Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
57*. Die Bundesbank muß 19<strong>92</strong> den geldpolitischen<br />
Kurs fortsetzen, den sie <strong>1991</strong> beschritten hat. Nach<br />
den geldpolitischen Vorstellungen des Sachverständigemates<br />
sollte die bereinigte Zentralbankgeldmenge<br />
auf einem Expansionspfad von 5lJz vH gehalten werden.<br />
Bei einer solchen Ausweitung der bereinigten<br />
Zentralbankgeldmenge wäre die Geldpolilik leicht<br />
restriktiv. Das Geldangebot würde um weniger steigen<br />
als die Geldnachfrage; nach unserer Prognose<br />
wird sich das nominale Bruttosozialprodukt und daraus<br />
abgeleitet die Geldnachfrage 19<strong>92</strong> um 7 vH erhöhen.<br />
Der Restriktionsdruck ist angemessen, weil sich<br />
in der Zunahme des nominalen Bruttosozialprodukts<br />
ein mit Geldwertstabilität nicht mehr zu vereinbarender<br />
Preisniveauanstieg von 4 vH niederschlägt. Angesichts<br />
der noch immer vorhandenen Unsicherheiten<br />
über Höhe und Veränderung der Geldnachfrage in<br />
Ostdeutschland kann es allerdings notwendig werden,<br />
das Geldmengenziel im Laufe des Jahres 19<strong>92</strong> zu<br />
revidieren. Für eine'Verschärfung des geldpolitischen<br />
Kurses gibt es derzeit keine guten Gründe.<br />
Finanzpolitik:<br />
Eine verläßliche Konzeption entwickeln<br />
(Ziffern 314ff.)<br />
58*. Die Finanzpolilik wird 19<strong>92</strong> und in den folgenden<br />
Jahren vor den Herausforderungen stehen, die<br />
aus der deutschen Vereinigung und dem wirtschaftlichen<br />
Aufbau in denneuen Bundesländernresultieren.<br />
Sie muß die Schaffung einer wetthewerbsfähigen<br />
Wirtschaftsbasis in den neuen Bundesländern unterstützen<br />
und die sozialen Folgen des Umbaus abfedern;<br />
sie muß aber auch bei der Aufbringung der dazu<br />
erforderlichen FinanzmiUel wachstums-, stabilitätsund<br />
verteilungspolitische Probleme lösen. Diesen<br />
Aufgaben wird die Finanzpolitik nur gerecht werden<br />
können, wenn es ihr gelingt, anders als im Jahre <strong>1991</strong>,<br />
den wirtschaftlichen Akteuren eine klare und eindeutige<br />
Perspektive über ihren längerfristigen Kurs zu<br />
vermitteln. Dazu gehört insbesondere eine glaubwürdige<br />
Konsolidierungsstrategie, die zukünftige Haushaltsrisiken<br />
in angemessener Weise berücksichtigt.<br />
Nur auf diesem Weg kann das Vertrauen in die Finanzpolitik.<br />
<strong>zur</strong>ückgewonnen und kann dem Eindruck<br />
begegnet werden, die ökonomischen Folgen der<br />
Vereinigung könnten möglicherweise die deutsche<br />
Volkswirtschaft überfordern.<br />
59*. Die Hauptlast der Finanzierung der Transfers<br />
an die neuen Bundesländer liegt beim Bund. Es ist<br />
bisher nicht gelungen, die westdeutschen Länder und<br />
ihre Gemeinden angemessen in die Finanzierungspflicht<br />
einzubeziehen und damit auch für sie einen<br />
Druck zu schaffen, die Höhe und Struktur ihrer Ausgaben<br />
zu überprüfen und dabei zu Einsparungen und<br />
Umschichtungen zu kommen. Bei der Finanzierung<br />
der Einheit handelt es sich um eine nationale Aufgabe,<br />
an der sich alle Gebietskörperschaften der alten<br />
Bundesrepublik zu beteiligen haben. Die Finanzverfassung<br />
sieht auch durchaus ein Verfahren vor, wie<br />
die unterschiedliche Belastung der einzelnen Ebenen<br />
ausgeglichen werden kann, nämlich über die Neuverteilung<br />
des Umsatzsteueraufkommens gemäß Artikel<br />
