Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
fen. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bleiben auf besonders<br />
begründete Ausnahmefälle beschränkt. Dieses<br />
Regel-Ausnabme-Verhältnis muß auch in den<br />
neuen Bundesländern gelten.<br />
535. Wichtig ist vor allem eine regionale Differenzierung.<br />
Heute ist zwar die Arbeitslosigkeit überall in<br />
den neuen Bundesländern hoch. Aber die regionalen<br />
Unterschiede werden mit der Zeit größer werden.<br />
Nicht überall wird die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz<br />
aussichtslos bleiben. Vielerorts werden<br />
nicht nur alte Arbeitsplätze entfallen, sondern auch<br />
neue entstehen. Schwierig bleibt die Lage jedoch in<br />
Regionen mit einseitig ausgerichteter und heute ootleidend<br />
gewordener Wirtschaftsstruktur. Auf diese<br />
Regionen muß sich der Einsatz von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
konzentrieren. Hierzu bedarf es<br />
der Abstinunung mit der Regionalpolitik der Länder.<br />
Ein zweckmäßiges Verfahren könnte sein, für jedes<br />
Land ein Budget für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />
vorzugeben und dann in Zusammenarbeit mit<br />
der Landesregierung Schwerpunkte tür den Einsatz<br />
der Mittel, vor allem in regionaler Hinsicht, zu bestimmen.<br />
ABS~Gesellschaftensind bereits in großer Zahl und<br />
ohne Beschränkung auf Problemregionen gegründet<br />
worden. Es ist an der Zeit, dieser Fehlentwicklung ein<br />
Ende zu setzen und sie allmählich wieder <strong>zur</strong>ückzuschrauben.<br />
Hierzu bedarf es der konsequenten<br />
Durchsetzung der zeitlichen Begrenzungen, die tür<br />
die bestehenden Gesellschaften grundsätzlich gelten.<br />
536. Schädlic.he Nebenwirkungen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
können im übrigen in Grenzen<br />
gehalten werden, wenn einige wichtige Grundsätze<br />
Beachtung finden:<br />
Für den Arbeitnehmer muß ein starker Anreiz erhalten<br />
bleiben, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen<br />
und sich dafür zu qualifizieren. Gegen diesen<br />
Grundsatz wurde eklatant verstoßen durch tarifliche<br />
Vereinbarungen, nach denen Kurzarbeitern<br />
ein Ausgleich für die Differenz zwischen Tariflohn<br />
und Kurzarbeitergeid zu zahlen war. Ebenso verfehlt<br />
ist aber die Fortzahlung des für das vorhergehende<br />
Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tariflohns<br />
durch eine ABS-Gesellschaft. Die Anreize sind<br />
richtig gesetzt, wenn der Lohn im Rahmen einer<br />
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zwar höher ist als<br />
das Arbeitslosengeld, jedoch fühlbar niedriger als<br />
in einem regulären Arbeitsverhältnis liegt. Wenn<br />
sich dies nicht durch besondere Tarifvereinbarung<br />
erreichen läßt, wäre auch eine Gesetzesänderung<br />
in Betracht zu ziehen, die der Tatsache Rechnung<br />
trüge, daß die Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />
eher den Charakter<br />
einer Sozialleistung als eines Arbeitsverhältnisses<br />
hat.<br />
Aber auch ohne Tarifvereinbarung und Gesetzesänderung<br />
lassen sich sinnvolle Lösungen finden.<br />
So könnte man zum Beispiel die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />
auf Teilzeitbeschäftigung<br />
begrenzen und den Arbeitnehmern für die verbleibende<br />
Zeit Qualifizierungsprogramme anbieten;<br />
letztere wären Maßnahmen <strong>zur</strong> Fortbildung und<br />
Umschulung, bei denen nicht der Tariflohn, sondem<br />
