Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
winnverantwortung ausgestattet sind. In dieser Fonn<br />
werden vielfach auch die in den neuen Ländern erworbenen<br />
oder neugegründeten Betriebsstätten in<br />
den Unternehmensverbund eingegliedert.<br />
Eigenständige ortsansässige Unternehmen sind für<br />
die wirtschaftliche Entwicklung einer Region wichtig.<br />
Man sollte hierbei aber nicht auf fragwürdige Sanierungsaktivitäten<br />
der Treuhandanstalt bauen, sondern<br />
auf die vielen kleineren und mittleren Unternehmen,<br />
die heute durch Neugründung, Privatisierung und<br />
Reprivatisierung zustandekommen. Aus ihnen wird<br />
sich ein gesunder Grundbestand bilden; auch größere<br />
Unternehmen werden auf die Dauer daraus hervorgehen.<br />
Zudem werden Städte wie Berlin und andere<br />
Großstädte in den neuen Bundesländern bald auch so<br />
attraktiv sein, daß westdeutsche Unternehmen die<br />
Verlagerung ihres Sitzes dorthin in Betracht ziehen.<br />
494. Die Forderung, die Treuhandanstalt solle sich<br />
in stärkerem Maße der Sanierung zuwenden, verbindet<br />
sich vielfach mit der Vorstellung, sie solle zum<br />
Instrument und Organ staatlicher Strukturpolitik werden<br />
(Ziffer 495). Durch Erhaltung und Sanierung bestehender<br />
Unternehmen müsse der Entindustrialisierung<br />
ganzer Regionen vorgebeugt werden.<br />
Die Ergebnisse einer strukturpolitisch orientierten Sanierungsstrategie<br />
der Treuhandanstalt wären allerdings<br />
abzusehen. Für die Unternehmen, die sich nicht<br />
privatisierenlassen, würde grundsätzlich zunächst die<br />
Forderung erhoben, die Treuhandanstalt müsse aus<br />
strukturpolitischen GlÜnden die Sanierung in eigener<br />
Regie übernehmen. Forderungen dieser Art, in aller<br />
Regel mit politischem Druck verbunden, könnte sich<br />
die Treuhandanstalt nur schwer widersetzen. Im Ergebnis<br />
liefe eine strukturpolitisch orientierte Sanierungsstrategie<br />
der Treuhandanstalt auf die Erhaltung<br />
alter Strukturen hinaus.<br />
495. Ein in der Öffentlichkeit diskutierter Vorschlag<br />
<strong>zur</strong> Umgestaltung der Treuhandanstalt zum Träger<br />
strukturpolitischer Aufgaben sieht vor, eine Treuhand-Industrteholding<br />
zu gründen, die sich bei der<br />
Sanierung von Unternehmen an industrie- und regionalpolitischen<br />
Zielen orientieren soll; die Dominanz<br />
betriebswirtschaftlicher Sanierungskriterien wird<br />
ausdrücklich abgelehnt. Die Voraussetzungen für die·<br />
Erfüllung der neu definierten Sanierungsaufgabe sollen<br />
durch paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer'<br />
im Aufsichtsrat der Induslrieholding und durch Drittel-Beteiligung<br />
der Gewerkschaften im Verwaltungsrat<br />
der Treuhandanstalt verbessert werden. Zugleich,<br />
soll ein Vennögensfonds gegründet werden, deI'<br />
einen Anteil von 25 vH an der Treuhand-Industrieholcling<br />
halten und außerdem an allen von dieser privatisierten<br />
Unternehmen beteiligt bleiben soll, in der<br />
Regel ebenfalls mit 25 vH. Die Anteile an dem Vennögensfonds<br />
sollen durch drei Gruppen übernommen<br />
werden. Die Hälfte der Anteile soll unentgeltlich an<br />
die Bevölkerung der neuen Bundesländer übertragen<br />
werden. Als zweite Gruppe sollen die Bezieher überdurchschnittlicher<br />
Einkommen zu einer Abgabe herangezogen<br />
werden und dafür Anteile erhalten.<br />
Schließlich sollen Arbeitnehmer auch freiwillig Anteile<br />
erwerben können, allerdings mit der Maßgabe,<br />
