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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

sich gezeigt, wie aufnahmefähig der westdeutsche<br />

Arbeitsmarkt ist. Die immer noch hohe Anzahl der<br />

registrierten Arbeitslosen (Ende <strong>1991</strong>: 1,7 Millionen)<br />

steht nicht für eine massive Verfehlung des<br />

Beschäftigungszieles. Wie die schnelle Absorption<br />

des zusätzlichen Arbeitskräfteangebots aus der<br />

ehemaligen DDR, aus Osteuropa und aller Welt<br />

belegt, passen offensichtlich Arbeitsansprüche<br />

und Arbeitsmöglichkeiten vieler Arbeitsloser nicht<br />

zu dem, was auf den Arbeitsmärkten geboten wird.<br />

Das hat - vor allem bei den Langzeitarbeitslosen<br />

- viele Gründe, und es bleibt eine wichtige Aufgabe<br />

der Arbeitsmarktpolitik, diesen Menschen zu<br />

helfen. Die Wirkungsmöglichkeiten der anderen<br />

wirtschaftspolitischen Bereiche scheinen hier erschöpft<br />

zu sein.<br />

Der Zusanunenbruch der alten Produktionsstrukturen<br />

hat in den nellen Bundesländern zu einer<br />

sehr hohen offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit<br />

geführt. Diese ist nicht Fehlentscheidungen<br />

der nellen Wirtschaftspolitik zuzuschreiben, sondem<br />

dem alten Regime. Es gab und es gibt keine<br />

Alternative zum Aufbau einer nenen Wirtschaftsbasis,<br />

die den Menschen gute Arbeit und guten<br />

Lohn bietet. Festhalten an den unrentablen alten<br />

Arbeitsplätzen wäre jedenfalls keine Alternative.<br />

Die Folgerung kann nur die sein, daß alles getan<br />

werden muß, um den Neuaufbau der Wirtschaftsbasis<br />

zügig voranzubringen und so die nenen Arbeitsplätze<br />

zu schaffen. In der Zeit bis dahin sind<br />

auch Entlastungen des ostdeutschen Arbeitsmarktes<br />

hilfreich, Pendeln nach Westdeutschland<br />

ist eine von ihnen. Die Möglichkeiten zu helfen,<br />

ohne den Aufbau der neuen Wirtschaftsbasis zu<br />

beeinträchtigen, sind freilich begrenzt.<br />

In der Passivierung der Leistungsbilanz ist kein<br />

Zeichen wirtschaftlicher Schwäche und keine Verfehlung<br />

des Zieles des auJIenwtrtscbalt1lcben<br />

Glelcbgewtcbts zu sehen.<br />

Es paßt zum gewaltig gestiegenen internen Absorptionsbedarf,<br />

daß der Überschuß in der Leistungsbilanz<br />

- beziehungsweise sein Gegenstück,<br />

der hohe deutsche Netto-Kapitalexport ­<br />

mittlerweile abgebaut worden ist. Der Umfang der<br />

in Deutschland zu lösenden Aufgaben zwingt die<br />

Bundesrepublik dazu, ihre Ersparnisse mit Vorrang<br />

für den wirtschaftlichen Aufbau im Osten des<br />

Landes zu verwenden statt für den Ausbau der<br />

Vermögensposition gegenüber dem Ausland. Problematisch<br />

istindessen, daß der Umschwung in der<br />

Zahlungsbilanz weniger durch eine im Markt angelegte<br />

Verbesserung der Investitionschancen in<br />

Deutschland bewirkt worden ist als durch wirtschaltspolitische<br />

Maßnahmen zu Lasten der inneren<br />

Ersparnis. Der im Vergleich zum internationalen<br />

Kapitalmarkt hohe deutsche Zins zeigt eben<br />

nicht eine Verbesserung der Renditeerwartungen<br />

an, sondern die Marktreaktion auf die hohe Beanspruchung<br />

des Kapitalmarktes durch den Staat.<br />

Wenn diese nicht <strong>zur</strong>ückgeführt werden sollte,<br />

wird der hohe Zins die Investitionen in Sachkapital<br />

beeinträchtigen. Er wird vor allem die zinsreagibIen<br />

Bereiche treffen - die Abschwächung im Bau<br />

