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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

•<br />

von den hohen Haushaltsdefiziten ausgehen, werden<br />

sich voll nachfragedämpfend auswirken.<br />

Die Haushaltsplanung des Bundes sieht für 19<strong>92</strong><br />

eine deutliche Verringerung des Haushallsdefizits<br />

vor; und auch das Defizit des öllentlichen Gesamthaushalts<br />

wird 19<strong>92</strong> mit voraussichtlich<br />

131 Mrd DM etwas unter dem diesjährigen Niveau<br />

liegen. Der von den öffentlichen Haushalten ausgehende<br />

mittelbare und unmittelbare Nachfrageschub<br />

für die westdeutsche Wirtschaft wird damit<br />

eher etwas schwächer werden.<br />

Die Abgabenbelastung, die im Verlauf des Jabres<br />

<strong>1991</strong> stark angestiegen ist, wird auch 19<strong>92</strong>, aufs<br />

ganze Jabr gesehen, hoch bleiben. Zur SteuerbelastWlg<br />

dürften steigende Abgaben insbesondere<br />

<strong>zur</strong> Gesetzlichen Krankenversicherung hinzukommeni<br />

von daher werden die Kaufkraft der Privathaushalte<br />

entsprechend niedriger und die Ertragslage<br />

der Unternehmen schlechter.<br />

Versucht man die schwächer werdende konjunkturelle<br />

Entwicklung einzuordnen, so wird man in ihr zu<br />

einem guten Teil das längst fällig gewordene Atemholen<br />

nach der stürmischen Aufwärtsentwicklung der<br />

letzten Jahre sehen. Die Unternehmen konnten in dieser<br />

Zeit mit einer außergewöhnlichen Investitionskampagneihren<br />

Kapitalstock durchgreifend erneuern<br />

und beträchtlich erweitern. Wie der neue Impuls, der<br />

nach unserer Prognose im Verlauf des Jahres 19<strong>92</strong><br />

vom Export her kommen wird, über das Jahr hinaus<br />

wirken wird - als Anstoß zu neuem Schwung oder<br />

aber lediglich als Ausgleich für schwache Inlandsnachfrage<br />

-, hängt entscheidend von Finanzpolitik<br />

und Lohnpolitik ab.<br />

279. Die hohen Lobnabschlüsse des Jahres <strong>1991</strong> haben<br />

eine Steigerung der Lohnstückkosten gebracht,<br />

die nicht nur als schwere Hypothek auf den Anstrengungen<br />

<strong>zur</strong> Wiedergewionung der Geldwertstabilität<br />

lastet, sondern auch die Wachstumskräfte in der Wirtschaft<br />

gefährdet. Wir erwarten zwar für 19<strong>92</strong> einen<br />

merklich geringeren Anstieg der Löhne, doch liegt er<br />

nachwie vor höher, als es für ein stabiles und beschäftigungsförderndes<br />

Wachstum angemessen wäre.<br />

280. Die Gewinne von heute bestimmen die Investitionen<br />

von morgen, die Investitionen von morgen die<br />

Arbeitsplätze von übermorgen: Die Richtigkeit dieses<br />

einfachen Zusammenhanges hat sich in den achtziger<br />

Jabren eindrucksvoll bestätigt. Entscheidend beigetragen<br />

<strong>zur</strong> Verbesserung der Unternehmergewinne<br />

hatten die Tarifvertragsparteien mit Lohoabschlüssen,<br />

die über lange Zeit eine weitgehende Stabilität<br />

der Lohnstückkosten brachten. Die Gewinnverbesserung<br />

zahlte sich auch für die Arbeitnehmer aus. Sie<br />

war die Bedingung für die überaus kräftige Ausweitung<br />

der Unternehmensinvestitionen in den letzten<br />

fünf Jahren. l\1it dem Fortschreiten der guten Konjunkturinvestierten<br />

die Unternehmen mehr und mehr<br />

in die Erweiterung der Produktionskapazitäten, und<br />

so kam schließlich die größte Ausweitung des Arbeitsplatzangebots<br />

seit den fünfziger Jahren zustande;<br />

nicht weniger als 2 1 12 Millionen Arbeitsplätze konnten<br />

gegenüber 1983 geschaffen werden.<br />

