19.06.2014 Aufrufe

Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

nehmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />

"Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"<br />

ein Kristallisationspunkt tür die regionale Entwicklung<br />

geschaffen werden kann, ist schwer zu<br />

beurteilen. Einerseits stimuliert die Ansiedlung einer<br />

großen Unternehmung aufgrund ihrer Bezugsverflechtungen<br />

das wirtschaftliche Wachstum in<br />

einer Region, etwa bei den produktionsnahen<br />

Dienstleistungen. Andererseits sind diese Ausstrahlungseffekte<br />

heute weniger als früher räumlich<br />

begrenzt, sie erstrecken sich vielmehr über die<br />

Region und sogar über den nationalen Raum hinaus.<br />

Auch muß man sich davor hüten, durch die<br />

Ansiedlung von Großunternehmen eine neue Monostruktur<br />

zu schaffen, die eine Region bei einem<br />

konjunkturellen oder dauerhaften Einbruch in einer<br />

einzelnen Branche sehr stark trifft. Ferner konkurriert<br />

die Förderung eines großen Unternehmens<br />

in aller Regel mit der Ansiedlungshilfe tür<br />

kleinere und mittlere Unternehmen, die relativ<br />

stark zu einer diversifizierten Struktur beitragen.<br />

Außerdem ist auch bei einer selektiven Industrieansiedlung<br />

die Frage zu beantworten, woher der<br />

Staat die Infonnationen hat, welche Unternehmen<br />

und welche Sektoren in der Zukunft erfolgreich<br />

sein werden. Schließlich muß vermieden werden,<br />

daß die Ansiedlung von Unternehmen zu Folgesubventionen<br />

für die Regionalpolitik führt, etwa<br />

weil eine einmal getroffene Entscheidung nachträglich<br />

durch weitere Subventionen politisch legitimiert<br />

wird. Insbesondere bei der Gestaltung<br />

neuer Strukturen kann sich die Regionalpolitik auf<br />

Dauer nicht gegen die Markt- und Wettbewerbskräfte<br />

stellen.<br />

Der Schutz der Menschen, die von strukturellen<br />

Verwerfungen in Problemregionen betroffen sind,<br />

ist am besten durch arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische<br />

Maßnahmen zu erreichen. Dabei<br />

können Maßnahmen der sozialen Abfederung speziell<br />

für die Problemregionen, und zwar zeitlich<br />

befristet, zugeschnitten werden.<br />

521. In Problemregionen, in denen der Anpassungsdruck<br />

besonders stark ist, werden Entscheidungen<br />

der Treuhandanstalt über den Fortbestand oder die<br />

Stillegung von Unternehmen besonders schwierig,<br />

wenn eine Region - wie das häufig in den neuen<br />

Bundesländern der Fall ist - in stärkerem Maß von<br />

einem einzelnen Industriezweig oder einem einzelnen<br />

Unternehmen abhängig ist. Wird dieser Industriezweig<br />

oder dieses Unternehmen aufgegeben, so<br />

wird die gesamte Region erheblich betroffen. In solchen<br />

Fällen liegt es nahe, die Treuhandanstalt <strong>zur</strong><br />

Unterstützung von Sanierungsprogrammen aufzufordern,<br />

wobei die Frage der Erfolgsaussichten einer Sanierung<br />

hinter regionalpolitischen Forderungen <strong>zur</strong>ücktritt.<br />

Es wäre jedoch verfehlt, der Treuhandanstalt diese<br />

regionalpolitische Aufgabe zu übertragen, zudem<br />

noch unter dem Vorwand der Sanierung. Dies würde<br />

zu Investitionen führen, die kaum Aussicht auf Erfolg<br />

hätten. Trügerische Hoffnungen und Illusionen würden<br />

genährt, die eine spätere Korrektur der Fehlentscheidungen<br />

um so mehr erschweren würden. Erhaltungssubventionen<br />

als regionalpolitisch motivierte<br />

Anpassungshilfen haben nichts mit der Sanierung von<br />

Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

Unternehmen zu tun, und die Treuhandanstalt ist kein<br />

Organ der Regionalpolitik.<br />

522. Träger der Regionalpolitik sind in erster linie<br />

die Länder. Es bietet sich somit die Lösung an, daß mit<br />

Abschluß der Tätigkeit der Treuhandanstalt in ihrem<br />

Kernbereich die bis dahin nicht privatisierten Unternehmen<br />

auf das jeweilige Land übertragen werden<br />

(Zifler 503). Das Land muß entscheiden, ob und inwieweit<br />

die <strong>zur</strong> regionalen Wirtschaftsförderung <strong>zur</strong> Verlügung<br />

