Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
VIERTES KAPITEL<br />
Zum wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern<br />
I. Dem UmstellungsprozeB Hindernisse aus<br />
dem Weg räumen<br />
443. Was es an Anstrengung und Zeit erfordert, eine<br />
ganze Wirtschaft, die mehr als vierzig Jahre lang<br />
staatlich kommandiert war, auf die Anforderungen<br />
einer Marktwirtschaft um<strong>zur</strong>üsten, ist <strong>1991</strong> in aller<br />
Klarheit deutlich geworden. Kaum etwas in der ostdeutschen<br />
Wirtschaft kann so bleiben, wie es war: Die<br />
Produktionsanlagen müssen von Grund auf erneuert,<br />
berufliche Fertigkeiten und Kenntnisse auf einen<br />
neuen Stand gebracht, gewohnte Verhaltensweisen<br />
geändert, Mängel der Infrastruktur und des Standortgefüges<br />
behoben, gravierende Umweltschäden beseitigt<br />
werden.<br />
Zur Bewältigung der unvermeidlichen Anpassungskrise<br />
und <strong>zur</strong> Nutzung der darin liegenden Chancen<br />
bedarf es der Entfaltung privater Initiative, aber aucb<br />
einer Wirtschaftspolitik, die private Initiative unterstützt,<br />
sie anspornt und ihr Raum gibt. Wo ihre Mitwirkung<br />
unerläßlich ist, muß die Wirtschaftspolitik<br />
entschlossen handeln, wo es das Feld den Marktkräften<br />
zu überlassen gilt, muß sie sich <strong>zur</strong>ückhalten. Dem<br />
Umstellungsprozeß Hindernisse aus dem Weg zu räumen,<br />
ist ihre Aufgabe, und nicht, ihn zu lenken.<br />
444. An vorderster Stelle geht es darum, für günstige<br />
Investitionsbedingungen zu sorgen. Die kräftige finanzielle<br />
Förderung der Investitionstätigkeit in den<br />
neuen Bundesländern ist dabei keineswegs alles. Daß<br />
nicht rascher so viel Neues aufgebaut wird, wie aufgebaut<br />
werden muß, liegt auch an Engpässen beim<br />
Übergang von der Planwirtscbaft <strong>zur</strong> Marktwirtscbaft,<br />
die nicht mit weiteren Fördermitteln, sondern auf andere<br />
Weise zu beheben sind:<br />
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Die auf ungeklärten Eigentumsverhältnissen beruhende<br />
Unsicherheit beim Investieren muß durch<br />
eine Beschleunigung der Verfahren <strong>zur</strong> Regelung<br />
offener Vermögensfragen ausgeräumt, Behörden<br />
und Verwaltungen müssen zu effizientem Handeln<br />
befähigt, neue Gewerbeflächen mit Nachdruck erschlossen,<br />
ökologische Sanierungskonzepte rasch<br />
entwickelt und die damit zusammenhängenden<br />
Finanzierungsfragen verläßlich geklärt werden<br />
(Zillern 450fl.).<br />
Für einen zügigen Ausbau der Infrastruktur gilt es,<br />
sich bietende Privatisierungsmäglichkeiten zu nutzen<br />
und bei der Bereitstellung wie beim Betrieb<br />
auch Wege zu beschreiten, die bisher noch nicht<br />
gängig sind (Zillern 463ll.).<br />
Wo immer die institutionellen Regelungen, die mit<br />
der politischen Einigung von der alten Bundesrepublik<br />
übernommen worden sind, die neuen Bundesländer<br />
fürs erste noch überfordern und so den<br />
Umstellungsprozeß erschweren, statt ihn zu erleichtern,<br />
sind temporäre Abweichungen und Aus-<br />
nahmen vom Grundsatz eines einheitlich geltenden<br />
Rechtsrahmens zu prüfen. Langwierige Genehmigungsverfahren<br />
bei Inlrastrukturinvestitionen<br />
sind dafür ein wichtiges Beispiel; sie sind<br />
durch befristete Sonderregelungen zu verkürzen<br />
(Ziffern 472fl.).<br />
Aufschub verträgt die Lösung keiner dieser Aufgaben,<br />
wenn die Umstellung der ostdeutschen Wirtschaft<br />
mit kräftigen Schritten vorankommen soll.<br />
445. Als Zwischeneigentürnerin der ehemals volkseigenen<br />
Betriebe hat die Treuhandanstalt im Prozeß<br />
der wirtschaftlichen Umstrukturierung eine Schlüsselstellung.<br />
Ihre Aufgabe ist es, die ihr übertragenen<br />
Wirtschaftseinheiten dahin zu bringen, sich eigenständig<br />
am Markt zu behaupten, oder falls das nicht<br />
gelingt, die Liquidation zu betreiben. Sie hat bislang<br />
mit beachtlichem Erfolg die Privatisierung in der Einsicht<br />
vorangetrieben, daß dies zugleich die beste Gewähr<br />
für eine Sanierung biete. Die Gefahr, daß künftig<br />
andere Zielvorstellungen die Oberhand gewinnen,<br />
ist nicht gering zu schätzen; denn die Forderungen<br />
mehren sich, die Treuhandanstalt solle die umfassende<br />
Sanierung von Unternehmen, deren Privatisierung<br />
in absehbarer Zeit nicht in Aussicht steht, selbst<br />
in die Hand nebmen. Dies fordern heißt jedoch, die<br />
Treuhandanstalt in eine Strukturerhaltungsrolle drängen,<br />
in der sie leicht zu einer bürokratischen Dauerinstitution<br />
<strong>zur</strong> Verwaltung nicht wettbewerbsfähiger<br />
und damit ständiger Subventionierung bedürftiger<br />
Unternehmen werden könnte. Daraus folgt:<br />
Die Treuhandanstalt muß der Privatisierung weiterllin<br />
Vorrang vor der Sanierung mit eigenen Mitteln<br />
geben und dabei das Potential privatisierungsfähiger<br />
Unternehmen mit verstärkter Kraft ausschöpfen<br />
(Ziffern 479fl.).<br />
Sanierungspläne für noch nicht privatisierte Unternehmen<br />
dürfen nur innerhalb eines zeitlich und<br />
finanziell klar begrenzten Budgetrabmens gefördert<br />
werden (Ziffern 483f.).<br />
Eine Erhaltung nicht privalisierungsfälüger Unternehmen,<br />
die für eine Übergangszeit aus regionalpolitischen<br />
Gründen geboten sein kann, gehört<br />
nicht zu den Aufgaben der Treuhandanstalt; für<br />
die Regionalpolitik sind andere Träger zuständig<br />
(Zillern 485fl.).<br />
In ihrem Kembereich, der Privatisierung, Sanierung<br />
und Stillegung derin ihrem Besitz befindlichen Unternehmen,<br />
muß die Tätigkeit der Treuhandanstalt in<br />
überschaubarer Zeit zum Abschluß kommen. Alles<br />
andere hieße, Mittelund Kräfte binden, die beim Neuaufbau<br />
fehlen.<br />
446. Die Umrüstung auf die Marktwirtschaft darf<br />
sich nicht an den alten wirtschaftlichen Strukturen<br />
ausrichten. Diese würden wie ein schwerer Ballast in<br />
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