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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

wjetischen Staatspräsidenten und das im Sommer<br />

<strong>1991</strong> verabschiedete Anti~Krisen-Programmder Regierung<br />

sahen zwar einen allmählichen Übergang zu<br />

einer stärker marktwirtschaftlieh geprägten Ordnung<br />

vor, doch sollte der staatliche Einfluß auf die Wirtschaft<br />

in hohem Maße erhalten bleiben.<br />

Zudem behinderten die ungeklärten Machtverhältnisse<br />

zwischen der Unionsregierung und den Teilrepubliken<br />

der Sowjetunion ein weiteres Vorankommen<br />

des Reformprozesses. Im Gegensatz <strong>zur</strong> Unionsregierung<br />

neigen die Unionsrepubliken dem Konzept eines<br />

umfassenden, schockartigen Übergangs <strong>zur</strong> Marktwirtschaft<br />

zu. Insbesondere die Russische Republik,<br />

die Ukraine und die baltischen Staaten (Estland, U­<br />

tauen und Lettland) sprachen sich tür radikale marktwirtschaftliche<br />

Refonnen aus. Die Schwäche der Zentralregierung<br />

führte schließlich dazu, daß einige Republiken<br />

teils in offenem Widerspruch <strong>zur</strong> Politik der<br />

Unionsregierung stehende Gesetze erließen, teils sogar<br />

den Austritt aus der Union anstrebten.<br />

Nach dem gescheiterten Putschversuch von Anhängern<br />

des alten kommunistischen Regimes im August<br />

diesen Jahres und dem damit verbundenen Machtzuwachs<br />

für die refonnwilligen Republiken besteht nunmehr<br />

jedoch Aussicht auf eine deutliche Beschleunigung<br />

des Reformprozesses. So werden Privateigentum,<br />

unternehmerische Freiheit und Wettbewerb ausdrücklich<br />

als Elemente der künftigen Wirtschaftsordnung<br />

genannt. Unklar ist derzeit aber noch, inwieweit<br />

die Union als politische und wirtschaftliche Einheit<br />

überleben wird. Die baltischen Staaten haben bereits<br />

ihre Unabhängigkeit von der UdSSR erreicht. Auch<br />

in anderen Republiken - vor allem in Armenien,<br />

Georgien und Moldawien, in zunehmendem Maße<br />

aber auch in der Ukraine - regen sich nationalstaatliehe<br />

Bestrebungen.<br />

Eine weiterhin enge Kooperation der einzelnen Unionsrepubliken<br />

wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiet<br />

ist wegen der hohen gegenseitigen Abhängigkeit<br />

dringend geboten. Dem im Oktober unterzeichneten<br />

Vertrag <strong>zur</strong> Gründung einer Wirtschaftsgemeinschaft<br />

der sowjetischen Teilrepubliken sind bislang allerdings<br />

nur acht der zwölf verbliebenen Unionsrepubliken<br />

beigetreten; insbesondere fehlt auch noch die<br />

wirtschaftlich starke Ukraine. Zudem wurde durch<br />

den Wirtschaftsvertrag die Unabhängigkeit der Republiken<br />

gegenüber der Unionsregierung erheblich gestärkt;<br />

die Gesetzgebung der Republiken hat nunmehr<br />

Vorrang vor der Unionsgesetzgebung.<br />

Unterschiedliche Privatisierungsstrategien in den<br />

osteuropäischen Staaten<br />

42. Entscheidend für den Erfolg der Wirtschaftsreformen<br />

wird letztlich sein, daß es gelingt, die !-.ilensehen<br />

zu stärkerem privatwirtschaftlichem Engagement<br />

zu bewegen. Eine Voraussetzung hierfür ist die<br />

Schaffung gesicherter Eigentumsrechte. Tatsächlich<br />

wird mittlerweile die Notwendigkeit privaten Eigentums<br />

an den Unternehmen in allen Staaten Osteuropas<br />

als eines der wichtigsten marktwirtschaftlichen<br />

Ordnungsprinzipien anerkannt. Notwendig ist also ­<br />

neben der Neugründung von Unternehmen - vor al-<br />

52<br />

lern die Überführung der ehemaligen Staatsunternehmen<br />

