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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. WaWperiode<br />

dem schubartigen Anstieg der Inlandsaufträge im<br />

letzten Jahrinuner länger wurden, während die Kapazitätsauslastung<br />

ausländischer Anbieter schon im vergangenen<br />

Jahr abnahm und ihnen schnellere Ueferzusagen<br />

ennöglichte. Mit der Abflachung des Nachfrageanstiegs<br />

im Inland und der leichten Belebung<br />

der Auslandskonjunktur nahmen die Auftragseingänge<br />

aus dem Ausland im Verlauf des Jahres wieder<br />

zu.<br />

Dem stagnierenden Export stand ein steiler Anstieg<br />

des Einfuhrvolumens gegenüber. Die reale Wareneinfuhr<br />

lagin den ersten sieben Monaten des Jahres <strong>1991</strong><br />

um 18,6 vH höher als im Vorjahr. Ein großer Teil des<br />

Importzuwachses resultierte allerdings daraus, daß<br />

die Einfuhren der neuen Bundesländer überwiegend<br />

über den westdeutschen Handel abgewickelt wurden.<br />

Die Leistungsbilanz, die seit dem 1. Juli 1990 auch die<br />

Transaktionen der neuen Bundesländer mit dem Ausland<br />

umfaßt, ist im Jahre <strong>1991</strong> mit fast 30 Mrd DM ins<br />

Defizit geraten. Dahinter stand nicht allein das Abschmelzen<br />

der Überschüsse im Warenverkehr, sondern<br />

auch ein größer werdendes Defizit in der Übertragungsbilanz.<br />

Durch Zahlungen an die Sowjetunion<br />

für den vereinbarten Truppenabzug und durch den<br />

Finanzierungsbeitrag zu den Kosten des Golfkrieges<br />

stiegen die geleisteten Übertragungen um 14 Mrd DM<br />

an. Spiegelbildlich <strong>zur</strong> Passivierung der Leistungsbilanz<br />

hat sich im internationalen Kapitalverkehr der<br />

Bundesrepublik ein Umschwung vollzogen. Nachdem<br />

die Bundesrepublik seit 1982 in beträchtliebern Umfang<br />

Kapital exportiert hatte und Ende der achtziger<br />

Jahre zu den weltweit größten Nettokapitalexporteuren<br />

gehörte, reichte die private Ersparnis in diesem<br />

Jahr nicht aus, um den starken Rückgang der staatlichen<br />

Ersparnis auszugleichen und die Kapitalnachfrage<br />

in der Wirtschaft zu decken. Per saldo wurde<br />

Kapital aus dem Ausland importiert.<br />

55. Die deutsche Vereinigung hat nicht allein die<br />

außenwirtschaftliche Entwicklung, sondern auch die<br />

Investitionstätigkeit und die Arbeitsnachfrage westdeutscher<br />

Unternehmen nachhaltig beeinflußt. Mit<br />

der Einführung der D-Mark in OstdeutscWand hatte<br />

sich das Absatzgebiet für viele westdeutsche Unternehmen<br />

schlagartig erweitert; das veranlaßte sie, ihre<br />

Investitionsbudgetskräftig zu erhöhen und stärker auf<br />

die Erweiterung der Produktionskapazitäten zu richten.<br />

Ihnen kam dabei zugute, daß sich das Arbeitsangebot<br />

durch die hohe Zuwanderung von Arbeitskräften<br />

und durcb zaWreiche Pendler aus OstdeutscWand<br />

stark erweiterte. Seit Mitte letzten Jahres hat sich die<br />

Anzahl an Erwerbstätigen in Westdeutschland um<br />

über eine Million Personen erhöht.<br />

Die kraftvolle Investitionskonjunktur des Jahres<br />

1990 ~ nach der Währungsunion waren die Investitionsgüterbestellungen<br />

aus dem Inland sprunghaft<br />

angestiegen - wirkte auch im Jahre <strong>1991</strong> nach. Dem<br />

Volumen nach lagen die Ausrüstungsinvestitionen im<br />

ersten Halbjahr um 12,7 vH über Vorjahresstand. 1m<br />

Verlaufe des Jahres <strong>1991</strong> haben sich die Bedingungen<br />

für das Investieren allerdings merklich verschlechtert.<br />

Das im ganzen schwache Auslandsgeschäft wurde<br />

nicht mehr, wie im Vorjahr, durch einen Anstieg der<br />

lnlandsnachfrage ausgeglichen, und die Kapazitäts-<br />