daß damit eine Aufstockung der gesetzlichen Sparförderung<br />
verbunden und dalÜber hinaus ohne zeitliche<br />
Begrenzung eine Mindestverzinsung durch den Bund<br />
garantiert wird.<br />
Dieser Plan orientiert sich neben der strukturpolitischen<br />
Zielrichtung offenbar stark an Umverteilung<br />
und Ausbau von Verbandsmacht. über die Aussichten,<br />
daß die Induslrieholding jemals zu einem von<br />
Subventionen unabhängigen, rentablen Unternehmen<br />
werden könnte, haben die Urheber des Plans<br />
anscheinend keine illusionen. Jedenfalls gehen sie<br />
von der realistischen Einschätzung aus, daß niemand<br />
freiwillig sein Geld in Anteilen des Vermögensfonds<br />
anlegenwürde, es sei denn, ihmwerde eine vomBund<br />
garantierte Mindestverzinsung geboten.<br />
496. Aus regionalpolitischer Sicht wird von der<br />
Treuhandanstalt gefordert, daß sie sich für die Sanierung<br />
und Erhaltung von Unternehmen einsetzt, deren<br />
Zusammenbruch für eine Region schwerwiegende<br />
Folgen hätte. Träger der Regionalpolitik sind die Gebietskörperschaften;<br />
es besteht kein Grund, regionalpolitische<br />
Aufgaben bei der Treuhandanstalt anzusiedeln.<br />
Es genügt, den Ländern die Möglichkeit ein<strong>zur</strong>äumen,<br />
sich solche Unternehmen von der Treuhandanstalt<br />
übertragen zu lassen (Ziffer 503 und 522).<br />
Das Privatisierungspotential voll ausschöpfen<br />
497. Von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche<br />
Arbeit der Treuhandanstalt ist, daß die Privatisierung<br />
vorankommt. Dies wird vor allem dann gefördert,<br />
wenn möglichst weite Kreise von Kaufinteressenten<br />
angesprochen und davon überzeugt werden,<br />
daß sich beachtenswerte Chancen mit dem Erwerb<br />
von Unternehmen im Osten Deutschlands verbinden.<br />
Es liegt in diesem Sinne, daß die Treuhandanstalt ein<br />
umfassendes Infonnationssystem aufgebaut hat und<br />
um das Interesse ausländischer Investoren wirbt, jetzt<br />
auch unter Einschaltung professioneller Finanzmakler<br />
und Investmentbanken. Wenn bei der W~rbung<br />
um ausländische Investoren bisher nur begrenzte Erfolge<br />
erzielt wurden, so kann dies auch daran liegen,<br />
daß Deutschland heute generell nicht als besonders<br />
attraktiver Investitionsstandort gilt.<br />
In einigen Fällen scheint esbeiausländischen Investoren<br />
auf Unverständnis gestoßen zu sein, daß sich die<br />
Treuhandanstalt bei der Entscheidung zwischen konkurrierenden<br />
Bietern nicht nur nach dem Preis richtet,<br />
sondern auch andere Kriterien wie Beschäftigungszusagen<br />
und Investitionspläne belÜcksichtigt. Wenn<br />
ausländische Bieter trotz hoher Preisgebote nicht den<br />
Zuschlag erhalten, kann der Eindruck entstehen, sie<br />
seien im Grunde unerwünscht und würden nur einbezogen,<br />
um bei inländischen Bietern günstigere Konditionen<br />
zu erreichen. Wenn dieser Eindruck entstünde,<br />
wären alle Bemühungen um ausländische Investoren<br />
wenig aussichtsreich. Deswegen ist wichtig, daß die<br />
Treuhandanstalt vor allem gegenüber ausländischen<br />
Investoren und Vermittlern für Transparenz über ihre<br />
Entscheidungskriterien sorgt.<br />
498. Fortschritte in der Privatisierung können erreicht<br />
werden, wenn die Untemehmensleitungen in<br />
stärkerem Maße als bisher veranlaßt werden, die Initiative<br />
<strong>zur</strong> Privatisierung zu ergreifen. Es wirkt demotivierend,<br />
wenn derartige Initiativen zwar akzeptiert.<br />
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