in Privateigentum. Hierzu sind in den einzelnen<br />

Ländern recht unterschiedliche Privatisierungsstrategien<br />

entwickelt worden.<br />

43. Die Überführung kleinerer Betriebe - insbesondere<br />

Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Handwerksbetriebe<br />

- in privates Eigentum erfolgt überwiegend<br />

durch öffentliche Versteigerungen. Ausländische<br />

Bieter sind dabei aus Furcht vor einem "Ausverkauf"<br />

der heimischen Wirtschaft in aller Regel ausgeschlossen.<br />

Das Interesse der Bürger am Erwerb dieser<br />

Kleinuntemehmen war dabei anfangs recht groß;<br />

jedoch wird es mittlerweile schwerer, insbesondere<br />

für Einzelhandelsbetriebe in ungünstiger Lage, einen<br />

Käufer zu finden. Auch ein Mangel an Ersparnissen in<br />

der heimischen Bevölkerung mag dabei eine Rolle<br />

spielen. Lediglich in Polen ist diese" kleine Privatisierung"<br />

bereits weit fortgeschritten.<br />

44. Bedeutsam für die langfristige Sicherung der Beschäftigung<br />

und die Herstellung der internationalen<br />

Wetthewerbsfähigkeit ist die Privatisierung der großen<br />

Industriebetriebe. Als vorrangiges Privatisierungsverfahren<br />

wird dabei überall der vollständige<br />

oder teilweise Verkauf staatseigener Unternehmen an<br />

Investoren aus dem In- und Ausland angewandt. Die<br />

Erfolge dieser von staatlichen Verkaufsagenturen organisierten<br />

"großen Privatisierung" blieben bislang<br />

jedoch gering; nur ein kleiner Teil der großen staatlichen<br />

Unternehmen konnte neuen Eigentümern zugeführt<br />

werden. Die entscheidende Ursache hierfür<br />

dürfte darin liegen, daß die bestehenden Unternehmen<br />

infolge veralteter Produktionsanlagen und einer<br />

überhöhten Personalausstattung bei potentiellen Investoren<br />

im allgemeinen als wenig attraktiv gelten;<br />

auch dürften die Marktchancen in Osteuropa insbesondere<br />

von westlichen Investoren mittlerweile geringer<br />

eingeschätzt werden als noch vor einem Jahr. Um<br />

gleichwohl rasche Privatisierungsfortschritte erzielen<br />

zu können, ist in einigen Ländern zusätzlich zum<br />

staatlich organisierten Verkauf von Unternehmen die<br />

kostenlose Verteilung von Anteilsscheinen der Unternehmen<br />

an die Bevölkerung und die Belegschaften<br />

vorgesehen.<br />

45. In der TschechosIowakeI ist geplant, daß alle<br />

volljährigen Bürger des Landes gegen Zahlung einer<br />

geringen Gebühr eine gleiche Zahl von Gutscheinen<br />

erhalten, die zum kostenlosen Bezug von - handelbaren<br />

- Aktien der zu privatisierenden Unternehmen<br />

nach Wahl des Gutscheininhabers berechtigen. Der<br />

Umtausch der Bezugsscheine in Anteilsscheine der<br />

Unternehmen soll dabei durch ein landesweites Versteigerungsverfahren<br />

erfolgen. In der Regel 40 vH des<br />

Aktienkapitals der staatseigenen Unternehmen sollen<br />

auf diese Weise verteilt werden; weitere Anteile sollen<br />

den Beschäftigten sowie bestimmten Investmentfonds<br />

kostenfrei zugeteilt werden. Eine ähnliche Lösung<br />

wurde auch in Polen gefunden; hier sollen insgesamt<br />

60 vH des Kapitals ausgewählter Staatsunternehmen<br />

gleichmäßig auf eine Reihe von Vermögensverwaltungsgesellschaften<br />

übertragen werden. Im<br />

Anschluß daran sollen die Anteilsscheine dieser Gesellschaften<br />

kostenlos an die Bevölkerung ausgegeben<br />

werden, so daß jeder Bürger zunächst einen gleichen<br />

Anteil am staatlichen Produktivvennögen erhält.<br />

Ein direkter Umtausch von Fondsanteilen in Aktien

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