Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
Gemeinden <strong>zur</strong> Finanzierung öffentlicher Aufträge<br />
<strong>zur</strong> Verfügung gestellt.<br />
Hesonders problematisch sind unter dem Gesichtspunkt<br />
der Zusätzlichkeit Arbeiten <strong>zur</strong> Sanierung von<br />
Betriebsgeländen. Nutznießer dieser Arbeiten ist der<br />
Eigentümer, in der Regel die Treuhandanstalt. Da<br />
diese eine öffentliche Institution und die Privatisierung<br />
ihre dringlichste Aufgabe ist, wird man ein öffentliches<br />
Interesse bejahen können. Zweifelhaft ist<br />
aber, ob es sich hier um zusätzliche Leistungen handelt.<br />
Wenn das Betriebsgelände privatisiert und einer<br />
anderen Verwendung zugeführt werden kann, müßte<br />
die Treuhandanstalt entweder selbst die Sanierung<br />
vornehmen lassen oder sie unter Gewährung eines<br />
entsprechenden Preisnachlasses dem Erwerber überlassen.<br />
- Im Ergebnis übernimmt die Bundesanstalt<br />
für Arbeit die Finanzierung von Aufgaben der Treuhandanstalt.<br />
532. ARS-Gesellschaften, die <strong>zur</strong> Aufnahme ganzer<br />
Belegschaften oder von Teilen davon ins Leben gerufen<br />
werden, stehen unter besonderem Druck, geeignete<br />
Aufgaben zu finden. Während bei anderen Trägern<br />
in der Regel am Anfang Überlegungen stehen,<br />
wie für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geeignete<br />
Aufgaben gefunden werden können, und erst dann<br />
Mittel für Arbeitskräfte im benötigten Umfang angefordert<br />
werden, ist es bei ABS-Gesellschaften umgekehrt:<br />
Die Arbeitskräfte sind da; es geht darum, welche<br />
Leistungen sie erbringen sollen. Es ist zu vermuten,<br />
daß unter diesen Voraussetzungen bei der Prüfung<br />
der Zusätzhchkeit weniger strenge Maßstäbe<br />
angelegt werden, zumal mit der Unterstützung aller<br />
lokalen politischen Instanzen zu rechnen ist, wenn es<br />
um das Schicksal einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern<br />
geht. Selbst örtliche Industrie- und Handelskammern<br />
und Handwerkskammern werden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
auch bei erheblichen Zweifeln<br />
an der Zusätzlichkeit der Leistungen stillschweigend<br />
tolerieren, wenn ihre Mitglieder nicht unmittelbar<br />
betroffen sind. Die Unternehmen, die als Anbieter<br />
in Frage kämen, aber nicht in den Markt hineinkommen<br />
oder gar nicht erst gegründet werden, haben<br />
keine Interessenvertretung.<br />
ABS-Gesellschaften übernehmen zum Teil Aufgaben,<br />
die nur mit erheblichen Investitionen durchgeführt<br />
werden können (zum Beispiel "Renaturierung und<br />
Revitalisierung geschädigter Landschaften JI, "Altlastund<br />
Umweltsanierung Jl ). Dies wird durch Sachkostenzuschüsse<br />
der Bundesanstalt für Arbeit und Zuschüsse<br />
aus anderen Quellen ermöglicht. Im Ergebnis<br />
führt das zu höheren Markteintrittsbarrieren für konkurrierende<br />
Anbieter; denn die ABS-Gesellschaft hat<br />
für neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen das zusätzliche<br />
Argument, daß die teuren Geräte, die man angeschafft<br />
habe, nun auch genutzt werden müßten.<br />
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, vor allem im Zusammenhang<br />
mit ABS-Gesellschaften, stoßen heute<br />
auf wachsende Kritik, in erster Linie in der besonders<br />
betroffenen Bauwirtschaft, und zwar sowohl von Seiten<br />
der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Dahinter<br />
stehen Zweifel daran, daß Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
die Auftragslage privater Anbieter<br />
unberührt lassen.<br />
533. Für die Arbeitnehmer in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
wird die Motivation abgeschwächt, sich<br />