von Einfamilienhäusern ist bereits eingetreten.<br />

Die wirtschaftliche Integration in Deutschland:<br />

Perspektiven - Wege - Risiken<br />

(Ziffern 285fl.)<br />

51*. Die Wirtschaftspolitik muß sich konsequent auf<br />

die grundlegend veränderten Gegebenheiten in<br />

Deutschland einstellen. Nach der politischen Einigung<br />

sind die Prioritäten nach einem gesamtdeutschen<br />

Maßstab neu zu setzen. Was in den alten Bundesländern<br />

vordem als dringlich galt, mag es weiterhin<br />

sein, doch nun eben nicht irruner dringlich genug,<br />

um nicht hinter dem <strong>zur</strong>ückstehen zu müssen, was in<br />

den neuen Bundesländern auf Verbesserung wartet:<br />

In der sektoralen Strukturpolitik stellt sich die<br />

Frage nach der Berechtigung überkommener Subventionen<br />

verschärft, wo diese nicht nur öffentliches<br />

Geld kosten, das an anderer Stelle dringend<br />

gebraucht wird, sondern zudem den Wettbewerb<br />

zu Lasten von Anbietern aus den neuen Bundesländern<br />

verzerren; die Subventionen für den westdeutschen<br />

Steinkohlebergbau sind hier das wichtigste,<br />

jedoch nicht das einzige Beispiel.<br />

In der regionalen Strukturpolitik muß die Erhöhung<br />

der Standortqualität strukturschwacher ostdeutscher<br />

Regionen Vorrang vor einer Förderung<br />

westdeutscher haben, die in gesamtdeutscher Betrachtung<br />

allemal besser dastehen, dazu gehört<br />

der beschleunigte Abbau der verbliebenen Zonenrandförderung<br />

ebenso wie eine Neuabgrenzung<br />

der Fördergebiete in den alten Bundesländern.<br />

In der Umweltschutzpolitik ist bei allen mit öffentlichem<br />

Geld geförderten Maßnahmen zu beachten,<br />

daß diese angesichts der immensen Altlasten,<br />

die der Sozialismus hinterließ, in den neuen Bundesländern<br />

vergleichsweise mehr bewirken als in<br />

den alten.<br />

So lange die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen<br />

Wirtschaft noch nicht an die der westdeutschen heranreicht,<br />

müssen auch in der Lohnpolitik. andere Maßstäbe<br />

als bisher gelten. Wie rasch die Löhne in den<br />

neuen Bundesländern zu denen in den alten Bundesländern<br />

aufschließen können, ist dabei nicht die einzige<br />

Frage. Fragen müssen sich die TaIÜVertragsparteien<br />

auch, was eine vertretbare Lohnsteigerung im<br />

Westen ist, wenn diese zugleich das Ausmaß des im<br />

Osten geltend gemachten Nachholanspruchs bestimmt<br />

und so die dortigen Beschäftigungsprobleme<br />

wesentlich mitbeeinflußt.<br />

52*. Die Angleichung der Lebensverhältnisse in den<br />

neuen an die in den alten Bundesländern kann nicht<br />

auf Dauer durch Transferzahlungen erfolgen. In Ostdeutschland<br />

müßte dies den Willen, es aus eigener<br />

Kraft zu etwas zu bringen, über kurz oder lang erlahmen<br />

lassen, und in Westdeutschland wäre dafür nicht<br />

mit anhaltender politischer Zustimmung zu rechnen.<br />

Der Weg <strong>zur</strong> Angleichung der Lebensverhältnisse<br />

muß vielmehr über den Aufbau einer wettbewerbsfäbigen<br />

Wirtschaftsbasis in den neuen Bundesländern<br />

führen, die diesen Schritt für Schritt ein eigenständiges<br />

Vorwärtskommen und damit ein Aufholen ermöglicht.<br />

Auf Hilfe <strong>zur</strong> Selbsthilfe werden die neuen Bundesländer<br />

freilich - darüber sollte es keine falschen<br />

Erwartungen geben - sobald noch nicht verzichten<br />

können.<br />

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