Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
eine Abnahme der Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur<br />
zu beobachten. Die Investitionsausgaben<br />
tür das Straßennetz bleiben nun schon seit zwei Jahrzehnten<br />
hinter dem Wachstum des Verkehrs <strong>zur</strong>ück.<br />
Insbesondere das Autobahnnetz erweist sich mehr<br />
und mehr als Engpaßfaktor. Im Jahre 1988waren über<br />
40 vH des Bundesautobahnnetzes hochbeansprucht;<br />
im Jahre 1995 wird es nach Schätzungen knapp die<br />
Hälfte sein. In der Urlaubszeit erhöhen sich diese Belastungen<br />
noch; im Jahre 1988 waren an den Werktagen<br />
in der Urlaubszeit drei Viertel des gesamten Autobahnnetzes<br />
überlastet. Die am stärksten befahrenen<br />
Abschnitte der Autobahnen konzentrieren sich dabei<br />
nicht nur auf die Ballungsgebiete, sondern auch auf<br />
lange Streckenabschnitte zwischen den regionalen<br />
Zentren, beispielsweise auf die Verbindungen zwischen<br />
dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Main-Rawn,<br />
seit der deutschen Vereinigung auch auf die Verbindungen<br />
von und nach Berlin.<br />
215. Aus Gründen des Umweltschutzes erscheint<br />
zwar eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene<br />
sinnvoll. Dies ist allerdings nur in bestimmten Segmenten<br />
auch wirtschaftlich vertretbar. Die Leistungsvorteile<br />
der Bahn liegen beim Güterverkehr vor allem<br />
im Transport großer Mengen zwischen zwei Knotenpunkten<br />
über größere Entfernungen - mindestens<br />
250 km -, beim Personenverkehr im Fernverkehr<br />
zwischen den Ballungszentren. In anderen Bereichen<br />
- insbesondere beim Verkehr in der Fläche - weist<br />
die Bahn hingegen gegenüber dem Straßenverkehr<br />
Nachteile auf. Häufig ist sie hier auch unter umweltpolitischen<br />
Gesichtspunkten unterlegen.<br />
Einer weiteren Verlagerung des Verkehrsaufkommens<br />
auf die Schiene stehen allerdings bereits heute<br />
gravierende Engpässe im Schienenverkehrssystem<br />
entgegen. In Ostdeutschland ist das Schienennetz<br />
aufgrund hoher Belastungen in der Vergangenheit<br />
und unterlassener Reparaturen zu weiten Teilen in<br />
sehr schlechtem Zustand. Wollte man das Schienenverkehrssystem<br />
der Reichsbahn in seinem jetzigen<br />
Umfang erhalten, so wären umfangreiche Investitionen<br />
in die Infrastruktur und das rollende Material notwendig:<br />
Nach Berechnungen des Ifo-Instituts würden<br />
sich die Sanierungskosten des Eisenbahnnetzes in<br />
den neuen Bundesländern auf knapp 55 Mrd DM belaufen.<br />
Angesichts der zu erwartenden Nachfrageentwicklungen<br />
erscheint es jedoch sinnvoll, die für Investitionen<br />
<strong>zur</strong> Verfügung stehenden Mittel nur für solche<br />
Projekte zu verwenden, in denen die Reichsbahn<br />
auch langfristig wettbewerbsfähig sein wird. Hier lassen<br />
sich westdeutsche Erfahrungen nutzen.<br />
In Westdeutschland konzentriert sich die Schienenverkehrsnachfrage<br />
im Personenverkehr in zunehmendem<br />
Maße auf die IC-Verbindungen zwischen den<br />
Ballungszentren, im Güterverkehr auf den kombinierten<br />
Ladungsverkehr und die Intercargo-Direktzugsysterne.<br />
Diese räumliche Konzentration der Verkehrsleistungen<br />
bewirkt - auch bei stagnierendem Gesamtaufkommen<br />
- sich weiter verschärfende Engpässe<br />
auf den zentralen innerdeutschen Nord-Südund<br />
Ost-West-Magistralen und in den wichtigsten<br />
Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs. Hinzu<br />
kommen Kapazitätsengpässe in der Waggongestellung<br />