nur ein niedrigerer Unterhaltsbeitrag gezahlt<br />
würde.<br />
Bei den Arbeitnehmern darf nicht der Eindruck<br />
entstehen, die Beschäftigung in einer ABS-Gesellschaft<br />
sei eine Lösung auf Dauer. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
sind für den Einzelnen zwar<br />
grundsätzlich immer zeitlich begrenzt. Die heute<br />
in großer ZaW gegriindeten ABS-Gesellschaften<br />
sind aber so angelegt, daß die Beendigung nach<br />
Fristablauf voraussichtlich nicht leicht durchzusetzen<br />
sein wird. Es ist wichtig, falschen Erwartungen<br />
rechtzeitig entgegenzutreten und nach Möglichkeit<br />
keine Organisationsfonnen zu schaffen, die<br />
die Durchsetzung zeitlicher Begrenzungen erschweren.<br />
Wettbewerbsnachteile für private Anbieter müssen,<br />
soweit dies überhaupt möglich ist, vermieden<br />
werden. Hierzu sollte von der Möglichkeit Gebrauch<br />
gemacht werden, die mit einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />
zu erbringenden Leistungen<br />
öffentlich auszuschreiben, um auch privaten<br />
Anbietem die Beteiligung zu eröffnen. Allerdings<br />
ist auch dies nicht unproblematisch. Ein Unternehmer<br />
kann in die heikle Lage geraten, daß er einen<br />
Auftrag nur erhält, wenn erArbeitslose im Rahmen<br />
einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einstellt,<br />
daß er zugleich aber Schwierigkeiten hat, seine<br />
qualifizierte Stammbelegschaft zu beschäftigen.<br />
Die Privatisierung darf nicht behindert werden.<br />
Erschwerend für die Privatisierung wirkt sich die<br />
immer noch gebräuchliche Praxis aus, überzählige<br />
Arbeitskräfte als Kurzarbeiter im Beschäftigungsverhältnis<br />
zu belassen mit der Folge, daß der Erwerber<br />
des Unternehmens die Last des endgültigen<br />
Personalabbaus zu tragen hat. Die Sonderregelung<br />
für Kurzarbeiter sollte deswegen auf keinen<br />
Fall verlängert werden. Demgegenüber wäre<br />
die übernahme freigesetzter Arbeitnehmer in eine<br />
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme schon ein Fortschritt.<br />
Es muß auch dabei bleiben, daß die der<br />
Treuhandanstalt gehörenden Unternehmen keine<br />
finanziellen Lasten aus der Gründung und dem<br />
Betrieb von ABS-Gesellschaften zu tragen haben.<br />
Auch dies würde die Privatisierung erschweren.<br />
537. Wichtiger als die Schalfung zeitweiliger Beschältigungsmöglichkeiten<br />
für Arbeitslose ist, daß ihnen<br />
die Chance geboten wird, sich für neue Arbeitsplätze<br />
zu qualifizieren. Die Arbeitnehmer verfügen<br />
zwar durchweg über eine solide Grundausbildung,<br />
doch müssen sie sich mit neuen Techniken vertraut<br />
machen, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu wahren.<br />
Völlig neuartige Anforderungen an die berufliche<br />
Qualifikation werden vor allem im Bereich der Dienstleistungen<br />
gestellt. Heute gibt es bei hoher Arbeitslosigkeit<br />
bereits vielfach Mangel an Arbeitskräften mit<br />
speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten. Dies unterstreicht<br />
die Bedeutung von Maßnahmen <strong>zur</strong> Fortbildung<br />
und Umschulung sowie des Elements der Qualifizierung<br />
in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.<br />
Die auf Qualifizierung zielenden Maßnahmen stoßen<br />
auf Schwierigkeiten, weil das Angebot an Fortbildungs-<br />
und Umschulungsmöglichkeiten begrenzt und<br />
zudem in seiner Qualität schwer zu beurteilen ist. Die<br />
besten Aussichten für erfolgreiche Qualifizierung bie-<br />
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