Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
der privatisierten Unternehmen - und damit die<br />
Möglichkeit eines Aktienhandels - ist jedoch erst für<br />
einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Wie in der<br />
Tschechoslowakei soll zudem auch in Polen ein geringer<br />
Anteil der Aktien unmittelbar an die Belegschaftsangehörigen<br />
der betreffenden Unternehmen abgegeben<br />
werden; der Rest der Anteile verbleibt zunächst<br />
im Besitz des Staates. Ein im Grunde gleiches Verfahren<br />
ist schließlich auch in Rumänien vorgesehen, doch<br />
soll den Belegschaftsangehörigen hier anders als in<br />
Polen und der Tschechoslowakei lediglich die Möglichkeit<br />
eines verbilligten Kaufes von Aktien ihres<br />
Unternehmens eingeräumt werden. Auch in Bulga·<br />
rlen wird ein ähnliches Verfahren diskutiert.<br />
46. Die breitgestreute Beteiligung der Bevölkerung<br />
am ehemals staatseigenen Produktivkapital mag zunächst<br />
sowohl aus Gerechtigkeitserwägungen wie<br />
auch aus Gründen einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung<br />
vorteilhaft erscheinen. Gleichwohl ist<br />
diese Art der Privatisierung nicht uneingeschränkt<br />
positiv zu beurteilen. Das Überleben der ehemals<br />
staatlichen Betriebe wird durch diese Art der Privatisierung<br />
allein nicht gesichert. Das größte Problem<br />
dürfte wohl darin bestehen, daß der für die Anpassung<br />
an marktwirtschaftliche Bedingungen dringend notwendige<br />
Transfer von organisatorischem und technischem<br />
Wissen bei diesem Verfahren nicht geleistet<br />
wird. Hinzu kommt, daß durch die kostenlose Verteilung<br />
der Aktien den Unternehmen kein zusätzliches<br />
Kapital zufließt. Zudem dürften angesichts der überragenden<br />
Bedeutung, die ausländischen Direktinvestitionen<br />
bei der Privatisierung der staatseigenen Betriebe<br />
zugemessen wird, vielfach vor allem die Aktien<br />
von Unternehmen mit unterdurchschnittlichen Gewinnaussichten<br />
an die Bevölkerung abgegeben werden.<br />
Die Anpassung an marktwirtschaftliche Verhältnisse<br />
mag nicht zuletzt auch dadurch erschwert werden,<br />
daß die breite Streuung des Anteilsbesitzes eine<br />
effiziente Kontrolle der Untemehmensleitung durch<br />
die Anteilseigner verhindert. Schließlich ist auch zu<br />
berücksichtigen, daß dem Staat bei dieser Art der Privatisierung<br />
eine Mitverantwortung für das weitere<br />
Schicksal der Unternehmen auferlegt wird: Kommt<br />
ein privatisiertes Unternehmen in Schwierigkeiten, so<br />
gerät der Staat als Miteigentümer und Initiator der<br />
Privatisierung allzu leicht in die Pflicht, den Erhalt der<br />
Unternehmen durch Subventionszahlungen zu sichern.<br />
Das Entstehen wettbewerbsfähiger Unternehmen<br />
und die Konsolidierung des Staatshaushalts werden<br />
auf diese Weise erheblich erschwert.<br />
47. Ein stärker an wettbewerblichen Prinzipien<br />
orientierter Weg <strong>zur</strong> Privatisierung der ehemals<br />
staatseigenen Betriebe wurde in Ungarn eingeschlagen.<br />
Nach den negativen Erfahrungen mit der "spontanen<br />
Privatisierung" in den Jahren 1988 und 1989<br />
wurde die Privatisierungsaufgabe zunächst auf eine<br />
eigens zu diesem Zweck gegründete staatliche Vermögensagentur<br />
übertragen. Schon bald zeigte sich<br />
allerdings, daß diese Behörde weder von der personellen<br />
Ausstattung noch der fachlichen Kompetenz her<br />
diesem Auftrag gewachsen war, so daß im Sommer<br />
diesen Jahres eine neue Privatisierungsstrategie eingeschlagen<br />
