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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. WaWperiode<br />

111. Abgeschwächte Expansion<br />

im Westen Deutschlands<br />

95. Die Entstehung eines gemeinsamen deutschen<br />

Wirtschaftsraumes hat in den alten Bundesländern<br />

eine kräftige Expansion des Bruttosozialprodukts ausgelöst,<br />

das im Verlauf von vier aufeinanderfolgenrlen<br />

Quartalen bis ins zweite Quartal <strong>1991</strong> um rund 4,8 vH<br />

anstieg. Zweierlei Anstöße waren von der deutschen<br />

Einigung ausgegangen. Die Umstellung der Ersparnisse<br />

auf D-Mark und die erst durch die beträchtlichen<br />

Finanztransters aus den alten Bundesländern<br />

ermöglichte hohe Steigerung des verfügbaren Einkommens<br />

hatten - angetrieben durch den hohen<br />

Nachholbedarf der ostdeutschen Bürger - einen<br />

Nachfrageschub ausgelöst. Aufgrund der mangelnden<br />

Konkurrenzfähigkeit ostdeutscher Produkte war<br />

die Nachfrage zunächst vornehmlich auf westliche<br />

Güter gerichtet. Die Nachfrage aus Ostdeutschland<br />

war ein Impuls, der die konjunkturelle Expansion<br />

Westdeutschlands verstärkte. Dazu kam eine hohe<br />

Investitionsdynamik, die gleichfalls im Zusammenhang<br />

mit der Vereinigung stand. Die Unternehmen<br />

sahen sich durch den vergrößerten deutschen Markt,<br />

der die Absatzbedingungen dauerhaft verbessert,<br />

dazu veranlaßt, ihre Investitionspläne kräftig aufzustocken.<br />

Dementsprechend sind die Ausrüstungsinvestitionen<br />

bis zum ersten Quartal beträchtlich angewachsen.<br />

Schließlich lief auch die westdeutsche Verbrauchskonjunktur<br />

mit hoher Dynamik. Diese starken<br />

Auftriebskräfte konnten die Schwäche im Auslandsgeschäft,<br />

die sich in einer mehr oder weniger stagnierenden<br />

Warenausfuhr niederschlug, mehr als kompensieren.<br />

Die nachfragestimulierende Wirkung der deutschen<br />

Einigung ließ im Jahresverlauf nach. Die Finanztransfers<br />

in die neuen Bundesländer wurden nicht mehr in<br />

dem Maße ausgedehnt, wie es bis <strong>zur</strong> Jahresmitte<br />

1990 geschehen war. Da sich auch die eigene Wirtschaftskraft<br />

der neuen Bundesländer noch nicht<br />

durchgreifend besserte, mußte die Nachfrage aus OstdeutscWand<br />

erheblich an Schubkraft einbüßen. Schon<br />

aus diesem Grund war ein Ende der westdeutschen<br />

Sonderkonjunktur abzusehen.<br />

Hinzu kam, daß <strong>zur</strong> Deckung des hohen Finanzbedarfs<br />

des Staates Sozialabgaben und Steuern im Laufe<br />

des Jahres erhöht wurden. Hiervon gingen kontraktive<br />

Effekte auf die private Konsumnachfrage aus. Bei<br />

gleichzeitig abflachender Investitionstätigkeit und<br />

nur geringen Impulsen der Auslandsnachfrage stagnierte<br />

das Bruttosozialprodukt im Verlauf der zweiten<br />

Jahreshälfte. Vom Niveau her lag es gleichwohlim<br />

Jahresdurchschnitt um 31f2 vH über dem Vorjahresstand.<br />

Gedämpfte Expansion des Privaten Verbrauchs<br />

im Jahresverlauf<br />

96. Nachdem sich die kräftige Konsumkonjunktur<br />

des vergangenen Jahres noch bis ins erste Halbjahr<br />

<strong>1991</strong> fortsetzte und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage<br />

