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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

Weitere Steuererhöhungen vennelden<br />

343. Wenn Ausgabenumschichtungen und Ausgabenkürzungen<br />

im erforderlichen Umfang nicht gelingen<br />

und sogar noch zusätzliche Belastungen au! die<br />

öffentlichen Haushalte zukommen. dann bleibt für die<br />

Konsolidierung nur noch der Weg über weitere Steuererhöhungen.<br />

Dafür kommen in Anbetracht der<br />

Höhe des Konsolidierungsbedarfs nur die Einkommensteuer<br />

und die Körperschaftsteuer sowie die<br />

Mehrwertsteuer in Frage. Diese Abgaben haben zudem<br />

Breitenwirkung. die es ermöglicht, nahezu alle<br />

Bürger im Sinne eines Solidaropfers anden Kosten der<br />

Einheit zu beteiligen. Allerdings sprechen gegen<br />

Steuererhöhungen erhebliche ökonomische Bedenken,<br />

und zwar sowohl unter wachstums- als auch unter<br />

stabilitäts- und verteilungspolitischem Aspekt.<br />

344. Gegen eine Erhöhung der Einkommensteuer<br />

und der Körperschaftsteuer sind vor allem wachstumspolitische<br />

Argumente vorzubringen: Leistungsanreize<br />

werden dadurch geschmälert, und die Investitionstätigkeit<br />

wird beeinträchtigt. Die marginale Einkommensteuerbelastung<br />

ist im internationalen Vergleich<br />

in Deutschland hoch; eine weitere Anhebung<br />

würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Bundesrepublik<br />

verschlechtern. Mit einer Erhöhung des<br />

Anstiegs und der absoluten Höhe der marginalen<br />

Steuersätze dürften zudem die bekannten Substitutionseffekte<br />

verstärktwerden (JG 86 Ziffer 281). Unter<br />

diesem Aspekt ist auch der Solidaritätszuschlag eine<br />

verfehlte Maßnahme. Bei seiner Einführung haben<br />

wohl eher verteilungs- und finanzausgleichspolitische<br />

Grunde eine Rolle gespielt. Die Ellizienz- und Wachstumsverluste<br />

einer Anhebung der Einkommensteuer<br />

wären größer, wenn diese aus sozialpolitischen Gründen<br />

ausschließlich die Bezieher höherer Einkommen<br />

träfe.<br />

Wenn der Kurs der angebotsorientierten Steuerpolitik,<br />

wie er seit Beginn der achtziger Jahre gehalten<br />

worden ist, wiederaufgenommen werden soll, dann<br />

sollte man bei Steuererhöhungen nicht die Einkommensentstehung,<br />

sondern verstärkt die konsumtive<br />

Einkommensverwendung besteuern. Von daher<br />

würde sich also eher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer<br />