um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen und da·<br />
bei die Last der Einarbeitung. des Erwerbs neuer<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten, vielleicht sogar des<br />
Ortswechsels auf sich. zu nehmen. Im gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt, wo die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz<br />
vielerorts fast aussichtslos ist, fällt dies weniger<br />
ins Gewicht. Aber das wird sich ändern, sobald mit<br />
beginnender Aufwärtsentwicklung Neueinstellungen<br />
größeren Umfangs erfolgen. Solange im Bereich der<br />
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die für normale Arbeitsverhältnisse<br />
geltenden Tariflöhne zu zahlen sind,<br />
bringt der Arbeitsplatzwechsel in der Regel keinen<br />
Verdienstzuwachs, bei Wechsel in einen anderen Tarifbereich<br />
vielleicht sogar eine Einbuße, häufig hingegen<br />
härtere Arbeitsbelastung. Der Nachteil der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />
liegt für den Arbeitnehmer<br />
in der zeitlichen Begrenzung auf ein oder höchstens<br />
zwei Jahre. Die Motivation des Arbeitnehmers<br />
hängt wesentlich davon ab, ob er diese zeitliche Be·<br />
grenzung ernst nimmt oder darauf vertraut, daß nach<br />
Ablauf der Zeit eine neue Auffangposition ähnlicher<br />
Art für ihn geschaffen wird. Vor allem in ABS-Gesellschaften,<br />
die auf längerfristigen Bestand angelegt<br />
sind und Investitionen <strong>zur</strong> Wahrnehmung ihrer Aufgaben<br />
durchführen, besteht die Gefahr, daß illusionen<br />
über ein unbegrenztes Fortbestehen des gegebenen<br />
Zustandes entstehen. Für die Arbeitsverwaltung wird<br />
es später sehr schwer, solche Erwartungen zu enttäuschen.<br />
Im Ergebnis wird Immobilität statt Anpassungsbereitschaft<br />
gefördert.<br />
534. Die Arbeitsmarktpolitik kann angesichts der<br />
ernsten Lage auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern<br />
auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in<br />
großem Umfang nicht verzichten; sie wird auch nicht<br />
ganz ohne eigene Trägerorganisationen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
auskommen können. Soweit<br />
heute noch durch hinausgezögerte Kündigungen<br />
oder über die Kurzarbeiterregelung wirtschaftlich<br />
nicht tragfähige Arbeitsplätze erhalten werden, wäre<br />
es sogar wünschenswert, statt dessen das adäquate<br />
Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einzusetzen.<br />
Die schädlichen Nebenwirkungen sind jedoch zu bedenken.<br />
Die Konsequenz wäre, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
gezielt auf besonders problematische Regionen<br />
und Gruppen von Arbeitnehmern zu konzentrieren.<br />
Verfehlt ist auf jeden Fall die Schaffung eines<br />
flächendeckenden Systems von ABS-Gesellschaften.<br />
Es ist eine Fehlentwicklung, wenn heute bei Personalfreisetzungen<br />
größeren Umfangs regelmäßig die Forderung<br />
nach Übernahme der betroffenen Arbeitnehmer<br />
durch eine ABS-Gesellschaft erhoben und dem<br />
auch häufig entsprochen wird. Eine beträchtliche<br />
Minderheit der Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz<br />
verlieren, kommt so in eine privilegierte Position; die<br />
tvlehrheit allerdings muß sich damit abfinden, sofort in<br />
die Arbeitslosigkeit zu gehen, da es gänzlich ausgeschlossen<br />
ist, sämtliche Arbeitslose in Arbeitsbeschaf·<br />
fungsmaßnahmen aufzunehmen. Nach der bislang in<br />
der alten Bundesrepublik geübten Praxis wird Arbeitslosen<br />
im Regelfall durch finanzielle Unterstützung<br />
und durch Beistand bei der Suche nach einem<br />
neuen Arbeitsplatz und bei der Qualifizierung gehol-<br />
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