Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
die Baustoffindustrie und das Druckereigewerbe, die<br />
zudem von einer starken Nachfrage des Baugewerbes<br />
und der Verlage begünstigt wurden, sowie große<br />
Teile des Nahrungs- und Genußmittelgewerbes.<br />
In den übrigen Branchen hatten die Unternehmen<br />
vorerst damit zu tun, die Kosten zu senken und sich<br />
auf die Produkte zu spezialisieren, mit denen sie auf<br />
dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sind. Angesichts<br />
der raschen Lohnangleichung müssen sie sich dabei<br />
am Produktsortiment orientieren, das für hochentwikkelte<br />
Industrieregionen wie die alten Bundesländer<br />
typisch ist. Diese Regionen sind auf den Weltmärkten<br />
mit Erzeugnissen wettbewerbsfähig, bei deren Produktion<br />
qualifizierte Arbeitskräfte und technisches<br />
Wissen benötigt werden.<br />
68. Die besten Aussichten hatte man ursprünglich<br />
dem Investitionsgüter produzierenden Gewerbe zugesprochen,<br />
das eine ähnlich bedeutende Position wie<br />
in den alten Bundesländern besaß. Als Wettbewerbsvorteil<br />
wurde die Humankapital- und Technologieintensität<br />
sowie die hohe Präsenz auf den osteuropäischen<br />
Märkten angesehen. Tatsächlich war nach dem<br />
Zusammenbruch des RGW-Handels und der Erledigung<br />
von Auftragsbeständen der Produktionseinbruch<br />
mit Beginn des Jahres <strong>1991</strong> besonders stark<br />
(Schaubild 6 Seite 65). Eine Umorientierung auf die<br />
westlichen Märkte scheiterte daran, daß die Produktqualität<br />
nicht westlichem Standard entsprach. Die<br />
Umstellung des Produktionsprogramms wird indessen<br />
durch die lange Entwicklungszeit erschwert. Günstig<br />
entwickelte sich nur der Schienenfahrzeugbaui dies<br />
ging jedoch auf sowjetische Großaufträge <strong>zur</strong>ück, die<br />
mit Hennes-Sonderkonditionen durch den Bund gesichert<br />
wurden.<br />
Im Grundstoff- und Produktionsgiitergewerbe, das<br />
durch eine relativ hohe Sachkapitalintensität gekennzeichnet<br />
ist, hemmt der hohe Kapitalaufwand die Entwicklung<br />
wettbewerbsfähiger Produktion. In der Chemischen<br />
Industrie haben die hohen ökologischen Altlasten<br />
und in der Stahlindustrie die weltweiten Überkapazitäten<br />
die Investoren bislang vor einem Engagement<br />
abgeschreckt. Lediglich die Gewinnung und<br />
Verarbeitung von Steinen und Erden machte eine<br />
Ausnahme.<br />
Am raschesten hätten die Branchen des Verbrauchsgüter<br />
produzierenden Gewerbes ihre Produktionsverfahren<br />
und Produkte umstellen können. Allerdings<br />
konkurrieren diese Branchen in starkem Maße mit<br />
Niedriglohnländern, so daß sie nach den starken<br />
Lohnerhöhungen nur in wenigen Sparten mit hochwertigen<br />
Erzeugnissen überlebenschancen haben.<br />
Bislang haben die Unternehmen noch keine zusätzlichen<br />
Kunden gewinnen können.<br />
69. Die Verzögerung der Baukonjunktur ist durch<br />
die unklaren Eigentumsrechte, fehlende kommunale<br />
Rächennutzungs- und Bebauungspläne sowie die<br />
schleppende Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche<br />
Hand zu erklären. Seit dem Frühjahr stieg die<br />
Auftragsvergabe sprunghaft an (Schaubild 1). Den<br />
größten Schub gab es im öffentlichen Hochbau und<br />
Tiefbau. Impulse kamen auch aus dem Wirtschaftsbau.<br />
Im Wohnungsbau hingegen blieb die Auftragslage<br />
schlecht. Ursachen dürften für den Geschoßwohnungsbau<br />
in schlechten Renditeerwartungen, für den<br />