beim kombinierten Verkehr. Zusätzliche Belastungen<br />
für das Schienennetz ergeben sich schließlich<br />
durch die zeitliche Konzentration der Verkehrsströme.<br />
Dies gilt insbesondere für den Güterverkehr:<br />
Hier führt das Angebot von Nachtsprungverbindungen<br />
zu einer Überlastung der Umschlaganlagen des<br />
kombinierten Verkehrs in den Tagesrandzeiten. Die<br />
abgehenden Züge konkurrieren zudem mit den<br />
abendlichen Verkehrsspitzen im Personenverkehr.<br />
216. Zunehmende Bedeutung im innerdeutschen,<br />
vor allem aber im grenzüberschreitenden Verkehr gewinnt<br />
der Luftverkehr. Insbesondere für Geschäftsreisende,<br />
aber auch für denTransporthochwertiger, zeitempfindlicher<br />
Güter ist ein ausreichendes Angebot an<br />
Flugverbindungen im Zuge der fortschreitenden Dezentralisierung<br />
von Produktion und Vertrieb unverzichtbar;<br />
auch der grenzüberschreitende Tourismus<br />
ist auf hinreichend große Flugkapazitäten angewiesen.<br />
Einerweiteren Ausweitung des Luftverkehrs sind<br />
jedoch Grenzen gesetzt: Teile des Luftraumes und<br />
einige Flughäfen sind bereits heute überlastet. Das<br />
Problemliegt allerdings weniger im zu hohen Luftverkehrsaufkommen<br />
als vielmehr in der ineffizienten<br />
Nutzung des Luftraums über Deutschland und Europa.<br />
Es wird geschätzt, daß durch Ineffizienzen in der<br />
Luftraumnutzung - vor allem durch Verspätungen,<br />
Umwege in der Slreckenführung und ungünstige<br />
Flughöhen - den europäischen Volkswirtschaften<br />
jährlichrund 10 Mrd DM an vermeidbaren Kosten entstehen.<br />
Als Engpaßfaktor erweist sich insbesondere das europäische<br />
Flugsicherungsnetz, das sich aus insgesamt<br />
22 nur teilweise kompatiblen nationalen Systemen<br />
und 44 Kontrollzentren zusammensetzt. Demgegen·<br />
über kommen die Vereinigten Staaten mit nur einem<br />
System und zwanzig Kontrollzentren aus. Die rasche<br />
Verwirklichung eines einheitlichen europäischen<br />
Flugsicherungssystems unter Einbeziehung der militärischen<br />
Flugsicherung könnte hier Abhilfe schaffen;<br />
ein solcher Schritt erscheint auch im Hinblick auf die<br />
Vollendung des Europäischen Binnenmarktes geboten.<br />
Verzögerungen im Flugverkehr ergeben sich auch<br />
durch die un<strong>zur</strong>eichende Kapazität der Flughäfen;<br />
diese wird primär durch die vorhandenen Start- und<br />
Landebahnen bestinunt. In Deutschland sind insbesondere<br />
die Flughäfen FranklurtiMain, Düsseldorf,<br />
Berlin-Tegel und München-Riem stark überlastet.<br />
Während sich für Düsseldorf, Berlin und München<br />
gewisse Erleichterungen abzeichnen, sind in Frankfurt/Main<br />
kawn noch Kapazitätsreserven vorhanden.<br />
Bereits für das Jahr 1997 wird die völlige Überlastung<br />
dieses Flughafens befürchtet.<br />
217. Sollen Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur<br />
nicht die weitere wirtschaftliche Entwicklung hemmen,<br />
so muß das Verkehrswegenetz quantitativ, vor<br />
allem aber qualitativ deutlich verbessert werden. Besondere<br />
Aufgaben stellen sich dabei in den neuen<br />
Bundesländern, wo dem zügigen Ausbau des Verkehrswegenetzes<br />
höchste Priorität zukommt (Ziffer<br />
463). Die Verkehrspolitik muß dabei in einen gesamteuropäischen<br />
Zusammenhang gestellt werden,<br />
denn auch die internationale Arbeitsteilung im Europäischen<br />
Wirtschaftsrawn würde behindert, wenn die<br />
Bundesrepublik - als Transitland in der Mitte Europas<br />
gelegen - ihr Verkehrssystem vernachlässigte<br />
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