wurde. Die staatliche Vennögensagentur<br />
ist nunmehr lediglich für die Teilprivatisierung derjenigen<br />
Betriebe zuständig, die auch in Zukunft mehrheitlich<br />
in staatlichem Eigentum verbleiben sollen.<br />
Die übrigen Unternehmen erhalten das Recht, eigenständig<br />
mit potentiellen Investoren über eine Übernahme<br />
zu verhandeln; <strong>zur</strong> Vermeidung etwaiger Irregularitäten<br />
muß der Kaufvertrag unter der Aufsicht<br />
unabhängiger Wirlschallsprüfungsgesellschaften abgeschlossen<br />
werden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob<br />
auf diese Weise der bislang stockende ProzeB der Privatisierung<br />
beschleunigt werden kann.<br />
Umbau der Wirtschaft erfordert auch westliches<br />
Kapital<br />
48. Da ein rascher Neuaufbau der osteuropäischen<br />
Volkswirtschaften ohne Zustrom von privatem Auslandskapital<br />
kaum möglich ist, wurden in allen osteuropäischen<br />
Staaten die rechtlichen Voraussetzungen<br />
für ein stärkeres Engagement ausländischer Unternehmen<br />
geschaffen. Hierzu zählen vor allem explizite<br />
Eigentumsgarantien für potentielle Investoren, weitreichende<br />
Möglichkeiten des Gewinntransfers in konvertiblen<br />
Währungen und die Aufhebung früherer BeteiligungshÖchstgrenzen.<br />
Wenigstens in Polen, Ungarn<br />
und Bulgarien wurden außerdem die bislang<br />
bestehenden Genehmigungsvorbehalte fast vollständig<br />
abgeschafft. SchiieBlichwerden ausländischen investoren<br />
vielfach steuerliche Vergünstigungen und<br />
Zollerleichterungen beim Import von Investitionsgütern<br />
eingeräumt; Polen hat zwischenzeitlich allerdings<br />
die zunächst gewährten Steuererleichterungen<br />
für ausländische Investoren zugunsten einer Gleichbehandlung<br />
heimischer und fremder Unternehmen<br />
aufgehoben.<br />
Tatsächlich haben die Direktinvestitionen ausländischer<br />
Unternehmen in Osteuropa seit Beginn des Reformprozesses<br />
kräftig zugenommen. Das Engagement·<br />
investitionswilliger Unternehmen konzentriert sich<br />
dahei auf Ungarn, das sich bereits zu Anfang der achtziger<br />
Jahre stärker zum Westen hin orientiert hatte.<br />
Mittlerweile haben aber auch Polen und die Tschechoslowakei<br />
eine kräftige Zunahme an ausländischen<br />
Direktinvestitionen zu verzeichnen. Insbesondere Investoren<br />
aus Deutschland zeigen sich an einer verstärkten<br />
Zusammenarbeit mit Unternehmen aus<br />
Osteuropa interessiert.<br />
49. Die westlichen Industriestaaten haben ihre Bemühungen<br />
<strong>zur</strong> Unterstützung des Reformprozesses in<br />
den osteuropäischen Staaten in diesem Jahr verstärkt<br />
fortgesetzt. Anlaß hierzu geben nicht allein humanitäre<br />
Aspekte; viehnehr liegen Hilfen an die refonnwilligen<br />
Länder auch im Interesse des Westens, denn ein<br />
Scheitern oder auch nur eine Unterbrechung der<br />
marktwirtschaftlichen Reformen wie auch eine längere<br />
Fortdauer der Anpassungskrise könnten Wanderungsbewegungen<br />
in die westlichen Staatenin einem<br />
Umfang auslösen, der die Stabilität und Anpassungsfähigkeit<br />
auch eines etablierten marktwirlschaftliehen<br />
Systems überfordern müßte.<br />
Seitdem Beginn der Wirtschaftsrefonnenin Polen und<br />
Ungarn im Jahre 1989 bis zum Juni diesen Jahres<br />
haben die westlichen Industriestaaten und internationale<br />
Organisationen den osteuropäischen Ländern<br />
(außer der Sowjetunion) insgesarnt40,4 Mrd Dollar an<br />
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