vorantrieb, büßte der Private Verbrauch im<br />

Laufe des Jahres seine Rolle als Stütze der konjunk-<br />

turellen Entwicklung ein. Für die Eintrübung der VerbrauchskonjWlktur<br />

war neben der höheren Belastung<br />

durch Einkommensteuern und Abgaben auch die Erhöhung<br />

spezieller Verbrauchsteuern von Bedeutung,<br />

die in den Endverbraucherpreisen weitergegeben<br />

wurde und die Kaufkraft schmälerte. Im Jahresdurchschnitt<br />

nahmen die Ausgaben der privaten Haushalte<br />

in realer Rechnung dennoch um 2 vH zu (Schaubild<br />

10).<br />

97. Aufgrund der erneut höheren Lohnsteigerungen<br />

- in der Tarifrunde wurden Lohnzuwächse zwischen<br />

4,9 vH und 7,4 vH vereinbart - und des abermals<br />

hohen Beschäftigungsanstiegs nahmen die Bruttoeinkommen<br />

aus unselbständiger Arbeit mit 8lf.2 vH rascher<br />

zu als im Jahr zuvor. Demgegenüber hatte sich<br />

der Zuwachs der Nettolohn- und -gehaltsswnme<br />

durch die Steuer- und Abgabenerhöhungen gegenüber<br />

dem Vorjahr nahezu halbiert; er belief sich auf<br />

knapp 5 ' 12 vH. Noch stärker ging der Zuwachs der<br />

Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen<br />

<strong>zur</strong>ück, er betrug knapp 1 1 h. vH. Hatte der<br />

zunehmende Kostendruck die Bruttoeinkommen aus<br />

Unternehmertätigkeit und Vermögen vor Steuer<br />

ohnehin nur noch langsam steigen lassen, so bremste<br />

die höhere Steuerlast zusätzlich die Zunahme der<br />

Nettoeinkommen.<br />

Die Schere zwischen Brutto- und Nettoeinkommensentwicklung<br />

ging im wesentlichen auf zwei Ursachen<br />

<strong>zur</strong>ück. Die stärkste Wirkung hatte der zum 1. Juli für<br />

ein Jahr eingeführte Solidaritätszuschlag, der die verfügbaren<br />

Einkommen um 11112 Mrd DM minderte.<br />

Zusätzlichwurden die Einkommen der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigtenbereits imApril durch die<br />

Beitragssatzerhöhung <strong>zur</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

um 2,5 Prozentpunkte belastet, gleichzeitig aber die<br />

Beitragssätze <strong>zur</strong> Rentenversicherung um einen<br />

Punkt <strong>zur</strong>ückgenommen, dennoch ergab sich für <strong>1991</strong><br />

im Saldo eine zusätzliche Abgabenbelastung von<br />

etwa 12 Mrd DM (Ziffer 203).<br />

Die Transfereinkommen nahmen mit gut 5 vH nur<br />

wenig stärker zu als im Jahre 1990. Als Folge niedrigerer<br />

Arbeitslosenzahlen blieben die Ausgaben der<br />

Arbeitslosenversicherung nahezu auf Vorjahresniveau.<br />

Die bereits im letzten Jahr beschlossenen Leistungsverbesserungen<br />

beim Wohngeld, Erziehungsgeld<br />

und Kindergeld kamen erst dieses Jahr voll zwn<br />

Tragen und waren maßgeblich an dem Transferzuwachs<br />

beteiligt. Auch die Renten wurden zum 1. Juni<br />

mit 4,7 vH kräftiger erhöht als im Jahr zuvor. Insgesamt<br />

stieg das verfüghare Einkommen um 5 ' 12 vH.<br />

98. Im Jahre <strong>1991</strong> hat die zunehmende Geldentwertung<br />

den Kaufkraftzuwachs der Einkommen erheblich<br />

geschmälert. Die Verbraucherpreise stiegen im<br />

Durchschnitt des Jahres um 3112 vH. Dieser Preisanstieg<br />

ging nicht allein auf die Anhebung einzelner<br />

Verbrauchsteuern und Gebühren, sondern vorwiegend<br />

auf andere Kostensteigerungen und nachfrageseitige<br />

Ursachen <strong>zur</strong>ück (Ziffer 121).<br />

99. Die privaten Haushalte orientieren sich in ihren<br />

Konsumgewohnheiten nur zum Teil an den laufenden<br />

Einkommen, für sie spielt auch der längerfristige<br />

Trend der Entwicklung der Realeinkommen eine<br />

Rolle. Der geringere Zuwachs des realen verfügbaren<br />

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