stehenden MiUellÜf die zeitweilige Erhaltung<br />

notleidender Industrien eingesetzt werden sollen oder<br />

ob anderen Maßnahmen, dem Ausbau der Infrastruktur<br />

oder der Ansiedlung neuer Industrie etwa, der<br />

Vorrang zu geben ist. Diese Lösung entspricht einer<br />

klaren Aufgabenabgrenzung und schafftbessere Voraussetzungen<br />

für eine rationale Mittelverwendung<br />

bei der regionalen Wirtschaftsförderung.<br />

523. Viel spricht dafür, den Ländern eine stärkere<br />

Eigenverantwortlichkeit in der Regionalpolitik zuzuweisen.<br />

Diese Konzeption einer Regionalisierung der<br />

Regionalpolitik, für die der Sachverständigenrat wiederholt<br />

plädiert hat (JG 88 Ziflern 420 11.), setzt allerdings<br />

eine Refonn des Finanzausgleichs, insbesondere<br />

des kommunalen Finanzausgleichs, voraus<br />

(JG 88 Ziflern 427 11.). Neben der Gemeinschaftsaulgabe<br />

"Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"<br />

, bei der die Länder eine feste Beteiligungsquote<br />

von 50 vH übernehmen müssen, könnten auch Finanzhillen<br />

des Bundes gemäß Artikel 104 a Abs. 4 GG<br />

eingesetzt werden, wie dies zum Beispiel im Rahmen<br />

des Strukturhilfegesetzes geschieht. Der Anwendungsbereich<br />

ist dabei weiter gefaßt, die Beteiligungsquoten<br />

können vereinbart werden, und die Planung<br />

der Maßnahmen obliegt allein den Ländern.<br />

Aber auchbeieiner größeren Eigenverantwortlichkeit<br />

der Länder darf die Regionalpolitik in den neuen Bundesländern<br />

nicht die Gefahr verkennen, daß eine Ausgleichspolitik<br />

darin mündet, nicht weUbewerbslähige<br />

Strukturen zu erhalten. Hier gelten die gleichen Bedenken<br />

wie bei der Strukturpolitik. Eine sektorale<br />

Strukturpolitik darf nicht über eine regionalpolilische<br />

Begründung legitimiert werden.<br />

524. Bei der Erneuerung der Raumstruktur in den<br />

neuen Bundesländern wird man neben den hier erörterten<br />

Maßnahmen auch auf die Mobilität der Menschen<br />

setzen müssen. In den alten Bundesländern ist<br />

es seit Jahrzehnten gängige Praxis, daß viele täglich<br />

von ihrem Wohnort etwa im ländlichen Raum zum<br />

Arbeitsplatz über eine größere Distanz pendeln. Mit<br />

einer Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur wird<br />

eine solche Mobilität in den neuen Bundesländern<br />

erleichtert. Auch ist der Wechsel des Wohnorts im<br />

Interesse besserer Beschäftigungsmöglichkeiten und<br />

der beruflichen Entwicklung aus gesamtwirtschaftlicher<br />

Sicht positiv zu beurteilen. Solange die Engpässe<br />

am Wohnungsmarkt fortbestehen, wird diese Fonn<br />

der Mobilität sich freilich nicht voll entlalten können.<br />

Neben der Mobilität der Menschen spielen bei der<br />

Erneuerung der Raumstruktur in Ostdeutschland die<br />

Preise der immobilen Faktoren eine wichtige Rolle.<br />

Denn durch niedrigere Preise für immobile Faktoren<br />

kann eine Region teilweise Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.<br />

In einer Marktwirtschaftistes normal, daß die<br />

237

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!