Eigenheimbau in den hohen Zinsen und der beträchtlichen<br />
Arbeitsplatzunsicherheit liegen. Bereits im vergangenen<br />
Jahr sind in den neuen Bundesländern<br />
28 vH weniger Wohnungen fertiggestellt worden als<br />
im Jahr zUVOr.<br />
Mit der Einführung westlicher Produktionsmethoden<br />
kam auch die Auflösung der 500 Großbetriebe, die zu<br />
Zeiten der Planwirtschaft 90 vH der Bauleistungen<br />
erbrachten, in eine mittelständisch geprägte Wirtschalt<br />
in Gang. Trotz der Entflechtung gibt es aber<br />
noch deutliche Unterschiede inder durchschnittlichen<br />
Betriebsgröße zwischen den alten und den neuen<br />
Bundesländern. In Westdeutschland arbeiten in Betrieben<br />
mit 20 und mehr Beschäftigten im Durchschnitt<br />
62 Personen, in Ostdeutschland hingegen<br />
141 Personen.<br />
70. Im Dienstleistungsbereich bat sich zwar ein breites<br />
Angebot entwickelt, doch blieb die Expansion in<br />
den konsumnahen Zweigen noch verhalten. Nicht zuletzt<br />
der starke Preisanstieg veranlaßte die Menschen<br />
zu Kauf<strong>zur</strong>ückhaltung, die vor allem das Gastgewerbe<br />
und kulturelle Einrichtungen zu spüren bekamen.<br />
Bei produktionsnahen Dienstleistungen, wie<br />
dem Transportsektor, deren Nachfrage stark von der<br />
wirtschaftlichen Situation anderer Sektoren abhängt,<br />
wurde die Geschäftslage zwar durch die Lieferungen<br />
aus den alten Bundesländern begiinstigt, aber durch<br />
die niedrige Produktion in Industrie und landwirtschaft<br />
beeinträchtigt. Auf mittlere Frist besteht innerhalb<br />
des tertiären Sektors ein erheblicher Bedarf an<br />
Slrukturwandel. Neben personell deutlich überbesetzten<br />
Bereichen wie Handel, Verkehr, öffentlichem<br />
Dienst, Bildung, Kultur und Wissenschaft wachsen<br />
Sparten, die in der DDR fehlten oder nur gering vertreten<br />
waren: Werbeagenturen, Wirtschaftsberatungen,<br />
Versicherungen und Kreditinstitute.<br />
71. Im Einzelhandel konnten die Entflechtung und<br />
die Privatisierung vollständig abgeschlossen werden.<br />
Die Konsumenten in der ehemaligen DDR waren im<br />
wesentlichen auf Angebote der staatlichen Handelsorganisationen<br />
(HO) sowie der Konsumgenossenschaften<br />
angewiesen. Die Gesellschaft <strong>zur</strong> Privatisierung<br />
des Handels, eine im Oktober 1990 gegriindete<br />
Tochtergesellschalt der Treuhandanstalt, schrieb<br />
Ende 1990 in einem mehrstufigen Verfahren zunächst<br />
die Objekte mit einer Verkaufsfläche unter 100 m 2<br />
aus, in den ersten Monaten dieses Jahres dann die<br />
größeren Objekte. Für nahezu alle der urspriinglich<br />
rund 30 000 HO-Einrichtungen (Stichtag: 31. Dezember<br />
1989) konnten private Investoren gefunden werden,<br />
die Privatisierung von Läden und Gaststätten<br />
erfolgte dabei auf Mietbasis, die Immobilien wurden<br />
nicht mitveräußert. Etwa 80 vH der Objekte gingen an<br />
ostdeutsche Existenzgründer.<br />
Obwohl mit der Privatisierung eine wichtige Voraussetzung<br />
für einen Aufschwung im Handel geschaffen<br />
war, schätzte der ostdeutsche Einzelhandel seine Geschäftslage<br />
insgesamt pessimistisch ein. Viele der privatisierten<br />
Läden waren zu klein. Eine Vergrößerung<br />
scheiterte häufig am Mangel an Immobilien. Angesichts<br />
des kräftigen Mietanstiegs in Citylagen verlagerte<br />
sich die Flächenexpansion auf die Randlagen<br />
der Städte. Dort investierten vor allem die Großunter-<br />
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