrd Dlvt in diesem Jahr. Hohe und, was auffällig<br />

ist, kräftig steigende Investitionssummen haben<br />

auch die Unternehmen eingeplant. Allein die im<br />

Besitz westdeutscher Unternehmen befindlichen<br />

Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes wollen für<br />

etwa 16lf2 Mrd DM neue Anlagen errichten, nach<br />

9 Mrd DM in diesem Jahr. Vergleichsweise<br />

schwach wird dagegen die Investitionsbereitschaft<br />

im Wohnungsbau bleiben; wir schätzen die Investitionen<br />

in Neubau und rv10dernisierung auf<br />

6 tvtrd DM, das ist nicht mehr als in diesem Jahr.<br />

Den Schwerpunkt wird wie bisher die Modemisierung<br />

bilden. Die Neubautätigkeit wird auch im<br />

nächsten Jahr noch nicht recht in Gang kommen,<br />

trotz des großen Mangels an Wohnraum.<br />

241. Die Abschwächung der investitionsdynamik,<br />

wie sie sich in den alten Bundesländern abzeichnet,<br />

werden vor allem die Hersteller von Ausrüstungsgütern<br />

zu spüren bekommen. Das Abebben der Erweiterungs-<br />

und :tvlodernisierungswelle trifft nach aller Erfahrung<br />

als erstes den Maschinenbau, der schon in<br />

diesem Jahr die Haute im Exportgeschäft zu spüren<br />

bekam. Aber auch der Fahrzeugbau und die Elektrotechnik<br />

müssen sich auf weniger volle Auftragsbücher<br />

einstellen. Relativ gut bleiben die Aussichten für die<br />

Hersteller von Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten<br />

- immer vorausgesetzt, sie können sich<br />

erfolgreich gegen die stürmische Auslandskonkurrenz<br />

wehren.<br />

Unsere Prognose trägt alledem Rechnung, indem sie<br />

für die Ausrüstungsinvestitionen in den alten Bundesländern<br />

für das nächste Jahr eine vergleichsweise geringe<br />

Steigerungsrate in Ansatz bringt, nämlich rund<br />

5 vH für den Jahresverlauf und 3l/l vH für den Jahresdurchschnitt.<br />

In den unterschiedlichen Raten kommt<br />

unsere Erwartung zum Ausdruck, daß die Investitionen<br />

in der zweiten Jahreshälfte wieder etwas zunehmen<br />

werden.<br />

242. Die Entwicklung bei den Bauinvestitionen<br />

schätzen wir ähnlich ein wie die bei den Ausrüstungsinvestitionen<br />

- eine verlangsamte Zunahme in Westdeutschland<br />

und eine sprunghafte Zunahme in Ostdeutschland.<br />

In den alten Bundesländern wird sich die<br />

Zuwachsrate von reichlich 3 1 12 vH in diesem Jahr auf<br />

knapp 2 vH im nächsten Jahr etwa halbieren, in den<br />

neuen Bundesländern wird sie sich dagegen mehr als<br />

verdoppeln und knapp 20 vH betragen. Westdeutsche<br />

Bauunternehmen werden sich deshalb verstärkt in<br />

Ostdeutschland nach Aufträgen umsehen.<br />

Die Abflachung der Baukonjunktur in den alten Bundesländern<br />

wird alle Bereiche erfassen - den Wohnungsbau,<br />

den gewerblichen Bau und den öffentlichen<br />

Bau. Die öffentlichen Bauinvestitionen dürften<br />

im nächsten Jahr sogar spürbar schrumpfen, nachdem<br />

sie in diesem Jahr stagnierten. In den neuen Bundesländern<br />

werden neben den gewerblichen Investitionen<br />

gerade die öffentlichen Bauinvestitionen für<br />

Schub sorgen. Es spiegelt sich darin die Verlagerung<br />

staatlicher Investitionsmittel von Westdeutschland<br />

nach Ostdeutschland. Keinerlei Anzeichen sehen wir,<br />

wie erwähnt, für eine Belebungim ostdeutschenWohnungsneubau.<br />

Der starke Auftrieb der Preise auf dem Baumarkt - in<br />

der zweiten Hälfte dieses Jahres verteuerte sich das<br />

Bauen in den alten Bundesländern um etwa 7 vH und<br />

in den neuen Bundesländern sogar. um 15lf2 vH ­<br />

wird sich im kommenden Jahr nicht abflachen. Dafür<br />

bleibt die Baukonjunktur im ganzen zu gut. Zudem<br />

steht das Baugewerbe unter starkem Kostendruck,<br />

nachdem die Branche die Lohnführerschaft übernommen<br />

hat.<br />

243. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läßt sich schwer<br />

sagen, wie die Abschwächung der Investitionsdynamik<br />

zu bewerten ist: Ob sie, wie es in der Prognose<br />

angenommen wird, vorübergehend ist, oder ob sie<br />

sich ins übernächste Jahr fortsetzt. Darüber wird bei<br />

den Lohnverhandlungen im nächsten Jahr mitentschieden.<br />

Ein ähnlich starker Lohnkostenschub wie in<br />

diesem Jahr würde vermutlich schwerwiegende .Folgen<br />

für die Investitionen und die Beschäftigung haben.<br />

Denn es ist nicht zu erwarten, daß der Anstieg der<br />

Lohnstückkosten wieder durch einen kräftigen Anstieg<br />

der Nachfrage überspielt werden kann, wie das<br />

zuletzt der Fall war.<br />

244. Es ist derzeit noch völlig offen, welchen Kurs die<br />

Lohnpolitik im nächsten Jahr einschlagen wird - ob<br />

sich die Lohnentwicklung wieder dem Produktivitätspfad<br />

nähert oder ob sie sich von ihm weiter entfernt.<br />

Es sind bisher keine Verlautbarungen der Tarifparteien<br />

bekannt, aus denen deren strategische Verhandlungspositionen<br />

erkennbar wären. Auf alle Fälle<br />

werden die Tarifverhandlungen nicht einfach werden.<br />

Was die Verhandlungen vermutlich erschweren<br />

wird: Sie werden im Umfeld hoher Preissteigerungsraten<br />

ausgetragen. Im Frühjahr .des nächsten Jahres<br />

werden die Steigerungsraten bei den Verbraucherpreisen<br />

im Vorjahresvergleich ihren Höchststand erreichen.<br />

Sie werden dann nach der Prognose die<br />

Marke von 4 vH deutlich überschreiten; wenn ungünstige<br />

Umstände eintreten, wie ein kalter Winter, der<br />

die Preise für Mineralölprodukte oderfür Frühgemüse<br />

in die Höhe treibt, können sie auch die Marke von<br />

5 vH streifen. Diese Raten spiegeln keinesfalls die<br />

aktuelle Preisentwicklung wider. Sie sind teilsweise<br />

Reflex der Anhebung indirekter Steuern im Verlaufe<br />

dieses Jahres (Basiseffekt). Sie sollten deshalb auch<br />

nicht zum Anlaß genommen werden, um für die Arbeitnehmer<br />

vollen Ausgleich zu verlangen, Aber ob<br />

dieses Argument in den Tarifverhandlungen viel<br />

zählt, bleibt abzuwarten.<br />

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