auslastung ging im Laufe des Jahres im Verarbeitenden<br />

Gewerbe deutlich <strong>zur</strong>ück. Auch die Ertragslage<br />

der Unternehmen war nicht mehr so gut wie in den<br />

vorangegangenen Jahren; hinzu kam eine Verunsicherung<br />

in den Erwartungen der Unternehmen, die<br />

für ihre zukunftsgerichteten Investitionsentscheidungen<br />

letztlich ausscWaggebend sind. Auf der einen<br />

Seite wurde zwarim Laufe desJahreswiedermit einer<br />

Belebung des Exportgeschäfts gerechnet, auf der anderen<br />

Seite waren aber die Risiken einer wechselseitigen<br />

Verstärkung des Lohn- und Preisauftrtebs sowie<br />

der ansteigenden haushaltspolitischen Belastungen<br />

ins Kalkül zu ziehen.<br />

56. Die Preisniveauentwicklung hat sich im Jahre<br />

<strong>1991</strong> weiter vom Ziel der Geldwertstabilität entfernt.<br />

Am Ende des Jahres lagen die Preise der Lebenshaltung<br />

um 4 vH höher als im Vorjahr. Einen derart starken<br />

Preisauftrieb hatte es zufetzt 1982 gegeben. Der<br />

Verlust an Geldwertstahilität spiegelt die wieder stärker<br />

werdenden Verteilungskonflikte in derBundesrepublik.<br />

Die Lohnerhöhungen lagen weit über dem<br />

Anstieg der Arbeitsproduktivität. Die Unternehmen<br />

haben versucht, den erhöhten Kostendruck in den<br />

Preisen weiterzugeben. Wo das Angebot regional begrenzt<br />

und daher weniger der internationalen Konkurrenz<br />

ausgesetzt ist, wie im Dienstleistungsbereich<br />

und in Teilen der Bauwirtschaft, konnte dies weitgehend<br />

gelingen. Auch die Wirtschaltspolitik gehörte zu<br />

den Verursachem des beschleunigten Preisanstiegs.<br />

Die expansive Finanzpolitik hat nicht allein der Nachfrage<br />

kräftigen Auftrieb gegeben und damit die Kostenüberwälzung<br />

erleichtert. Durch ihren Beitrag zu<br />

hohen Kapitalmarktzinsen und durch die Erhöhung<br />

von Verbrauchsteuern und Sozialbeiträgen hat sie<br />

auch den Kostenanstieg verstärkt. Dem öffentlichen<br />

Dienst kam darüber hinaus auch eine Vorreiterrolle<br />

bei den hohen Lohnsteigerungen dieses Jahres zu.<br />

Von der Importseite ging, anders als im vorangegangenen<br />

Jahr, kein entlastender Effekt mehr auf die<br />

Preis- und Kostenentwicklung aus.<br />

57. Die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands<br />

stand auch im Jahre <strong>1991</strong> noch im Zeichen des<br />

Zusammenbruchs der alten Produktionsstrukturen.<br />

Die Entwicklung hat sich aber, wie erwartet, sehr<br />

stark differenziert. Im Bauhauptgewerbe, im Handwerk<br />

und in vorgelagerten Branchen trat mit zunehmenden<br />

öffentlichen und privaten Bauinvestitionen<br />

im Verlauf des Jahres eine durchgreifende Besserung<br />

der Wirtschaftslage ein. Im tertiären Sektor hat sich in<br />

beträchtlichem Umfange privatwirtschaftliche Aktivität<br />

entwickelt. Der überwiegende Teil des Verarbeitenden<br />

Gewerbes dagegen mußte auch im Jahre <strong>1991</strong><br />

drastische Absatzeinbußen und Produktionsrückgänge<br />

hinnehmen (Tabelle 10). Die Erzeugung stabilisierte<br />

sich erst <strong>zur</strong> Jahresmitte und lag im zweiten<br />

Halbjahr um knapp 40 vH unter Vorjahresstand. Im<br />

gleichen Zeitraum dürfte der Personalbestand der Industrieunternehmen<br />

nochmals um fast ein Drittel gesunken<br />

sein.<br />

58. Die Schwierigkeiten der ostdeutschen Wirtschaft<br />

liegen nicht in einem Mangel an Nachfrage. Zusammengenommen<br />

erreichte die Nachfrage der privaten<br />

Haushalte. der Unternehmen und des Staates nahezu<br />

das Doppelte der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung.<br />

Allein der Private Verbrauch belief sichim Jahre<br />

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