empfehlen.<br />

345. Allerdings zeigen sich auch dabei enge Grenzen,<br />

zumal nachdem der Nonnalsatz der Mehrwertsteuer<br />

zum 1. Januar 1993 - auch aus Gründen der<br />

EG-Steuerharmonisierung - bereits auf 15 vH erhöht<br />

werden soll. Gegen jede Anhebung sprechen verteilungspolitische<br />

Gründe, denn die Mehrwertsteuer belastet<br />

die Bezieher niedriger Einkommen vergleichsweise<br />

stark. Diese Regressionswirkung wird allerdings<br />

tendenziell abgebaut, weil auch nach dem<br />

1. Januar 1993 der ennäßigte Steuersatz bei 7 vH verbleibt.<br />

Dem Belastungskonzept der Mehrwertsteuer entspricht<br />

es, daß die Steuer über Preiserhöhungen auf<br />

die Konsumenten weitergewälzt wird. Das birgt die<br />

Gefahrin sich, daß dadurch eine Preis-Lohn-Spiralein<br />

Gang gesetzt wird, die nicht zuletzt die Bundesbank<br />

zu einem restriktiven Kurs der Geldpolitik. herausfordern<br />

würde. über dann höhere Zinsen könnten deshalb<br />

auch die Investitionen beeinträchtigt werden. Sie<br />

werden zudem noch au! einem anderen Weg getroffen:<br />

Es ist zwar richtig, daß die privaten Investitionen<br />

grundsätzlich nicht der Mehrwertsteuer unterliegen,<br />

wenn aber die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu einer<br />

Reduktion des privaten Konsums führt, dann sind von<br />

daher auch negative Rückwirkungen au! die investitionen<br />

zu erwarten.<br />

346. Man kann es also drehen und wenden, wie man<br />

will: Au! dem Weg <strong>zur</strong> Konsolidierung sollten Steuererhöhungen<br />

- wenn irgend möglich - vermieden<br />

werden. Es besteht sogar die Gefahr, daß die damit<br />

verbundenen negativen Wirkungen au! Wachstum<br />

und Konjunktur den Weg <strong>zur</strong> Konsolidierung noch<br />

erschweren. Gegen weitere Steuererhöhungen spricht<br />

im übrigen auch, daß bei den Sozialversicherungen<br />

mit Beitragserhöhungen zu rechnen ist. Dies gilt für<br />

das kommende Jahr angesichts der ungünstigen<br />

Haushaltsentwicklung vor allem für die Krankenversicherung.<br />

Wenn die politische Kraft weiterhin fehlt, Ausgabenkürzungen<br />

und Umschichtungen bei den Ausgaben<br />

durchzusetzen oder wenn noch weitere Belastungen<br />

au! die öffentlichen Haushalte zukommen sollten,<br />

dann müssen Steuertarife bei den ertragreichen Steuern<br />

angehoben werden. In diesem Falle wäre eine<br />

Erhöhung der Mehrwertsteuerwohl noch das kleinere<br />

übel. Allerdings können Steuererhöhungen nur die<br />

illtima ratio sein; au! die damit verbundenen Risiken<br />

muß nachdrücklich hingewiesen werden. Die finanzpolitisehen<br />

Probleme, die die deutsche Vereinigung<br />

gebracht hat, sind nur durch strikte Ausgabenclisziplin<br />

zu lösen.<br />

Refonn der Untemehmensbesteuerung bleibt<br />

aktuell<br />

347. In der derzeitigen Situation besteht grundsätzlich<br />

auch wenig Spielraum für Steuersenkungen. Vor<br />

allem wird es politisch schwer zu vertreten sein, auf<br />

der einen Seite die Mehrwertsteuer zu erhöhen und<br />

gleichzeitig die Unternehmensteuern zu senken, konkreter;<br />

die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer<br />

abzuschaffen. Au! mittlere Sicht bleibt jedoch<br />

die Reform der Unternehmenssteuern ein wichtiges<br />

Ziel. Der Wiederaufbau der Produktionskapazitäten<br />

in den neuen Bundesländern, die ungünstige Altersstruktur<br />

der Bevölkerung und der verschärfte internationale<br />

Wettbewerb verlangen enonne Investitionen<br />

in den deutschen Kapitalstock. Langfristig bestehen<br />

auch keine Konflikte zwischen den verteilungs- und<br />

wachstumspolitischen Zielsetzungen. Je besser es gelingt,<br />

über ein investitionsfreundliches Steuersystem<br />

Investitionen, Beschäftigung und Wachstum zu verbessern,<br />

desto eher lassen sich die gerade durch die<br />

Vereinigung schwieriger gewordenen Verteilungskonflikte<br />

lösen.<br />

Wenn es aus fiskalischen Gründen geboten ist, die<br />

Reform der Unternehmensbesteuerung für einige Zeit<br />

hinauszuschieben, sollten wenigstens die geplanten<br />

Maßnahmen und der Zeitpunkt der Inkraftsetzung<br />

nunmehr festgelegt werden. Da es bei dieser Reform<br />

auch darum geht, den Standort Bundesrepublik im<br />

internationalen Wettbewerb attraktiver zu machen,<br />

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