281. Die Sorge, daß aus dem Zusammenspielen von<br />

expansiver Lohnpolitik und restriktiv wirkender<br />

Geldpolitik eine Verschlecbterung derErtragslage resultieren<br />

wird, die eine neue, schlechtere Phase der<br />

konjunkturellen Entwicklung einleitet, darf nicht<br />

klein geschrieben werden. Den leichten Rückgang<br />

der Umsatzrenditen in den letzten Jahren mag man<br />

nach den vorangegangenen kräftigen Gewinnsteigerungen<br />

noch zu einem guten Teil als eine Normalisierung<br />

ansehen, und so sehen es wohl auch die meisten<br />

Unternehmen. Entscheidend ist aber, wie sich die Gewinne<br />

in den nächsten Jahren entwickeln und welche<br />

Gewinnerwartungen sich herausbilden werden.<br />

Unter den Annahmen unserer Prognose werden die<br />

Unternehmensgewinne 19<strong>92</strong> unter Druck stehen. Das<br />

wird nicht ohne Einfluß auf die Gewionerwartungen<br />

bleiben. Viele Unternehmen werden sich veranlaßt<br />

sehen, Investitionen in Kapazitätserweiterungen ­<br />

sei es im Osten, sei es im Westen - <strong>zur</strong>ückzustellen.<br />

Die Ausweitung der Investitionen wird schwächer<br />

sein, und das zusätzliche Arbeitsplatzangebot wird<br />

geringer ausfallen als in diesem Jahr.<br />

282. Es gibt zu denken, daß die deutschen Direklinvestitionen<br />

im Ausland nach dem Zusammenbruch<br />

des DDR-Regimes - also seitdem sich neue Investitionsperspektiven<br />

in Ostdeutschland abzeichnen ­<br />

sprunghaft angestiegen sind, während die Direklinvestitionen<br />

von Ausländern in Deutschland, wenn<br />

auch unter großen Schwankungen, seit langem schon<br />

auf niedrigem Niveau stagnieren. Eine markante Verbesserung<br />

der Renditeerwartungen für Investitionen<br />

in Deutschland, die man von der deutschen Vereinigung<br />

erhollt hat, ist offenkundig noch nicht eingetreten.<br />

Es wird sich zeigen, ob die Ausländer erst einmal<br />

abwarten, wie der Aufbau in Ostdeutsch1and voran<br />

kommt, und ob die deutschen Unternehmen ihre ausländischen<br />

Investitionsengagements neu orientieren<br />

werden. Doch: Gelassenheit ist fehl am Platze. Die<br />

Bundesrepublik Deutschland ist ein Standort mit sehr<br />

hohen Kosten, und von daber ist es entscheidend<br />

wichtig, daß sie im internationalenWettbewerb genügend<br />

Hochpreisprodukte gewionbringend verkaufen<br />

kann. Gelänge das nicht, so müßten die Kosten abgesenkt<br />

werden. Wirtschaftspolitik und Tarifpolitik sind<br />

gefordert, bei allen kostensteigemden Regelungen zu<br />

prüfen, ob sie verkraftbar, das heißt mit einem hohen<br />

Beschältigungsstand vereinbar sind. Die Qualitätspflege<br />

des Standorts BundesrepublikbleibtDauerauftrag<br />

an die Akteure der Wirtschaftspolitik.<br />

Die Ziele im einzelnen<br />

283. Mit Blick auf die Ziele, an denen der Sachverständigenrat<br />

seine Urteilslindung aus<strong>zur</strong>ichten hat<br />

Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschältigungsstand<br />

und außenwirtschaftliches Gleichgewicht<br />

bei stetigem und angemessenem Wachstum - ergibt<br />

sich zusammenfassend der folgende Befund:<br />

Das Ziel der Geldwertstabllität ist grob verletzt.<br />

Die Geldentwertung war in den alten Bundesländern<br />

im zweiten Halbjahr <strong>1991</strong> mit 4 vH die höchste<br />

seit zehn Jabren, und für das kommende Jahr<br />

ist nach unserer Prognose keine nennenswerte<br />

Besserung in Sicht. Deutschland steht international<br />

nicht mehr im vordersten Rang bei der Verteidigung<br />

der Geldwertstabilität.<br />

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