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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

Teil C<br />

Europäische Gemeinschaft:<br />

Binnenmarkt vollenden - nach außen öffnen<br />

397. In der Europäischen Gemeinschaft stehen weitreichende<br />

Entscheidungen an. Die Frage der Erweiterung,<br />

die Herausforderungen durch die marktwirtschaftlichen<br />

Refonnen in üsteuIopa, die ungelösten<br />

Fragen der Handelsliberalisierung - aU das verlangt<br />

in einer Zeit nach Lösungen, in der noch wichtige<br />

Schritte auf dem Weg zum Binnenmarkt '<strong>92</strong> ausstehen<br />

und die Europäische Gemeinschaft die Weichen für<br />

die Wirtschafts- und Währungsunion und die Politische<br />

Union zu stellen hat. Vor allem die Ereignisse in<br />

Osteuropa haben das Binnenmarkt-Projekt in der<br />

Wahrnehmung der Öffentlichkeit in den Hintergrund<br />

gedrängt. Doch bleibt der Binnenmarkt von herausragender<br />

Bedeutung. Die verbliebenen Hindernisse<br />

müssen ausgeräumt werden; für die Gestaltung der<br />

flankierenden Bereiche - vor allem der künftigen<br />

europäischen Geld- und Währungspolitik - sind<br />

überzeugende Lösungen zu finden. Die wohlstandssteigernde<br />

Wirkung des Binnenmarktes darf nicht<br />

durch die Abschotbing Europas nach außen verspielt<br />

werden. Für die liberalisierung der weltwirtschaftlichen<br />

Zusammenarbeit durch einen erfolgreichen Abschluß<br />

der GATT-Verhandlungen (Uruguay-Runde)<br />

sollte sich gerade auch die Gemeinschaft einsetzen.<br />

Die entscheidenden Schritte <strong>zur</strong> marktwirtschaftlichen<br />

Reform ihrer Volkswirtschaften müssen die<br />

osteuropäischen Länder selbst leisten. Eine tatkräftige<br />

Unterstützung durch die Europäische Gemeinschaft<br />

würde jedoch <strong>zur</strong> Verankerung der Marktwirtschaft in<br />

Osteuropa entscheidend beitragen. Der Erfolg dieser<br />

Reformen liegt auch im Interesse der Europäischen<br />

Gemeinschaft selbst.<br />

I. Spannungen für die Gemeinschaft<br />

398. Zu den neuen Spannungen in der Gemeinschaft<br />

gehört der Konflikt zwischen der Vertiefung<br />

und der Erweiterung der europäischen Integration.<br />

Mit dem Binnenmarkt-Projekt und der geplanten Politischen<br />

Union stand die wirtschaftliche und politische<br />

Integration zwischen den tisherigen Mitgliedsstaaten<br />

im Vordergrund. Nun sieht sich die Gemeinschaft gedrängt,<br />

die Erweiterung um neue Mitglieder zuzulassen<br />

und die Assozüerung der osteuropäischen Staaten<br />

vorzunehmen. Zeitgleich mit dem europäischen Binnenmarkt<br />

soll am 1. Januar 1993 der Europäische<br />

Wirtschaltsraum (EWR) , ein binnenmarktähnlicher<br />

Raum der EG mit den sieben EFTA-Staaten, verwirklicht<br />

werden.<br />

Zweifellos hat das Binnenmarktprogramm die Attraktivität<br />

der Gemeinschaft für andere Staaten verstärkt.<br />

Hinzu kommt die Einsicht, einer Gemeinschaft, die<br />

sich möglicherweise nach außen stärker abschotten<br />

werde (Festung Europa), gehöre man besser an, als<br />

draußen zu stehen. Beitrittswilligen Ländern wie<br />

Österreich und Schweden oder anderen Staaten der<br />

EFTA kann nicht entgegengehalten werden, für die<br />

Mitgliedschaft seien die wirtschaftlichen Voraussetzungen<br />

noch un<strong>zur</strong>eichend. Hier kann man den Beitritt<br />

- wenn er denn wirklich ernsthaft gewünscht<br />

wird - allenfalls hinausschieben, nicht aber endgültig<br />

verweigern.<br />

Für die osteuropäischen Staaten ist die Mitgliedschaft<br />

derzeit nicht aktuell. Hier müssen andere Schritte <strong>zur</strong><br />

Integration gegangen werden. Ohne die Zusammenarbeit<br />

mit der Europäischen Gemeinschaft stünde es<br />

um die Erfolgschancen der osteuropäischen Reformen<br />

schlecht, zum Nachteil für ganz Europa. Die Gemeinschaft<br />

wird also die Vertiefung zugleich mit der Assozüerung<br />

osteuropäischer Staaten und mit der Erweiterung<br />

um neue Mitgliedsstaaten zu leisten haben.<br />

399. Die Gemeinschaft strebt neben der Wirtschaftsund<br />

Währungsunion auch eine Politische Union an. In<br />

Kraft treten sollen die entsprechenden Verträge Anfang<br />

1993. Bei der Politischen Union geht es unter<br />

anderem um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,<br />

die Zusammenarbeit in der Innen- und<br />

Justizpolitik, die demokratische Legitimation der Gemeinschaftsorgane<br />

(Stärkung der Rechte des Europäischen<br />

Parlaments) sowie um die Effizienz der Gemeinschaft<br />

(vor allem um das Mehrheitsprinzip bei<br />

Entscheidungen des Europäischen Rates). Die Verzahnung<br />

der wirtschaftlichen Vereinigung mit einer<br />

Politischen Union wird sich so nicht mehr aufrechterhalten<br />

lassen, wenn die Zahl der Mitgliedsstaaten zunimmt.<br />

Zwischen den divergierenden Interessen der Mitgliedsstaaten<br />

einer heterogenen Gemeinschaft zu vermitteln,<br />

eine klare gemeinsame Unie zu formulieren,<br />

wird immer schwieriger werden, je mehr Mitglieder<br />

die Gemeinschalt hat. Ergänzt um die EFTA-Staaten<br />

würde die Gemeinschaft bereits neunzehn Mitgliedsstaaten,<br />

bei ein-er Bevölkerung von 375 Millionen Einwohnern,<br />

umfassen. Sollen alle Mitgliedsstaaten repräsentativ<br />

in den Gremien der Gemeinschaft vertreten<br />

sein, droht eine enorme bürokratische Ausweitung<br />

der Institutionen. Entscheidungsprozesse würden<br />

verzögert; im schlimmsten Fall erstarrt die Gemeinschaft<br />

in Kompromissen, weil anders den divergierenden<br />

Interessen nicht mehr beizukommen ist.<br />

Schon heute verhindern unterschiedliche Interessenlagen<br />

der einzelnen Mitgliedsstaaten gemeinsame<br />

politische Aktivitäten etwa in der Sicherheitspolitik<br />

oder in der Außenpolitik. Im wirtschaftlichen Bereich<br />

resultieren aus den unterschiedlichen Interessen beispielsweise<br />

der südlichen und nördlichen Länder<br />

schwer zu vereinbarende Vorstellungen etwa bei der<br />

liberalisierung einzelner Märkte.<br />

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