106 Abs. 3 und 4 GG. Es dürfte einer der großen<br />
Fehler der Finanzpolitik gewesen sein, dieses Verfahren<br />
ohne Not außer Kraft gesetzt und die Verteilung<br />
der Belastungen über den Fonds .Deutsche Einheit·<br />
geregelt zu haben.<br />
60*. Mit dem Auslaufen des Fonds "Deutsche Einheit<br />
U<br />
zum Ende des Jahres 1994 müssen die neuen<br />
Bundesländer voll in die Finanzverfassung einbezogen<br />
werden. Das wird nicht ohne grundsätzliche Reformen<br />
des derzeitigen Systems möglich sein, Der<br />
Länderfinanzausgleich wird in Zukunft nicht nur ein<br />
Spitzenausgleich auf der Einnahmenseite sein können.<br />
Angesichts der erheblichen Strukturprobleme<br />
der neuen Bundesländer werden über einen längeren<br />
Zeitraum hinweg Zuweisungen des Bundes unumgänglich<br />
sein.<br />
61*. Die Finanzpolilik steht in den kommenden Jahren<br />
vor einer großen Konsolidierungsaufgabe. Das Finanzierungsdefizit<br />
das im Jahre <strong>1991</strong> fast 5 vH des<br />
Bruttosozialprodukts erreicht hat, muß bis Mitte der<br />
neunziger Jahre kräftig <strong>zur</strong>ückgefahren werden. Die<br />
hohe Kreditaufnahme des Staates bringt eine besorgniserregende<br />
Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte<br />
mit sich und sie stellt ein Risiko für Stabilität und<br />
Wachstum dar. Der Konsolidierungsbeitrag sollte<br />
durch strenge Ausgabendisziplin auf allen Ebenen<br />
erzielt werden; Steuer- und Abgabenerhöhungen<br />
sollten wegen der damit verbundenen negativen Wirkungen<br />
auf Leistungsbereitschaft und Investitionen<br />
nach Möglichkeit vermieden werden,<br />
Bei den erforderlichen Ausgabenkürzungen geht es<br />
nicht nur um eine quantitative Konsolidierung. Die<br />
Vereinigung Deutschlands müßte viehnehr Anlaß<br />
sein, alle öffentlichen Ausgaben und dies auch aul<br />
allen Ebenen einer grundsätzlichen Überprüfung zu<br />
unterziehen und dabei neue Prioritäten und Schwerpunkte<br />
zu setzen. Dies ist bisher noch nicht in notwendigem<br />
Umfang geschehen. Es kann nicht darum gehen,<br />
etwa im Sinne globaler Minderausgaben oder<br />
prozentualer Kürzungen aller BUdgetposten das notwendige<br />
Einsparvolumen zu erbringen. Ein solches<br />
Vorgehen mag politisch noch am ehesten durchsetzbar<br />
sein, es wäre ökonomisch jedoch unbefriedigend.<br />
Die öffentlichen Haushalte müssen vielmehr systematisch<br />
auf solche Posten hin überprüft werden, die obsolet<br />
geworden sind (zum Beispiel Beschleunigung<br />
des Abbaus der Berlin-Hilfe und der Zonemand-Förderung),<br />
die wegen veränderter politischer Bedingungen<br />
reduziert werden können (zum Beispiel Verteidigung)<br />
und die ökonomisch nicht vertretbar sind (zum<br />
Beispiel viele Subventionen). Eine solche Überprüfung<br />
muß sämtliche öffentlichen Haushalte erfassen<br />
- übrigens auch die der neuen Bundesländer und<br />
ihrer Gemeinden, in denen der Personalüberhang<br />
weiterhin zügig abgebaut werden muß.<br />
62*. Wenn Ausgabenumschichtungen und Ausgabenkürzungen<br />
im erforderlichen Umfang nicht gelingen<br />
und sogar noch zusätzliche Belastungen auf die<br />
öffentlichen Haushalte zukommen, dann bleibtfür die<br />
Konsolidierung nur noch der Weg über weitere<br />
Steuererhöhungen. Dafür kommen in Anbetracht der<br />
Höhe des Konsolidierungsbedarfs nur die Einkommensteuer<br />
und die Körperschaftsteuer sowie die<br />
19